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Kunst als Leben, Leben als Kunst

Johannes Itten – ein Leben für die Kunst. Theorien, Lehrtätigkeit, Lebensphasen: Miterleben im Kunstmuseum Bern!

Sein Leben lang war er Lehrer, der am 11.11.1888 im Emmental geborene Johannes Itten. Nach dem frühen Tod seines Vaters lebte er bei seinem Onkel in Thun, besuchte 1904-1906 das Lehrerseminar Bern-Hofwil, arbeitete als Primar- und nach der entsprechenden Weiterausbildung als Sekundarlehrer. Bald sucht er nach seiner ureigenen Bestimmung und findet sie schliesslich in der Malerei; im weiteren Sinne in der Kunst überhaupt. Weitere Stationen als Lehrer sind vor allem das Bauhaus (1919-1923) und eine eigene Kunstschule gegen Ende seiner Tätigkeiten. Verstorben ist er am 25.03.1967.

Nicht nur Lehrer ist Itten, sondern als solcher auch Forscher, Entdecker oder gar Erfinder. Jedenfalls darf man ihn als lebenslang Suchenden bezeichnen, und er hat es sich dabei auch im persönlichen Leben und Denken nicht leicht gemacht. Er gilt als Erneuerer der Kunstpädagogik. Kunsttheoretische Hauptwerke sind einerseits seine in unzähligen «Tagebüchern» formulierten und mit einer Fülle von Skizzen erläuterten Gedanken zur Elementarlehre der Kunst, und andererseits vor allem die 1919 bis 1923 entwickelte Farbtheorie. (Publikation: Die Kunst der Farbe, 1961 erschienen)

Komposition in Blau, 1918. Öl auf Leinwand 120 x 80,5 cm. Depositum der Schweizerischen Eidgenossenschaft, Bundesamt für Kultur, Gottfried Keller-Stiftung. © 2019, ProLitteris, Zürich.

In seinen von ihm Tagebücher genannten Blättern formuliert, entwickelt und erläutert Itten nicht nur Theorien, sondern er bereitet darin auch seinen Unterricht vor. Es darf deshalb als besonders illustrativer und informativer Aspekt dieser Ausstellung im Berner Kunstmuseum bezeichnet werden, dass die Kuratoren, Nina Zimmer (Direktorin Kunstmuseum – Zentrum Paul Klee), gemeinsam mit Christoph Wagner (Institut für Kunstgeschichte, Universität Regensburg), das konzeptionelle Schwergewicht auf die Gegenüberstellung des bildnerischen Werks mit den damit verknüpften Tagebuchseiten legen.

Johannes Itten, Blatt aus Tagebuch VI, Krefeld, 14. Juni 1937 bis evtl. 1941. Tinte, Gouache, Aquarell / Tinte, Farbstift. 29 x 22.9 cm. Kunstmuseum Bern, Johannes Itten-Stiftung, Bern. © 2019, ProLitteris, Zürich

Blatt aus Tagebuch VI, Krefeld, bezeichnet recto und verso, 1937 – 1941. Gouache, Tinte. 29 x 22.9 cm. Kunstmuseum Bern, Johannes Itten-Stiftung, Bern. © 2019, ProLitteris, Zürich

Lohnen wird es sich auch, sich während des Ausstellungsbesuchs nicht nur von den wirkungsvoll präsentierten, eindrücklichen und vielseitigen Gemälden aller Formate und von den sublim berührenden Zeichnungen beeindrucken zu lassen, sondern sich die nötige Zeit zu nehmen, um die Tagebuchblätter einzeln von nahe anzusehen – was für eine Vielfalt an Überzeugungen, theoretischen Erkenntnissen und methodischen Einfällen begegnen einem da! Selbst wenn es dann doch zu anspruchsvoll wird, die Notizen alle zu entziffern und geistig aufzunehmen: Schon die grafische Wirkung der an den Wänden aufgereihten Blätter als Ganzes, vielmehr noch die eines jeden einzelnen davon – ein Begegnungserlebnis mit Kunst von ganz besonderer Art! Auch wenn man nicht alles wirklich in der umfassenden Bedeutung aufnehmen kann – tief beeindruckt vom intellektuellen Reichtum und dem pädagogischen Geschick von Johannes Itten verlässt man die Räume auf jeden Fall.

Einatmen, ausatmen, 1922, Farbstift und Aquarell auf Papier 30 x 30 cm. Privatbesitz. © 2019, ProLitteris, Zürich

Eindrücklich dokumentiert die Ausstellung auch die Entwicklung von Ittens Sprache der Farben und Formen auf neuen Wegen, die den Einfluss von Cézanne, des Kubismus im Frühwerk und der Bildsprache des Blauen Reiters verlässt, um sich Möglichkeiten einer geometrisch-abstrakten Formensprache zuzuwenden. In der Tat ist die Verschmelzung von Ittens Farbenlehre mit der Symbolik seiner verwendeten Formen offensichtlich. Das Kinderbild von 1921/1922 ist sprechendes Beispiel dafür. Es gilt als ein Rätselbild der esoterischen Lehren vom neuen Menschen.

Kinderbild, 1921/1922, Öl auf Holz, 110 x 90 cm. Kunsthaus Zürich, 1964. © 2019, ProLitteris, Zürich. Foto: Kunsthaus Zürich

Mit Esoterik befasst sich Johannes Itten immer wieder in seinem wechselvollen künstlerisch und persönlich erfüllten Leben. Er begegnet der Anthroposophie und der Mazdaznan-Lehre, einer Mischreligion mit ineinander verwobenen zarathustrischen, christlichen hinduistisch-tantrischen Vorstellungen. 1924 bis 1925 lebt er diese Lehre praktisch in einer entsprechenden Institution in Herrliberg. Dort widmet er sich, wiederum auch als Lehrer, vor allem der Handweberei und der Teppichknüpferei, und nur einzelne Gemälde und Zeichnungen entstehen. Wohl vor allem solchen damaligen zeitgeschichtlichen, geistigen und gesellschaftlichen Strömungen geschuldet, ist Itten zeitweise nicht ganz frei von Elementen rassistischer Ideologie. So oder so: eine vielseitige und faszinierende Persönlichkeit als Mensch und Künstler! Reichhaltig und tiefgründend dokumentiert in dieser hervorragend gestalteten Ausstellung.

Schon die aufliegende Ausstellungsbroschüre enthält ausreichende Informationen zum Verständnis sowohl des Werks und dessen Einzelobjekte als auch des reichen und nicht von allen extremen Auswüchsen freien Lebens dieses hervorragenden Künstlers und seiner Wirkungsgeschichte. Vertieftes Studium erlaubt der Ausstellungskatalog, Johannes Itten: Kunst als Leben. Herausgegeben von Nina Zimmer und Christoph Wagner, mit Beiträgen von Christoph Wagner und Malika Maskarinec. Deutsch, 232 Seiten, 161 Abbildungen. Hirmer Verlag 2019, ISBN 978-3-7774-3346-2.

Alles in Einem, 1920. Aquarell und Tusche 29 x 23 cm. Kunstmuseum Bern, Johannes-Itten-Stiftung, Bern. Schenkung Matthis Itten. © 2019, ProLitteris, Zürich

Selbstbildnis, 1928. Öl auf Leinwand 44 x 36 cm. Privatbesitz. © 2019, ProLitteris, Zürich.

Die Ausstellung dauert bis 2. Februar 2020.

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