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Lernen – ein Leben lang

Die Volkshochschule ist im heutigen Bildungsangebot für Erwachsene nicht wegzudenken. Ihre Geschichte erzählt die Historikerin Ruth Wiederkehr zum 100jährigen Bestehen im Buch «Ein lernbegierig Volk».

Viele Menschen sind mit ihr verbunden, besuchen Kurse oder nehmen an Reisen teil. Fast jede Region verfügt über Volkshochschulen (VHS) mit einem eigenen Programm. Allen gemeinsam ist, dass sich Menschen bilden können, unabhängig von Herkunft, Vorwissen und Alter.

«Urban Sketching», Gestaltungskurs mit Corinna Polke. Von Beginn an werden die Volkshochschulkurse mehrheitlich von Frauen besucht. Foto: © Giorgio von Arb, Zürich.

Ich selbst nehme immer wieder gern an Kursen teil, dazu stehen mir im nahen Umkreis neben Zürich auch Aarau, Wettingen oder Spreitenbach zur Verfügung. Oder ich buche eine Reise bei der Reisehochschule, die immer fundiert geführte Kulturreisen mit einer überschaubaren Teilnehmerzahl anbietet. Ende der 1990er Jahre arbeitete ich im Team von Freiwilligen bei der Programmgestaltung der VHS Spreitenbach mit, seither biete ich hin und wieder in Wettingen eigene kunsthistorische Kurse an.

Die Aus- und Weiterbildung von Erwachsenen war im 19. Jahrhundert und bis nach dem Ersten Weltkrieg Sache individuell organisierter Vereine, etwa des Arbeiterbildungsvereins, der Frauenvereine oder kirchlicher Vereinigungen. Eine der ersten Organisationen, die sich für soziale Fragen, Bildungs- und Familienpolitik einsetzte und noch heute besteht, ist die 1810 gegründete Schweizerische Gemeinnützige Gesellschaft.

Nach dem Ersten Weltkrieg führten soziale Spannungen zu zahlreichen Reformen. Die Hochschulen bemühten sich, die Wissenschaft «ins Volk» zu tragen und gründeten Volkshochschulen mit dem Ziel, die Solidarität zwischen unterschiedlichen gesellschaftlichen Gruppen zu fördern. Vorbilder gab es seit dem 19. Jahrhundert in Grossbritannien und Österreich. In Deutschland entstanden 1918 unmittelbar nach dem Krieg Hunderte von Volkshochschulen. In der Schweiz startete im Oktober 1919 die Universität Basel erstmals mit Volkshochschulkursen, im November folgte Bern und im Frühling 1920 Zürich.

Das erste Programm in Zürich bot acht «Volksbildungskurse» an mit Professoren oder Forschern. Über 1400 Eingeschriebene verfolgten von Januar bis März 1920 für je einen Franken die wöchentlichen Ausführungen. Besonderen Anklang fand Carl Schröter mit dem Kurs «Die Flora der Alpen». Wenig später wurde der ETH-Botanikprofessor erster Präsident des «Vereins der Volkshochschule Zürich».

Die Ausweiskarte Nummer 67 gehörte «Dr. Jules Suter, Küsnacht». Er war erster Sekretär der Volksbildungskurse und anschliessend der Volkshochschule des Kantons Zürich. Bilder: Staatsarchiv Zürich.

Von der Gründung bis zum Zweiten Weltkrieg besuchten rund 200’000 Menschen die Volkshochschule in der Stadt sowie in den Landfilialen. Klassische Vorlesungen prägten das Programm. Heftige Diskussionen führten zu neuen Formen der Wissensvermittlung, etwa Exkursionen, Ferienkursen oder Studiengruppen. Ab 1925 stiess die relativ junge empirische Wissenschaft der Psychologie auf grosses Interesse, politische Themen wurden diskret unter ökonomischen behandelt, stellt die Autorin fest.

Exkursion in die Sternwarte Zürich, 1950/51. Foto: Hermann Freytag, Sozialarchiv, Zürich.

Kurz vor dem Zweiten Weltkrieg bietet die Volkshochschule vermehrt Vorlesungen zur Schweizer Geschichte und zum Zeitgeschehen an im Sinne der «Geistigen Landesverteidigung». Mitten im Krieg gründet Hermann Weilenmann (1893-1970) 1943 den «Dachverband der Schweizerischen Volkshochschule» mit der Idee, man brauche jetzt mündige Staatsbürgerinnen und -bürger, denn auch nach dem Krieg müsse man zusammenfinden und gemeinsam das Land wiederaufbauen, dabei weist er der Erwachsenenbildung eine bedeutende Rolle zu. In der Folge werden in allen Landesteilen Volkshochschulen gegründet. Weilenmann war während seines ganzen Berufslebens eng mit der Volkshochschule verbunden, anfänglich als Sekretär, ab 1956 als Präsident, er gilt als Vater der Volkshochschule.

Sein Nachfolger Robert Schneebeli (1920-2019) setzt ab 1964 neue Akzente. Waren bisher Grossveranstaltungen in Hörsälen erfolgreich, sind nun kleinere Gruppen gefragt. Neu eingeführt werden Sprachkurse, auch mit Zertifikat, oder Computerkurse, auch in mehrsemestrigen Lehrgängen. Kurse rund um die Erziehung, auch Selbsterfahrungsgruppen für Eltern und Erzieher, werden beliebt.

Frauen und Männer im Pensionsalter besuchen 1986 eine Veranstaltung der neuen Seniorenuniversität, Zürich. Foto: Ringier Bildarchiv, Aarau.

Ab den 1970er Jahren wird das troisième âge wichtiges Publikumssegment, schreibt Ruth Wiederkehr. Die Zahl der über 60-Jährigen wächst kontinuierlich und mit ihnen das Bedürfnis, Kurse auch tagsüber zu besuchen. 1985 eröffnet Zürich die Seniorenuniversität. An zwei Nachmittagen finden jeweils Vorlesungen von Universitätsprofessorinnen und -professoren statt, die ab 1992 in Studiengruppen der Volkshochschule Zürich vertieft werden können.

1992 steht die Volkhochschule im Zenit. In der ganzen Schweiz finden über 9000 Kurse statt, ein Drittel davon Sprachkurse, die seit den 1960er Jahren subventioniert werden. Durch die allgemein angespannte Finanzlage ab Mitte der 1990er-Jahre steht die Diskussion, wie die Selbstfinanzierung erhöht werden könne, im Zentrum. Die dafür notwendigen grundlegenden Strukturreformen realisiert dann die 2002 gewählte Präsidentin Iddamaria Germann in den Bereichen Management, Organisation und Informatik. Aus dem Zweigstellennetz werden nun selbständige Vereine, wie etwa Winterthur 2007. Per 1. Oktober 2012 wird die Volkshochschule Zürich zur Aktiengesellschaft.

Das Doppelhaus an der Bärengasse, wo heute das Sekretariat und Kursräume der Volkshochschule Zürich untergebracht sind. Foto: Roland zh, Wikimedia Commons.

Die Leitung der Volkshochschule Zürich AG übernimmt Pius Knüsel. 2015 kann das
Sekretariat an die Bärengasse in ein historisches Doppelhaus aus dem 17. Jahrhundert einziehen, neu stehen hier auch eigene Kursräumlichkeiten zur Verfügung.

Die Pandemie katapultiert die Volkshochschule im Frühjahr 2020 in das Zeitalter der Online-Bildung. Schon kurz nach dem Lockdown bietet die Volkshochschule Live-Streams an und Sprachkurse und Philosophiezirkel als Videokonferenz. Dank dieser Lösung kann die Volkshochschule den hundertsten Geburtstag feiern, ohne je ein Semester ausgelassen zu haben.

Titelbild: Jobst Meyer, Professor für Psychologie, referiert über «Gene, Persönlichkeit, Verhalten». Seit Mitte der 2010er-Jahre sind hochschulnahe Kurse beliebt. Foto: Zürich, Archiv VHSZH
Bilder: Vom Verlag zur Verfügung gestellt

Ruth Wiederkehr, «Ein lernbegierig Volk» – Geschichte der Volkshochschule Zürich 1920 bis 2020, Limmat Verlag, Zürich 2020. ISBN 978-3-85791-890-2

Zum aktuellen Programm der Volkshochschule Zürich

 

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