StartseiteMagazinKulturOper in Gummistiefeln auf Schlauchbooten

Oper in Gummistiefeln auf Schlauchbooten

Ungewöhnlich ist die Inszenierung der Oper «Lieder von Krieg und Liebe» von Claudio Monteverdi im Luzerner Theater. Er hat etliche Madrigale über die Leidenschaft komponiert, die Liebe und Krieg gleichermassen anfacht. Die Protagonisten kämpfen in Gummistiefeln auf Schlauchbooten um ihr Leben.

Der Theaterabend beginnt in der im Sommer 2016 neugebauten «Box» neben dem Luzerner Theater nicht mit einem Vorhang – sondern mit laut knatternden Storen. Rechts vom Publikum öffnet sich die Box, direkt zur Strasse hin. Dahinter: die gleichmütig plätschernde Reuss. Und Touristen aus allen Ecken dieser Welt.

Sie beobachten neugierig das seltsame Treiben: Drei Männer und zwei Frauen, in strengen, schwarz-weissen Anzügen gekleidet, schnappen sich ein Schlauchboot und tragen es hinein in die Box, hinauf auf die Bühne – oder doch hinaus aufs offene Meer? So genau weiss man das nicht, und es spielt auch keine Rolle: Auf wackeligem Boden stehen die Protagonisten dieses Abends ohnehin. Denn es geht um nichts weniger als um die enge Verwandtschaft von Liebe und Krieg. Ihr gemeinsamer Antrieb: die Leidenschaft.

«Lass sie von der Liebe erzählen, von Zankereien und dem ersehnten Frieden, wenn zwei Seelen mit einem einzigen Gedanken vereint sind», singen die Männer und Frauen auf italienisch in diesem engen Boot.

Kinder schleppen weitere Schlauchboote in die Box, nehmen Platz und rudern auf dem vermeintlichen Meer.

Alle sitzen in einem Boot

Ja, sie alle sitzen in einem Boot, gemeinsam einsam. Sie stellen an diesem Abend Menschen und Götter dar, sind alle angetrieben von ihren Leidenschaften, sind stets auf der Suche nach der Liebe – die nicht selten auf den Irrwegen des Krieges abhandengekommen ist. Davon handeln die Madrigale dieses Abends, komponiert von Claudio Monteverdi, dem Wegbereiter der Oper, dem Meister des Theatergesangs, der 1638 in seinen mehrstimmigen Madrigalen die Grenze zwischen reiner Hörkunst und gemischter Szene mit Musik, Theater und Tanz immer weiter ausweitet.

Der Dirigent Howard Arman und der Regisseur Dominique Mentha haben fünf von Claudio Monteverdis Madrigalen zu einer Szenenfolge zusammengeführt. 70 Minuten lang hören wir Lieder über die Liebe und Lieder über den Krieg, denn die Nähe zwischen beiden, die ist den Menschen schon lange bekannt.

Claudio Monteverdi war nicht der erste, der beides in Musik verhandelt hat, aber einer, der Liebe und Krieg programmatisch auf das Titelblatt einer seiner Madrigalsammlungen gesetzt hat: «Madrigali guerrieri et amorosi» heisst der Titel zu seinem 8. Madrigalbuch, und aus dieser Sammlung stammen alle Gesänge und Szenen dieses Luzerner Theaterabends.

Ja, manche Szenen sind bereits bei Monteverdi angelegt: Im «Ballo delle Ingrate» (Der Tanz der Undankbaren) schreibt Monteverdi szenische Anweisungen, wann die Seelen der undankbaren Frauen, die ihre Liebhaber nicht erhört haben, aus der Hölle emporsteigen und zu tanzen beginnen sollen – um dann wieder hinabzusteigen, als Mahnung an alle Frauen, die sich der Liebe zu verweigern scheinen – aus Stolz, aus Ehre, oder aus Eigenliebe.

Und im «Combattimento di Tancredi e Clorinda» beschreibt ein Erzähler singend die Handlung so minutiös, dass man sie auf der Bühne bloss umzusetzen braucht: den Kampf zweier Feinde, die erst nach dem Todesstoss erkennen, dass sie einst ein Liebespaar waren – und dass eine der beiden Männer-Rüstungen den Körper einer Frau verborgen hat.

Filmreife Szenen

Bei den Kampfszenen zwischen den Booten geht es beängstigend zu und her. Diana Schnürpel ist eine der beiden Kämpfenden, Clorinda. Sie trägt Schoner und Polster unter ihrem Kostüm, so intensiv, so echt ist ihr Kampf mit Alexandre Beuchat als Tancredi. Sie ist ausser Atem, erzählt von blauen Flecken, trotz der Schoner. Doch das zeugt von ihrer Leidenschaft, der Leidenschaft fürs Theaterspielen. «Es ist sehr anspruchsvoll, diese lange Kampfszene», sagt sie. «Vor allem, wenn man dabei noch singen muss.»

Für Diana Schnürpel ist die Musik Claudio Monteverdis eine besondere Herausforderung: «Wir singen selten dieses Repertoire», sagt sie, «und es stellt ganz andere Anforderungen an unsere Stimmen. In romantischen Opern wird viel mehr Klang und Melodie von der Stimme verlangt, hier aber muss man die Stimme gerade führen, sehr viel mit dem Text arbeiten – die Stimme wird wie ein Instrument behandelt.»

Doch das mindert nicht die Lust an dieser alten Musik: «Es macht sehr viel Spass, von Anfang an. Musikalisch ist Monteverdi die Quelle der Oper – ich finde es toll, dass wir das machen dürfen», sagt Diana Schnürpel.

Dirigent Howard Arman hat schon viel Erfahrung mit Monteverdi gesammelt und gibt sein Wissen an das Gesangsensemble weiter – und er weiss um die Modernität dieser Musik: «Monteverdi greift in diesen Madrigalen zu musikalischen Mitteln, die es vorher eigentlich noch nie gegeben hat», sagt Howard Arman. «Die verliebte Art zu singen, die gab es bereits – aber nicht die kriegerische. Monteverdi musste dafür einen neuen Terminus erfinden: den «stile concitato»».

Damit meint Howard Arman scharf gezupfte Stellen im Orchester oder Akkorde, die ein dutzend Mal hintereinander angeschlagen werden. «Damals hat man das nicht verstanden: Ein Akkord ist ein Akkord, warum braucht man das dutzend Mal hintereinander?» Der Grund ist die extreme Gefühlslage, die Monteverdi damit zeigen wollte: «Das treibt die Situation auf die Spitze, es erhöht die Aufregung. Und diese Art von Intensität wollen wir auf die ganze Produktion ausbreiten.»

Glorinda/Venus (Diana Schnürpel) liegt nach dem Kampf erschöpft im Boot

Regisseur Dominique Mentha geht es  um Liebe und Krieg, aber nicht nur um die Konfrontation mit dem Kampf, der Flucht auslöst und auch unsere Liebe-Suchenden auf der Bühne stranden lässt. Sondern auch um die abstrakten Situationen, die Monteverdi in seinen Madrigalen erzählt und die sich in der Gegenwart ganz ähnlich wiederfinden.

«Der Krieg ist leider eine Leidenschaft des Menschen», sagt Dominique Mentha, «und diese Madrigale sagen uns viel über diese Leidenschaft. Doch auch die Liebe wird mit derselben Leidenschaft verfolgt – und davon handeln diese Madrigale.»

Eine spezifische Botschaft möchte Dominique Mentha aber nicht ans Publikum richten. Er spricht vielmehr von einer 70-minütigen Meditation, die auf der Bühne das Verhältnis von Krieg und Liebe verhandelt, mit fast 500 Jahre alter Musik – eine Musik, von der Dominique Mentha überzeugt ist: «Diese Musik ist nicht sentimental – sie tröstet uns».

Alle Fotos: Ingo Hoehn/Luzerner Theater

 

Weitere Spieldaten:

19., 20., 27., 31., Oktober

02., 06., 09.. 10., 14., 16., 17., November

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