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Rechtsfreie Räume

Der Rechtsstaat hat seine gefestigten, konsensorientierten Prinzipien und sollte das Recht gesetzeskonform, möglichst uneingeschränkt und ohne politische Scheuklappen verteidigen, wo immer es unterlaufen wird. Leider wird diese Rechtsgleichheit in den letzten Jahren immer häufiger zurechtgebogen und zum eigenen Vorteil missachtet. 

Das lässt sich momentan an der Armutsspirale, welche die Pandemie noch verstärkt hat, sehr gut ablesen. Sie sind zu Tausenden illegal hier, haben ihre Papiere vernichtet oder weigern sich, ihre Herkunft offenzulegen (und werden deshalb ‚Sans-Papiers‘ genannt). Aus berechtigter Angst, ausgewiesen zu werden, wenden sie sich nicht an die Sozialbehörden und bilden dafür in Zürich und Genf Schlangen, um wenigstens vorübergehend an Lebensmittelpakete für das Überleben zu gelangen. Wer würde diese Unterstützung nicht ohne Umschweife bejahen, wenn die Stadt Zürich ihnen nun mit einer Art von ‚Parallel-Sozialhilfe‘ mit zwei Millionen Franken unter die Arme griffe? Die Caritas, das Rote Kreuz und weitere Hilfsorganisationen sollen durchs Hintertürchen mit Bargeld die Not lindern, das hat eben der Zürcher Stadtrat entschieden, weil es dem Staat eigentlich aus rechtlichen Gründen verwehrt ist. Illegalität soll demzufolge im Graubereich mit halbwegs illegalen Mitteln zur Quasi-Legalität verholfen werden.

Was rein humanitär zu begrüssen ist, ist rechtsstaatlich bedenklich und öffnet weiteren Begehrlichkeiten den Weg. Auch die Sexarbeiterinnen aus dem Osten und Südamerika, die ohne Aufenthaltsbewilligung ihre Liebesdienste anbieten, gerieten durch die Pandemie in Existenznöte und machen nun die hohle Hand. Und wer zählt die Tausenden, welche in der Schweiz inkognito als schlecht bezahlte Putzfrauen, Haushalthilfen oder Handlanger ihr karges Brot verdienen und der Ausbeutung in vielen Fällen nicht entgehen können? Ja, sie benötigten Unterstützung, aber bitte transparent und legal.  

Raphael Golta, SP-Sozialvorsteher von Zürich, dazu: «Eine Sauerei. Die Schweizer Städte müssen Armut hinnehmen, weil ihnen das Bundesrecht untersagt, etwas dagegen zu tun.» Es verhindere die Armutsbekämpfung in den Städten, weil aufenthaltsrechtliche Fragen an den Bezug von Sozialhilfe gekoppelt seien. «Um den Betroffenen nachhaltig zu helfen, muss man ihnen Geld geben, damit sie die Möglichkeit haben, ihre Existenz zu sichern.» Der rot-grüne Zürcher Stadtrat ist von der Rechtmässigkeit seines Vorgehens überzeugt. Er will ja für Papierlose auch eine ‹Züri City Card› einführen und damit die geltende Rechtsordnung aushebeln. Man habe ja schon bisher Hilfswerke finanziell unterstützt. Neu sei nur, dass die Bedürftigen auch Bargeld bekämen. Und: Das Geld stamme nicht wie bisher aus städtischen Fonds, sondern aus Steuergeldern. Die Begründung lässt aufhorchen. Aus wessen Kässeli sich Zürich bedient, scheint Golta nicht so wichtig. Dass damit auch falsche Begehrlichkeiten geweckt werden und die illegale Einwanderung damit garantiert nicht eingedämmt wird, zeigt sich überall, wo Honigtöpfe geöffnet werden und nicht an Pflichten gebunden sind. Aber da es die Namenlosen offiziell gar nicht gibt, können sie auch nicht arbeiten (oder höchstens schwarz), was die Abhängigkeit von öffentlichen Geldern nur noch zementiert.

Der Migrationshintergrund und die Arbeit im Niedriglohnsegment, aber auch Alleinerziehende und kinderreiche Familien, die unter dem Existenzminimum darben, begünstigen die Armutsschwelle zusätzlich immer häufiger. Wenn die Arbeitslosenversicherung, die Kurzarbeitsentschädigungen oder staatliche Überbrückungshilfen diesen Betroffenen die Durstrecken z.T. wenigstens kompensieren können, muss die Mittelbeschaffung andere Wege suchen, was menschlich verständlich, rechtsstaatlich aber heikel ist.

Die Flüchtlingsboote, welche zurzeit in grosser Zahl wieder in Lampedusa anlanden und die kleine Insel heillos überfordern, bringen Menschen nach Europa, die früher oder später auch bei uns wieder anklopfen oder als Sans-Papiers untertauchen. In der Stadt Zürich allein sind es schon gut 10’000 und die Dunkelziffer ist gross. ‹Wirtschaftliche Basishilfe› soll als Pilotprojekt für die nächsten 18 Monate bereits in diesem Sommer starten. Wie es weitergeht und ob es eine rechtliche Grundlage dafür geben soll, hange von Bundesbern ab.  

Rechtsfreie Räume werden allerdings nicht nur in diesen Notlagen beansprucht, sondern von immer mehr zwielichtigen Gruppierungen zu ihren eigenen Gunsten ohne erkennbare Gefährdungen ausgelegt. Da gehört die Hausbesetzerszene genauso dazu wie die nach wie vor vermummten Links- und Rechtsautonomen, welche dem Rechtsstaat meist ungestraft eine lange Nase drehen und die Polizei vermöbeln. Demonstrationen sind zum Jekami und zum Action-Adrenalinkick verkommen. Die lauthals proklamierten ‹Rettungsutopien› mit ihren grün-roten, aber auch braunen Mäntelchen sollen das Ritzen der Legalität rechtfertigen. „Die Welt retten, wir haben keine andere!“ ist neben ehrlichen Bezeugungen leider auch zur wohlfeilen Legitimation für jeden Schabernack verkommen. Das Modewort der Verhältnismässigkeit sollte unter rechtsstaatlichen Gesichtspunkten vermehrt hinterfragt werden, damit die Erosion sich nicht weiter Bahn bricht. Diese falsche Fährte müsste eigentlich auch ein linker Stadtrat zum Umdenken bringen.

 Laut Wikipedia gilt als rechtsfreier Raum in den Massenmedien und in der Öffentlichkeit ein zeitlich, räumlich oder thematisch begrenzter Bereich bezeichnet, in dem keine Gesetze wirken, vorhanden sind, beachtet oder durchgesetzt werden. Der Begriff wird häufig von Medien als politisches Schlagwort verwendet.        

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2 Kommentare

  1. Der Umgang mit rechtfreien Räumen ist eine heikle Gratwanderung. Auf der einen Seite mahnt uns die Solidarität, den Bedürftigen zu helfen. Auf der anderen Seite wollen wir aber verhindern, dass unser Rechtsstaat geschwächt wird. Joseph Auchter gibt auf die schwierigen Fragen Antworten mit Augenmass.

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