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„Die neuen alten Frauen“

Zürich Judith Stamm im Café City für das Wocheninterview . 10.05.2010 Bild : Peter Würmli

Ich habe schon immer behauptet, Altwerden sei eine spannende Angelegenheit. Ein kürzlich im Limmat Verlag erschienenes Buch bestätigt meine Meinung auf vielfältige Weise!

Das Buch „Die neuen alten Frauen“ ist schon deswegen lesenswert, weil es ganz auf praktischen Erfahrungen aufbaut. Seit 2010 arbeiteten 38 Frauen, zwischen 62 und 83 Jahre alt, während zwei Jahren  in sechs Arbeitsgruppen zum Thema einer „Neuen Frauen-Alterskultur“. Das Resultat, in neun Kapitel gegliedert, darf sich sehen lassen.

Zugegeben, am Anfang war ich skeptisch. Das Buch ist zwar sehr ansprechend aufgemacht, in Hellblau mit gedämpft roten Buchstaben. Und, das Raffinierte: von einer alten Frau sieht man auf dem Titelblatt nur die Hände, kann aber den Stoff ihres Kleides erkennen: Hellblau, mit gedämpftem und hellerem Rot gemustert. Umwerfend. Eine Familienanekdote erzählt, dass meine Grossmutter vor vielen Jahren gesagt habe: „ Das ist ja für eine alte Frau“, als ihre Tochter, meine Tante, ihr den Stoff für ein neues Kleid, dunkelblau mit feinen weissen Pünktchen, gebracht habe. „Aber Du bist ja eine alte Frau“ soll die Tochter geantwortet haben. Die Grossmutter bekam das Kleid in diesem Stoff, und in der Verwandtschaft erzählte man sich genüsslich ihren Ausspruch! Ziemlich brutal, würde ich aus heutiger Sicht sagen!

Warum war ich dem Buch gegenüber skeptisch? Weil ich mich fragte, wer mir jetzt schon wieder Ratschläge für ein erfülltes, glückliches, gelungenes Alter geben wolle! Bei einer Veranstaltung über Altersfragen schaue ich mir immer zuerst die Referentenliste an. Meist befinden sich darauf nur Personen unter 70 Jahren. Was wollen denn die uns, der Generation Ü-80, bieten? Studien, Zahlen, Statistiken bringen es nicht. Es gilt, auch im Alter, der alte Spruch, dessen Herkunft ich nicht ausfindig machen konnte: „Jeder lebt nach seinem Sinn, keiner kommt und zahlt für ihn“. Übersetzt heisst das, dass jede und jeder selbst alt werden muss, mit dem eigenen Hintergrund und der persönlichen aktuellen Situation.

Das Attraktive am Buch „Die neuen alten Frauen“ besteht darin, dass die einzelnen Autorinnen verschiedene Formen der Darstellung gewählt haben. Da wird unter dem Titel „Vom grauen zum bunten Vogel. Kompetenzen einbringen in die Gesellschaft“ von Usch Vollenwyder, Journalistische Mitarbeiterin bei der „Zeitlupe“ ein Gespräch in Wiederholungen unter drei Frauen aufgezeichnet. Sie erkunden ihre Vergangenheit und werden sich klar, was für Ressourcen sich daraus für die Phase des Altwerdens ergeben.

Oder Marie-Louise Ries, ehemalige Arbeitspsychologin und Laufbahnberaterin, widmet sich dem zentralen Altersthema: „Dazugehören und Freundschaften erleben. Die vielfältigen sozialen Netze älterer Frauen“. Klug unterbricht sie ihren Text immer wieder mit Fragen, welche die Leserin geradezu zu einer „Gewissenserforschung“ anleiten.

Mitten ins Herz aber hat mich der historische Abriss von Heidi Witzig am Anfang des Buches getroffen: „Alleinlebende Frauen im Alter. Ein historischer Blick zurück“. Sie skizziert die Frauensituation im 19. Jahrhundert und weist auf die Einführung der AHV nach dem zweiten Weltkrieg und der obligatorischen Pensionskasse 1984 hin, die aufgrund der Lohnsituation lange Zeit vor allem den Männern zugute kam. Und sie schreibt den Satz: „Das „Fräulein“ in der kleinen Einzimmerwohnung, das sich nach einem vollen Berufsleben mit kleinstem Budget durchs Leben schlug, blieb die Norm“. Unglaublich, welchen Quantensprung meine Generation machen konnte, wenn uns ein günstiges Schicksal ermöglichte, die Bildungsangebote zu nutzen und auch politische Ämter auszuüben. Und was auch immer das Alter an Beschwerden noch bringen mag: Dankbarkeit ist angesagt!

Andere Autorinnen erzählen vom plötzlichen Verlust des Partners, ein ungeheuer einschneidendes Erlebnis. Die Spiritualität im Alter aber auch Diskriminierungserfahrungen finden ihren Platz. Dabei können die Leserinnen immer miterleben, wie die einzelnen Frauen über Wege und Umwege schliesslich zu der für sie passenden Bewältigung der Situation finden. Und am Schluss wird auch noch der „Internet-Kompetenz“ das Wort geredet. Dem Netz fernzubleiben, mag eine wohlbegründete persönliche Entscheidung sein. Aber „wer dem Netz fernbleibt, schliesst sich aus.“ Das darf nicht unterschätzt werden.

Das Buch enthält viel Anregendes und Bedenkenswertes. Und weil es andere alte Frauen sind, die ihre Erfahrungen mit den Leserinnen teilen, kommt das Buch in keiner Weise schulmeisterlich, sondern partnerschaftlich daher!

„Die neuen alten Frauen»,  Das Alter gestalten – Erfahrungen teilen – Sichtbar werden, herausgegeben von Marie-Louise Ries und Kathrin Arioli, Limmat Verlag, Zürich

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