StartseiteMagazinKolumnenBegegnungen mit einem „Spion“

Begegnungen mit einem „Spion“

Auf der Bellevue-Terrasse in Bern, im Gespräch mit Jean Louis Jeanmaire und jetzt in der NZZ

Soeben hatten wir kurz nach 13 Uhr ein Sonntags-Interview für das Schweizer Fernsehen aufgezeichnet, waren abgeschminkt worden, als er mich bat, ihn noch zu begleiten: „Wir gehen doch jetzt zusammen etwas Feines trinken, gehen etwas Feines essen – auf der Bellevue-Terrasse.“ Ich schaute auf die Uhr, wollte eigentlich nach Zürich zurück, hatte noch andere Pläne an diesem Samstagnachmittag. Doch die Verlockung war zu gross, ihn, den bekannten Schriftsteller, den englisch elegant gekleideten Briten, der eigentlich David Cornwell heisst, noch etwas näher kennen zu lernen.

Das Wetter war grossartig, stahlblauer Himmel, freier Blick auf den Gurten. Wir setzen uns an den reservierten Tisch, ganz vorne. Der Mann war hier beim Chef de Service mehr als bekannt, seine Wünsche ebenfalls. Wir sinnierten so vor uns her, als die Flasche Champagner bereits gekühlt, bereits entkorkt, in bereits gekühlte Gläser serviert worden war. Ich war in Gedanken beim Interview, dachte an die vielleicht vergessenen Fragen, an die verpassten Chancen, ihn, John le Carré, den Zuschauerinnen und Zuschauern noch etwas näher gebracht zu haben.

“Hier komme ich wieder her, wenn ich in der Schweiz bin», meinte er etwas versonnen, „hoffe immer wieder auf eines: dass sie erscheint.“ Ich werde aufmerksam: „Wer soll den erscheinen?“ – „Meine erste ganz grosse Liebe. Ich traf sie hier im Bellevue an einem Sonntagnachmittag, bei The Dansant. Ich war unsterblich verliebt. Doch sie kam nie wieder, aber ich habe die Hoffnung nie aufgegeben.“ Wir stossen an. Er erzählt von Bern, wo er als junger Mann Deutsch lernen wollte, bevor er nach Deutschland ging, von seiner Jugend, seinem Vater, wie er als Spion Erfahrungen sammelte, wie er den ersten Bestseller «Der Spion, der aus der Kälte kam» schrieb. Mir wurde plötzlich klar: Das hätten wir aufzeichnen sollen, nicht im sterilen Studio unter dem störenden Licht, das immer alle hemmt.

Später half ich ihm bei den Recherchen zum Fall Jean-Louis Jeanmaire, zu unserem Spion, der 12 Jahre für einen eher kleinen, aus der heutigen Sicht eher läppischen Geheimnisverrat im Gefängnis sass. Ich brachte die beiden nach der Entlassung Jeamaires zusammen. Während meine Frau Züri-Gschnetzeltes zubereitete, das Lieblingsgericht der beiden, interviewten wir Jeanmaire. Le Carré fragte ihn, ob er denn nie Geld von den Russen bekommen habe. Ja, einmal habe ihm Oberst Wassili Denissenko beim Abschied im Wohnungsgang in Lausanne ein Bündel Banknoten in die Hand gedrückt, das Bündel habe er aber sofort mit einer heftigen Bewegung auf den Boden geschmissen. „Und wer hat dann die Noten eingesammelt“, fragte Le Carré den erregten Jeanmaire. Dieser schwieg kurz, blieb die Antwort schuldig…. Erschienen ist John Le Carrés Buch «Der gute Soldat» über Jeanmaire 1991. Ein gekürzter Vorabdruck erschien damals in der renommierten Zeitschrift „The New Yorker“.

Und nun am Wochenende diese Begegung: ein Interview in der NZZ. Le Carré streitbar, wie damals, als er Margaret Hilda Thatcher als die „eiserne, kalte, sture Baroness Thatcher“ charakterisierte, ist auch in diesem Interview nicht um kantige Worte verlegen. Theresa May, die aktuelle britische Premierministerin, bezeichnet er als „die elende Gefangene von Downing Street 10“. Den Brexit hält er für „eine Katastrophe“. Die Allianz Macron-Merkel, die sich jetzt bildet, ist für ihn „ extrem aufregend“. Und es sei eine Tragödie, „dass wir Briten nicht Teil davon sind“. John Le Carré, ein wahrer Europäer, wie eh und je. Und die Schweiz, genauer Gstaad, das er als seine zweite Heimat verehrt.

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