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Blumen und Berge von Anne Loch

Das Bündner Kunstmuseum lädt in die „Künstlichen Paradiese“ einer zu Unrecht vergessenen Malerin ein

Riesige Blumenbilder, hier rosa Blüten einer ungefüllten Pfingstrose mit gelben Staubbeuteln, daneben Schwefelanemonen in Hochgebirgslandschaft und gegenüber eine Berglandschaft in Grün- und Brauntönen, empfangen uns im grossen Ausstellungsraum. Gemalt hat sie Anne Loch (1946 bis 2014). In den 80er Jahren war sie eine aufstrebende Kölner Malerin, wurde von namhaften Galerien gefördert, von Museen ausgestellt und war nach Italienaufenthalten an der Schwelle einer internationalen Erfolgskarriere.

Museumsdirektor Stephan Kunz in den «Künstlichen Paradiesen» von Anne Loch

1988 zog sie sich abrupt zurück – nach Thusis in Mittelbünden, weg vom Kunstbetrieb, nicht aber von der Malerei. Wie schon in Köln und Italien, malte Anne Loch auch in Thusis Berge, Blumen und Tiere. Im verfallenden Hotel Viamala, später in der maroden Krone hatte sie ihr Atelier, aber im Dorf kannte man die schöne Frau kaum vom Sehen, Kontakt suchte sie keinen. Sie malte auch weiter, als sie 2002 wiederum ohne Abschied aus Thusis verschwand und nochmals für elf Jahre ins Rheinland zog. Und sie arbeitete exzessiv weiter, als sie sich 2013 todkrank ins Bergell flüchtete, wo sie ihrem Krebsleiden erlag.

AL 1422, 2010. Acryl auf Leinwand.  140 x 250 cm © Nachlass Anne Loch

Kurz vor dem Tod hat sie der Direktor des Bündner Kunstmuseums, Stephan Kunz, in Promontogno besuchen können. 1997 hatte er im Aargauer Kunsthaus in einer Sammelausstellung über Gebirgswelten ein Bild von ihr präsentiert. Nun kann er mit einer Sensation aufwarten: Eine repräsentative Auswahl ihres langjährigen Schaffens ist bis Mai im Bündner Kunstmuseum ausgestellt. Die meisten Bilder waren noch nie öffentlich zu sehen.

Stephan Kunz wünscht sich, dass die Präsentation die fast vergessene Malerin wieder in den Fokus der Kunstwelt zurückholen kann. Deshalb ist statt eines Katalogs eine umfangreiche Monografie () erschienen, deren Texte und Bildmaterial in Kunst und Leben von Anne Loch einführen.

 

 

 

AL 644, 1996. Acryl auf Leinwand, 180×220 cm. Nachlass Anne Loch

Die meisten ihrer Bilder sind riesige Formate, seien es Alpenastern oder Schafherden. Anne Loch suchte ihre Motive beim Lebendigen, dennoch interessierte sie nicht das Dargestellte, sondern die Malerei. Wer sich in die Serie der vier von elf roten Pfingsrosenblüten vertieft – eigentlich sind es nur Ausschnitte –, sieht, dass es hier weniger um ein Abbild der Realität geht, als um Komposition.

Anne Loch malte meist Serien, wobei es ihr nicht darum ging, am Ende das beste Bild zu finden, jedes gehört in die Serie. Sie arbeitete sehr schnell, malte mit Acrylfarben auf Leinwände, manchmal eine mit dem Pinsel gemalte Zeichnung monochrom auf weiss gespachteltem Hintergrund, oft zeichnete sie mit schwarzen oder blauen Filzschreibern. Während die Blumen eindeutig als Rosen oder Schneeglöckchen zu erkennen sind, lassen sich ihre Berglandschaften nicht lokalisieren und sind dennoch nicht beliebig. Sie hat Berge gemalt, bevor sie sich in Graubünden ansiedelte; wer mag, kann durchaus die Beverinkette oder einen Engadiner Bergzug hineininterpretieren.

Ausstellungsansicht: Hirsche und Bilder aus einer Serie abstrakter Malerei

Ist die Abstraktion schon früh bei ihr angelegt, malt sie in ihrer Spätphase phasenweise ganz abstrakt. So schafft sie 2009 eine Serie mit amorphen Flächen, die aus einzelnen rechtwinklig gesetzten kurzen Strichen mit breitem Pinsel geformt werden und dank Metallfarbe eine eigenartige innere Spannung bekommen. In der gleichen Technik gibt es auch Gegenständliches, beispielsweise zwei Schafe. Dass es ihr nicht um das Motiv, sondern um das Malen ging, zeigt sich auch darin, dass sie ihre Arbeiten nicht mit Titeln versah, sondern fortlaufend numerierte – von eins bis 1400 ungrad.

AL 184, 1986. Acryl auf Nessel, 155 x 280 cm. © Nachlass Anne Loch

In ihrem Nachlass liegen Tausende Schwarzweissfotos von ihren Wanderungen oder aus der nahen Natur des Gartens. Sie dienten als Gedankenstütze und Vorlagen für im Atelier entstandene Kompositionen fern von der realen Natur. Ihre Bilder berühren, lösen Emotionen aus, Gefühle, die der Malerin bei ihrer Arbeit wohl nicht fremd waren. Heftig beispielsweise die sich paarenden Hirsche, obwohl die beiden Tiere wie durch Nebel grau in grau im Weissen stehen. Rätselhaft bleibt die einzige menschliche Figur, die der Kurator für seine Übersichtsschau ausgewählt hat: Mit blauem breitem Filzschreiber gezeichnet, bewegt sich eine Frau in der Werktagstracht weg vom Beschauer, rechts fällt ein schmaler, zweiteiliger Gegenstand zu Boden: ein Messer?

Diese abgewandte Frau könnte für die Distanznahme stehen, die sich durch das Leben und das eigenständige und doch in der Zeit verankerte Werk von Anne Loch zieht. Denn selbst die vertrauten Motive, vertraut aus der Tourismuswerbung oder der Kalenderfotografie scheinen bei ihr gebrochen auf und werden überwältigende Malerei.

Bis 7. Mai
Teaserbild: AL 200, 1987. Acryl auf Nessel. 120×160 cm. Privatbesitz Basel
Ausstellungsfotos: E. Caflisch

Detailinformationen finden Sie hier.
Zur Ausstellung ist eine Publikation, hg. vom Bündner Kunstmuseum im Verlag Scheidegger&Spiess erschienen.

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