StartseiteMagazinKulturPaul Strand – Fotograf der realen Welt

Paul Strand – Fotograf der realen Welt

Im Fotomuseum Winterthur wird die umfassende Werkschau eines der wichtigsten Fotografen des 20. Jahrhunderts gezeigt

Bereits in jungen Jahren weiss Paul Strand (1890-1976), dass er mit einer Kamera durchs Leben gehen wird, mit 18 Jahren tritt der New Yorker mit böhmisch-jüdischen Wurzeln dem Camera Club of New York bei und beginnt in dessen Dunkelkammer zu experimentieren. Nach einer Europareise im Frühling 1911 verkauft er in den USA handkolorierte Fotos von Colleges und Studentenhäusern; damit beginnt seine Karriere als Berufsfotograf. Paul Strand hat – gemeinsam mit Alfred Stieglitz und Edward Weston – die Fotografie als Kunst etabliert und ausserdem 1920 den ersten Künstlerfilm realisiert. Der Kurzfilm Manhatta, gemeinsam mit dem Maler Charles Sheeler gedreht, verbindet bewegte Bilder von New York City mit Zeilen aus Walt Whitmans Gedichtband Leaves of Grass. Mit Filmen, ab 1922 mit der 35mm Akeley-Filmkamera finanziert sich Strand in der Folge seine Existenz, ohne aufs Fotografieren je zu verzichten.

White Fence, Port Kent, New York1916
Silbergelatine-Abzug.
© Estate of Paul Strand

Die erste grosse Retrospektive in Europa, welche das Fotomuseum zur Zeit präsentiert, ist dank einer Neuerwerbung von rund 3000 Abzügen durch das Philadelphia Museum of Art zustande gekommen. Damit gelingt es, Strands Werdegang von ersten Versuchen, die Abstraktion, den Kubismus aus der bildendenKunst zu Beginn des 20. Jahrhunderts auch mit dem Medium Fotografie zu erforschen, über seine Suche nach der realen Welt bis zu den letzten Blumenstilleben aus seinem Garten in Orgeval bei Paris, wo er die letzten 26 Jahre gelebt hat, nachzuvollziehen: fast 60 Jahre Fotografien, Filme und Fotobücher von einem, der die moderne Fotografie als Gigant seiner Berufsgattung prägte.

Wall Street, New York1915. Platinabzug. Philadelphia Museum of Art, The Paul Strand Retrospective Collection © Estate of Paul Strand

Nach seinen frühen Experimenten mit der Abstraktion folgt eine Periode mit der Grossformatkamera, die gestochen scharfe Bilder liefert und ihm ermöglicht, Gegenstände, auch Pflanzen in unglaublicher Präzision wiederzugeben. Neben Landschaften und städtischen Szenerien, darunter dem „Fortschritt“ beim Truckman’s House, zieht es den Fotografen immer wieder zum Menschen, zum Porträt.

Porträt Washington Square Park New York. 1916. Aus: Camera Work

Beeindruckend die frühe Serie von Strassenporträts aus New York, aber auch die Bilder seiner ersten Frau Rebecca Salsbury. Bei seinem Aufenthalt in Mexico Anfang der Dreissiger Jahre fotografiert er ebenfalls oft Menschen, die ihm zufällig begegnen. Nach 1950 entdeckt er das Medium Fotobuch, unter anderem gibt es eins mit Bildern aus Luzzara (Il Paese), einem kommunistischen Dorf in der Poebene, wo sein Interesse am hart arbeitenden Volk besonders deutlich wird. Strand selber erwähnt die Mitarbeit seiner Frau Hazel Kingsbury und sagt: „Am liebsten fotografieren wir Menschen, in deren Gesichtern sich Stärke und Würde ausdrücken; was immer sie erlebt haben, sie liessen sich davon nicht unterkriegen. Sie haben immer noch ihre ganz eigene Menschlichkeit.“

 

 

The Family, Luzzara 1953. SilbergelatineAbzug.Philadelphia Museum of Art, The Paul Strand Collection © Estate of Paul Strand

Strand war eine Persönlichkeit, die recht unterschiedliche Eigenschaften vereinte, ein zielgerichteter bis sturer Künstler und ein unerbittlicher Ästhet, ein überzeugter Demokrat und zugleich als Mitglied der Labour Party ein aufrichtiger Kommunist. Aufgrund seiner politischen Haltung hatte man ihm sogar vier Jahre lang den Pass weggenommen, er war ein Antikapitalist und Patriot, der in den USA der McCarthy-Ära unerwünscht war und daher emigrieren musste. Nach Fotobuch-Projekten in Frankreich (1952), Italien (1955), Ägypten und weiteren, gelang ihm eine ausgedehnte Expedition durch Ghana.

Anna Attinga Frafra, Accra, Ghana, 1964
SilbergelatineAbzug.
Philadelphia Museum of Art, The Paul Strand Collection
© Estate of Paul Strand

Ziel war es, den Aufbau eines sozialistischen Staats in Afrika zu zeigen, der soeben das Joch des Kolonialismus abgeschüttelt hatte. Der erste Präsident Kwame Nkrumah und dessen Regierung ermöglichten Paul Strand ausgedehnte Reisen in alle Landesteile. 1976, in seinem Todesjahr, erscheint das Buch Ghana. An African Portrait. Die politischen Ereignisse hatten sein positiv gezeichnetes Bild eines aufstrebenden afrikanischen Staats längst überholt, Nkrumah hatte sich schon 1964, ein Jahr nach Strands Fotosafari, zum Diktator ausgerufen und war 1966 gestürzt worden.

Der Versuch, ein Fotobuch über ein Ostblockland zu machen, scheitert in doppelter Hinsicht. Zunächst an den Behörden, die ihm ein Skript aufdrängen wollen (1960), später, weil das Ehepaar Strand keinen Autor fürs Buch findet (1967). Mit den Gartenfotos aus Orgeval schliesst sich der Kreis: seit den Anfängen beschäftigte sich Paul Strand immer wieder mit meditativen Naturstudien.

Bis 17. Mai 2015
Kunstmuseum Winterthur
Zur Ausstellung ist eine reich bebilderte englische Publikation erschienen: Paul Strand.Master of Modern Photography, herausgegeben vom Philadelphia Museum of Art und der Yale University Press in Zusammenarbeit mit der Fundación MAPFRE , 372 Seiten, 69 Franken, zu der eine deutsche Textübersetzung erhältlich ist.

Teaserfoto: Der junge Paul Strand. 1919 Foto: Alfred Stieglitz (bearbeitet)

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