StartseiteMagazinKulturSchwierige Wege mit grosser Schuld

Schwierige Wege mit grosser Schuld

John Knittels dramatischer Roman «Via Mala» auf der Bühne des Berner Theaters an der Effingerstrasse.

Im Jahr 1934 erscheint der zweite Roman des 1891 in Indien geborenen und 1970 in Maienfeld (Graubünden) verstorbenen Erfolgsautors. Dass «Via Mala» jahrzehntelang in fast allen Bücherregalen der Schweiz mit zerlesenen Seiten zu finden war, hat seinem Renommee nicht ernsthaft geschadet, obschon heutige Literaturliebhaber manchmal auch Vorbehalte anbringen. Knittels dicht gewobene und episch breit angelegte Geschichte um Leiden, Verzweiflungstat und Schuld eignet sich des dramatischen Gehalts wegen gut für die Bühne. Sie ist seit 1944 auch mit rund zwanzig Jahren Abstand dreimal verfilmt worden.

Vorab verfolgt man auf der Bühne einen Bericht darüber, wie drei Geschwister mit ihrer drückenden Schuld – nein, nicht fertig werden, sondern leben müssen. Der älteste Sohn hat mit Hilfe des Taglöhners den Vater umgebracht und die Leiche versteckt, die Schwester Hanna fühlt sich mitschuldig und mitbeteiligt, die Schwester Sylvia, zur Zeit der Tat fern der Heimat, fühlt sich solidarisch. Weil sie den Vatermord als Akt der Flucht in eine Freiheit erfahren, die sie weder als Kinder noch als junge Erwachsene erleben durften; als Erlösung von Misshandlung, Unterdrückung und Despotie, versuchen sie in gezinkter vordergründiger Fröhlichkeit mit der Schuld zu leben. Ihre Schuld gewissermassen wie den fürchterlichen, dämonischen Vater vergraben, vergessen und verscharrt zu lassen.

Von links: Fabian Schiffkorn, Nicola Trub, Sascia Ronzoni, Vera Lippisch, Fabian Guggisberg

Es ist das Bühnenbild von Peter Aeschbacher, das als Hintergrund des Spielraums Schneeberge, Schnee und Eis grell leuchten lässt und im Vordergrund Schlittengefährt und eingeschneiten Zaun in unwirkliche Konturen stellt. Damit scheint beides, Leiche und Schuld, wie im Permafrost eingefroren, ohne Chance, jemals wieder aufzutauen – aufzutauchen. Der Spielraum als Umgebung, die Geschwister (Nicola Trub als Hanna, Sascia Ronzoni als Sylvia, Fabian Guggisberg als Niklaus) mit ihrem doppelsinnigen Theaterspiel; der vorerst noch fremde Andreas von Richenau, Sylvias späterer Ehemann (Fabian Schiffkorn), sie alle rufen damit unwillkürlich einer Atmosphäre der Kälte, der unehrlichen Verkrampfung. Sie strahlt etwas Unwirkliches und leise Unverständliches aus: Kann es so etwas denn wirklich hier unter uns geben! Dem Regisseur Alexander Kratzer gelingt es vortrefflich, diese unverwechselbare Stimmung mit seinen Schauspielern hervorzuzaubern.

Sascia Ronzoni und Fabian Schiffkorn

Es gehören auch die Kontrastfiguren dazu. Am stärksten die Mutter, die nicht aushält, was vorerst ihr Mann durch sein Verhalten und dann ihre Kinder durch ihre Tat aus ihr gemacht haben. Sie flieht in eine mitleidheischende Bigotterie (Vera Lippisch).

Andererseits sind es die Vertreter des Gesetzes, Dr. Gutknecht (von Horst Krebs so überlegen wie jovial präsentiert) und Andreas von Richenau, wahrheitsgierig und letztlich über einen Schatten springend, welcher ebenfalls Elemente von Schuldhaftigkeit, gemildert und spannungsvoll kontrastierend, enthält. Ausgleichend und sozusagen vorwiegend sachlich statt emotional argumentierend trägt Sylvias Schwiegermutter, Frau von Richenau (Johanna Mertinz), zu einer menschlichen Lösung bei, die trotz allem manches auch offenlässt.

Denn das Verhältnis der beiden Liebenden, des wahrheitsfindenden Untersuchungsrichters und der unschuldig mitschuldigen Sylvia, steht verständlicherweise unter schwerwiegenden, wiederum eher nüchtern und sachlich, als emotional ausgetragenen Belastungen.

Das Spiel lässt nachdenklich zurück. Was wird die Zukunft bringen? Gibt es in dieser vertrackten Situation eine echte Lösung? Gar eine Versöhnung? Weicht das Leben in der Kälte der Schuld und der nicht nur gewollten Solidarität eines Tages wieder der Wärme von Liebe und vollem Vertrauen. – Gute Fragen, die diese differenzierte Inszenierung stellt.

Fabian Guggisberg, Sascia Ronzoni, Nicola Trub

Alle Bilder: Severin Nowacki. Aufführungen bis 20. Oktober.

Informationen: DAS THEATER an der Effingerstrasse

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