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So steck den Ring an den Finger

Wie Goethes Ring für Minchen Herzlieb dem Dichter Herzleid bescherte und den Weg ins Schweizer Landesmuseum fand.

Glaube – Liebe – Hoffnung in Stein geschnitten stecken in dem Kleinod, mit dem der Dichterfürst Johann Wolfgang von Goethe in seinen besten Jahren die blutjunge Wilhelmine „Minchen“ Herzlieb bezirzen wollte, aber die Beschenkte wies den älteren Herrn schnöde ab und verschenkte den Ring aus Rotgold mit dem schwarzen, dem roten und dem grünen Stein einer Freundin. Über eine Auktion kam er zur Alice und Louis Koch-Stiftung und von da als Leihgabe ins Landesmuseum. Nun ist er eins der kleinsten und spektatkulärsten Objekte in der Ausstellung Schmuck. Material Handwerk Kunst des Landesmuseums.

Persönliche Geschenke waren Medaillons mit Bildern, Miniaturmalereien, Emaillen, später auch Fotos, so trug man die Geliebten oder die Kinder nah am Herzen

Geschmückt haben sich Menschen schon in der Frühzeit: 82‘000 Jahre alt seien archäologische Funde von Muscheln, die als Schmuck verwendet worden seien, sagt Museumsdirektor Andreas Spillmann. Schmuck ist ein uraltes Kulturgut, und bis heute sind die Materialien mehr oder minder die gleichen (abgesehen von neuen Kunststoffen), während die Form sich der Zeit und der Mode anpasst.

Meret Oppenheim(Entwurf) und Cleto Munari (Ausführung), Halskette «Husch-Husch», Entwurf 1934, Ausführung 1985, 9er-Edition, Gold, Jade, Lapislazuli, Achat.
Didier Ltd., London © 2017, ProLitteris, Zürich 

Muscheln und Knochen, Metalle aller Art, Edelsteine, Harze, Koralle, Horn, Textil oder Glas sind die Stoffe, aus denen Schmuck gemacht wird. Archäologische und zeitgenössische Schmuckstücke werden in raffiniert verspiegelten Vitrinen zusammen mit den Ausgangsmaterialien präsentiert. Verblüffend, wie man sich täuschen kann: was nach modernen Silberarmreifen ausschaut, sind archäologische Funde aus Giubiasco. Da Schmuck auf Mann oder Frau getragen wird, halten sich die Formen naturgemäss in Grenzen.

Silberschmuck für Arm und Finger – nicht aus dem 20. Jahrhundert, sondern aus archäologischen Grabungsstätten bei Giubiasco

Durch den Schmuck definiert sich die Trägerin oder der Träger als zugehörig zu einer Gruppe, zugleich kann Schmuck abgrenzen. Ein Schmuckstück kann Statussymbol sein, einen ästhetischen Wert darstellen und Liebe oder Trauer symbolisieren. Das zeigt der zweite Ausstellungsbereich, wo Goethes Ring in einem Glashaus mit Hochzeitskleid aus dem 18. Jahrhundert zu sehen ist. Ringe, Colliers, Medaillons und weitere Kleinode können wie bei jeder Vitrine dank eines Tablets im Detail studiert werden, besucherfreundliche Museumstechnik erspart das Lesen unübersichtlicher Schrifttäfelchen und bietet umfassende Informationen über jedes einzelne Objekt.

Memento mori: Goldring mit Diamant und Email zu tragen in der Trauerzeit, 1650 bis 1700. Schweizerisches Nationalmuseum

Neben der Liebes-Vitrine ist eine der Trauer gewidmet – hier dominieren schwarzer Jett (Gagat), und Silber, eine weitere zeigt ein Nonnenkleid als Zentrum für religiöse Schmuckstücke wie Rosenkränze und Kruzifixe. Gleich daneben macht sich der Punk breit: Rund um das mit Grobschmuck dekorierte Originalkostüm eines Mitglieds der Londoner Band 999 gibt es Sicherheitsnadeln, Schlösser oder Ketten und eine Auswahl aus der Pin-Sammlung des Museums. Wie zu erwarten ist, beschränkt sich Schmuck bei zeitgenössischen Anzugsmännern auf Abzeichen beispielsweise von Zünften, Uhren, Manschettenknöpfen und Ringen. Da bietet Trachtenschmuck eine zwar genau definierte, aber nicht weniger üppige Vielfalt an Kunsthandwerk. Miederhaften, Göllerketten, Halsbänder mit Korallen und Haarschmuck waren meist aus Silber. Dass nicht nur die Berner Sonntagstracht ein im Wortsinn schwerwiegendes Kostüm war, sondern auch die Appenzeller Festtagstracht, zeigt die Puppe mit der zweiflügeligen Haube.

Halsnuster 1800–1830, Appenzell Innerrhoden, Silber, vergoldet, Korallen, Gagat.
Schweizerisches Nationalmuseum

In einem dritten Bereich widmet sich die Ausstellung der Moderne: Der Jugendstil brachte den Bruch mit der Tradition – Schmuck referiert nun die Bildende Kunst. Als wegweisend gilt René Lalique, der edle mit unedlen Materialien kombiniert. Auch in Genf beeinflussen Art nouveau und Art déco mit geometrischen Formen die Schmuckproduktion, das Bauhaus ist Impulsgeber. Wer Schmuck entwirft, darunter viele Frauen, ist auch Mitglied im Werkbund, wer bildender Künstler ist, macht auch Schmuckstücke. So ist ein Ring von Max Bill ausgestellt. Berühmt ist Hans Stofer mit seinem klobigen Ring mit dem Steinkohlestück und dem Titel Potential Diamond, oder Bernhard Schobinger, der gern wertvolle Materialien mit Objets trouvés kombiniert.

Josef Hoffmann, Anhänger, 1907, Manufaktur: Wiener Werkstätte, aus unterschiedlichen Steinen und Silber. Foto: © MAK/Katrin Wisskirchen

Ein Schobinger-Schmuckstück findet sich auch in der Sammlung von Architektin Tilla Theus, welche nun, da ihr gesamter Schmuck in einer Vitrine präsentiert wird – etwas ratlos sei. Die Sammlung im Theus-Glashaus ist zwar umfangreicher als manche „gewöhnliche“ Schmuckschatulle, aber typisch für eine Frau ihrer Generation: Da gibt es vom wertvollen Erbschmuck bis zum witzig-originellen Blecharmband einer kreativen Designerin über ethnische Ketten alle möglichen Dinge, die sich zur Vollendung eines Outfits eignen.

Diesen Ring aus Onyx und Gold schuf Max Bill um 1935/36. max, binia + jakob bill stiftung
© 2017, ProLitteris, Zürich

Die neuesten Kreationen sind nicht selten aus Alltags- oder Abfallmaterial hergestellt, beispielsweise ein Perlencollier aus mühsam geknüllten Cellophankügelchen, ein Halsschmuck aus Hasenzähnen, Colliers aus Kuhhorn-Stücken oder Papier. Witzig auch die Schatulle mit den Fingerlingen, kleine Skulpturen für besondere Gelegenheiten, inspiriert vielleicht von den Strick-Fingerpüppchen. Nur eins ist der Verantwortlichen für die Schmucksammlung und Ausstellungskuratorin Joya Indermühle entscheidendes Kriterium: tragbar muss das Stück sein. Daher gibt es beispielsweise die Kaffeerahmdeckeli-Halskrause im Lichtbild an einem Fotomodell: sieht doch wirklich ganz schick aus!

Wegwerfmaterial wird zu originellem Halsschmuck

Die grosszügig erweiterte Schmuck-Kollektion in der Museumsboutique erfüllt all denen, die nach dem Gang durch die informative und szenografisch erfreuliche Schau etwas eigenes haben wollen, fast jeden Wunsch. Dank der geflügelten Pet-Ringe von Margrit Linder fängt die Preisskala beim einstelligen Betrag an.

Teaserbild: Goethes Ring für Minchen Herzlieb. Ausschnitt aus dem Ausstellungsplakat.
Fotos: E. Caflisch
19. Mai bis 22. Oktober 2017

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