StartseiteMagazinKulturVery British: Dreimal Kunst aus Britannien

Very British: Dreimal Kunst aus Britannien

Das Haus Konstruktiv zeigt erstmals in der Schweiz eine Pionierin des frühen Konstruktivismus, dazu zwei britische Gegenwartskünstler

Mit der Präsentation von drei britischen Künstlern ist dem Museum Haus Konstruktiv beinah die Quadratur des Kreises gelungen: die drei sind hochkarätig, hierzulande praktisch unbekannt und passen perfekt ins Konzept eines Museums, das sich der konstruktiven und konkreten Kunst verpflichtet.

«White, Blue, Yellow and Black,» 1948, Privatsammlung. Foto: Galerie von Bartha, Basel, und die Künstlerin Marlow Moss,1938 fotografiert von Stephen Storm, Privatsammlung

Marlow Moss (1889-1958) war eine Frau in Männerkleidung, die zur Avantgarde der Konstruktivisten gehört. In der Nachfolge von Piet Mondrian, begann sie zu arbeiten, während er berühmt wurde, hat man sie vergessen. Einst hiess sie Marjorie und besuchte Kunstschulen, wo sie figurativ malen lernte. Aber sie wollte nicht nach der Natur malen, brach mit Familie und Tradition und ging nach Paris. Dort studierte sie unter anderen bei Fernand Léger und lernte Piet Mondrian kennen, mit dem sie lebenslang eine Brieffreundschaft aufrecht erhielt.

Als Jüdin und Lesbe floh sie im letzten Moment vor den Nationalsozialisten aus der Normandie nach England; was in ihrem französischen Atelier lag, wurde durch Bomben zerstört. In den 50er Jahren arbeitete sie weiter: Skizzen, Malerei, Skulpturen, von denen die meisten nur noch auf Fotos existieren. Aber immerhin drei Metallskulpturen sind nach Zürich gekommen.

Museumsdirektorin Sabine Schaschl wünscht sich zusammen mit Lucy Howarth, die ihre Dissertation über Marlow Moss schrieb, der Avantgardistin den verdienten Platz in der Mänerdomäne Konstruktivismus zu verschaffen. Eine während der Ausstellung erscheinende Monographie soll die kunsthistorische Rezeption anregen.

Andrew Bick: Variant t-s (shifted double echo), 2013 – 2014 Collection Museum Haus Konstruktiv Photo: Stefan Altenburger

Eine der seltenen Marlow-Moss-Ausstellungen der vergangenen Jahrzehnte kuratierte Andrew Bick (*1963). Er war es, der Sabine Schaschl bei einem Londonaufenthalt erstmals auf die Aussenseiterin hingewiesen hat. Als in der Tradition der Konstruktivisten arbeitender Gegenwartskünstler ist auch er in Zürich präsent. Seine Serie von kleinen Rasterzeichnungen zeigen die Strukturen der Malereien und Reliefs in vereinfachter Form. Die Bilder sind komplex, aus mehreren Schichten aufgebaut, mit freien Formen und verschiedenen Materialien, Spiegelungen und halbtransparenten Oberflächen, welche wiederum Linien, Netze, Gitter aufweisen. In einem separaten Raum hat Bick unter dem von ihm gewählten Ausstellungstitel original/ghost/variet/shifted/double/echo eine Inszenierung seiner jüngsten Werke organisiert. Die Begriffe kommen in seinen Bildtiteln vor – ghost beispielsweise ist einerseits Beschreibung, andererseits Referenz an die grossen Geister des Konstruktivismus und letztlich an die konkrete Poesie. Somit ist die Kunstgeschichte in seinem Schaffen gegenwärtig.

Der dritte Brite ist kein Engländer, sondern ein Walise und dem japanischen Nō-Theater verfallen. Cerith Wyn Evans (*1958) – schon als Erscheinung ein Statement – betritt als schwarz gewandeter Zauberer die Szene, im Wollmantel mit nachlässig abgeschnittenem Saum, darunter einen schwarzen Seidenkimono und ein zu knappes weisses Hemd. Auskunftsfreudig, wenn nicht gar beseelt, den Zuhörenden seine Liebe zum japanischen Nō-Theater näher zu bringen, erzählt er, wie sehr diese fernöstlichen Dramen mit den stereotypen Figuren, den präzisen Regeln und den tragischen Geschichten in seine Arbeiten einfliessen.

In der filigranen Leuchtskulptur stecken die formalisierten Bewegungen des No-Theaters aber auch die Strukturformel von LSD, wie aus den Erklärungen von Cerith Wyn Evans hervorgeht. Foto: Eva Caflisch

Für die Eingangshalle hat Evans eine neue, an unzähligen feinen Fäden von der Decke hängende Leuchtskulptur gebaut. Ihre vielfältigen Geraden, Bögen und Kreise aus Neonröhrchen verschlingen sich ineinander oder werfen sich scheinbar in erstarrter Bewegung nach Aussen wie der Kimono eines japanischen Nō-Darstellers. Die Leuchtskulptur umfasst alle Schrittfolgen und Gangarten des Kata, der Bewegungsregeln dieses alten japanischen Dramas. Begleitet wird die filigrane Leucht-Figur von einer ebenso feinen Klangskulptur: Neunzehn radial angeordnete gläserne Flöten erzeugen, durch feine Schläuche mit Luft versorgt, leise, angenehme wie auch laute, schmerzhafte Klänge, die ihnen der Zufall als Impuls aus dem Speichermedium überträgt.

Cerith Wyn Evans mitten in seiner für die Ausstellung geschaffene «Mondnacht». Foto: Eva Caflisch 

Eine dritte, mit ihrem hintergründigen Humor besonders reizvolle Arbeit evoziert im Betrachter künstliche Naturbilder – Reisebüro-Dekorationen oder auch laue Nächte unter südlichem Mond tauchen auf: Zwei banale Büro-Palmen im Topf drehen sich auf Plattentellern. Dazwischen hängt eine tropische Pflanzenskulptur wie im Palmengarten. Zwei Spots werfen einen scharfen hellen Kreis und diffuseres Licht an die Wand, an der sich die Schatten der Palmwedel bewegen. Die absurde Szene ist mit Klängen unterlegt und verweist – wie die anderen Arbeiten – darauf, dass Evans vom Filmhandwerk her kommt: Im voraus bis ins letzte Detail geplante Bildwelten, die am Ende nicht starr bleiben, sondern trotz präzisester Steuerung leben. Auch im Nō-Theater, wo jede Geste, jedes Setting seit Jahrhunderten vordefiniert ist, spielen Menschen. Evans wird schon im März wieder nach Japan in seine Theaterwelt reisen.

Teaserbild: Marlow Moss: Composition White, Yellow, Blue and Black with Black Lines, 1956-57. Privatsammlung Niederlande

bis 7. Mai 2017

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