StartseiteMagazinKulturYasmina Reza: "Kunst"

Yasmina Reza: «Kunst»

Disput im Effingertheater Bern: Ist Kunst, was man darunter verstehen will? Oder was man dafür bezahlt hat?

Sie hat heute, während das geschrieben wird, Geburtstag. Am 1. Mai 1959 wurde Yasmina Reza in Paris geboren. Einen bemerkenswerten literarischen Weg hat sie schon zurückgelegt, und viele sind ihr als Leserinnen und Leser ihrer Bücher oder als Publikum im Theater auf diesem Weg gefolgt, zu Recht, wie man zur Zeit auch wieder im Berner Theater an der Effingerstrasse miterleben darf.

Anders als der Titel vermuten liesse, geht es dabei um mehr als allein um Kunst. Das Zitat eines sybillinischen Psychologen, Philosophen oder Therapeuten, das Yvan seinen beiden Freunden vorliest, lässt so tiefgründig blicken, dass es, wie die ganze Auseinandersetzung überhaupt, schon gar nicht mehr tiefsinnig wirkt. (Um den Spruch behalten und anbringen zu können, hat er ihn aufgeschrieben; wetten wir, dass nicht manche Person aus dem Publikum den Wortlaut genau wiedergeben könnte?)

Das Witzige an diesen dramatischen Dialogen zu zweit, zu dritt, die Alexander Kratzer mit so viel Tempo und szenischer Vielfalt auf die Bühne bringt, besteht im Bogen, der sich vom Weiss des Kunstwerks über Befindlichkeiten und lang verschwiegene Animositäten bis zu tragisch empfundenen Beleidigungen wölbt und, so könnte man es sogar ausdrücken, bis zur eigentlich nicht wirklich so gemeinten Heftigkeit, mit welcher sich enge Freunde gegenseitig heruntermachen. Auch wenn sie dabei mit sarkastisch vorgetäuschter Gleichgültigkeit in Kauf nehmen, dass die Freundschaft zu Bruch gehen kann.

Zwei von den Drei sehen da ganz klar; der Dritte ist nicht gerade stark an Kenntnissen und mit Formulierungskunst, um mehr zum Disput beizutragen als, zugegeben, wirkungsvolle Beschwichtigungs- und Ausgleichversuche. Stefano Wenk als Yvan ist bestens in Stimmung dazu. Da ist einmal seine überragende Sprechfertigkeit, mit welcher er sogar ein hinreissendes Solo hinlegt (atmet er dabei überhaupt einmal?), welches den Applaus auf offener Szene mehr als nur verdient. Während seiner Disput-Beiträge wirkt er wie Zappelphilipp. Er hantiert mit seinen Schuhen, er spielt mit szenischen Turnübungen um das Sofa im weiss-in-grauen Bühnenbild von Peter Aeschbacher. (Bild fv)

Von wegen Witz: Natürlich ist es den Drei nichts anderes als voll Ernst! Je länger sie sich nur um das Bild unterhalten, umso stärker fühlt man sich noch zur Parteinahme hingerissen. Ist es jetzt vor lauter Banalität nur skandalös, dieses Weiss auf weissem Grund, mit weissen Diagonal- und Querlinien? Ist es eine Leichtsinnigkeit sondergleichen, für so etwas 200’000 Francs zu bezahlen, wenn man zwar wohlhabend, aber nicht gerade Milliardär ist? Und weshalb überhaupt wird so etwas von einem berühmten Maler hergestellt und als Kunst in die Welt gesetzt? Das ist ja eine Anmassung sondergleichen! So jedenfalls äussert sich zynisch und unversöhnlich der selbstverliebte Schwadronierer Marc. Gilles Tschudi gibt ihm den überzeugten Pragmatiker ohne gefühlsmässige oder einfühlsame Interpretationsfähigkeit. Verletzlich, wie er an sich zwar ist, kontert er mit verbalen Rundum- und Rückhandschlägen die ihm zugefügten Verletzungen und scheut sich auch nicht vor handfester Prügelei. Bleibt Serge, der Feinsinnige, der auch dem Unsichtbaren und, im übertragenem Sinne, dem Unwägbaren eine Chance gibt. Ist er begeistert von seinem Kunstwerk, weil er so viel dafür bezahlt hat? Oder hat er so viel bezahlt, weil ihn das Weiss auf Weiss mit kaum erkennbaren Strukturen tatsächlich angerührt, ja fasziniert hat? Helge Herwerth gelingen im verbalen Streit mit seinem Gegenspieler und seinem Mitspieler differenzierte Zwischentöne.

Die drei Schauspieler vereinigen sich zu Dialogen voller Dynamik, Rhythmus, Heftigkeit und wiederum auch aussagestarkes Zurücknehmen. Immer wieder erinnert so etwas an Musik; es heulen die Trompeten und Posaunen es knattern die Pauken, Hämmer und Trommeln, und leise folgen verhaltene, intime Pianissimo…

Gilles Tschudi als Marc, Stefano Wenk als Yvan, Helge Herwerth als Serge (von links)

Kunst allein ist es nicht, worum es geht

Der Reichtum dieses wort- und gestenreichen Kammerspiels liegt nicht daran, dass einmal mehr über Definition, Wirkung und Bedeutung von Kunst gestritten würde. Schon rasch steigt hinter dem vordergründigen Anliegen die ambivalente Situation, später die eindeutige innere Verletzlichkeit in jeder der drei Persönlichkeiten auf. Einsamkeit, Zurückstellung, häuslich-familiäre Schwierigkeiten, und noch manch andere Zwischentöne der Identität treten hervor, machen sich breit. So versteht sich wiederum auch, was Kunst auslösen kann, sei sie als Kunst nun, was und wie sie wolle. Über den beinahe ausweglos trennenden Streit hinweg ist sie auch in der Lage, die Beziehung der Freunde wieder ins Lot zu bringen.

Der Autorin fällt zu diesem Zweck ein Kunstgriff ein, der zwar recht verblüfft, jedoch zum Schmunzeln anregt.

Bilder: © Severin Nowacki (Ausnahme erwähnt)

Weitere Aufführungen bis 28. Mai

DAS Theater an der Efingerstrasse – Kunst

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