StartseiteMagazinKulturZu Besuch in der Zürcher Tonhalle

Zu Besuch in der Zürcher Tonhalle

Soll die Tonhalle und das Kongresshaus Zürich für 240 Mio. saniert werden? Eine Schicksalsfrage, über die am 5. Juni abgestimmt wird.

Ich konnte mit Ilona Schmiel, Intendantin der Tonhalle, und mit Martin Vollenwyder, Präsident der Tonhalle-Gesellschaft, ein Gespräch über die Bedeutung Zürichs als Kultur- und Kongressstadt und die Dringlichkeit einer umfassenden Renovation führen und was am 5. Juni auf dem Spiel steht.

Joseph Auchter: Frau Schmiel, das Tonhalleorchester reitet nach fast 20 Jahren David Zinman und nun in der 2. Saison unter Lionel Bringuier auf einer Erfolgswelle und hat an internationalem Profil stark zugelegt. Nun steht das Orchester während der Sanierung ihrer Heimstätte vor einer grossen Herausforderung. Wo sehen Sie Chancen und Risiken, die dreijährige Durststrecke erfolgreich durchzustehen?

Ilona Schmiel: Für die Musikerinnen und Musiker wird der Umzug eine Umstellung hinsichtlich der Akustik im Saal sein. Ebenso wird es Herausforderungen für den gesamten Probenbetrieb geben, da wir keine weiteren Flächen – ausserhalb der Konzertbox – für Probenzwecke in diesem Gebäude nutzen können. D.h. es müssen weitere Räume z.B. in der Zürcher Hochschule der Künste für Proben und kleinere Ensembles bereitgestellt werden, das ist mit logistischem Aufwand verbunden. Die grösste Herausforderung besteht für das Orchester darin, dass es seine herausragende Klangqualität nicht verlieren darf. Beim Publikum besteht das grösste Risiko darin, dass wir einen sehr kleinen Teil verlieren werden, die einen Umzug nicht mitmachen wollen. Die Chancen, zusätzliches Publikum in diesem lebendigen und stark frequentierten Quartier gewinnen zu können, stehen aber sehr gut. Die Herausforderung besteht hier darin, attraktive Angebote für alle Publikumsschichten jeden Alters zu schaffen, den Weg zur Maag-Halle so gut wie möglich zu kommunizieren und eine optimale Aufenthaltsqualität in dieser interessanten Industriearchitektur zu ermöglichen.

Vorderansicht Modell des sanierten Kongresshauses

Die Tonhalle gilt als einzigartiges Klangjuwel, als weltweit einer der besten Konzertsäle mit einer unvergleichlichen Akustik. Was dürfen wir uns von der Sanierung des Saales sonst noch erhoffen?

Die hervorragende Akustik muss in jedem Fall erhalten werden, das ist die wichtigste Priorität! Künstler und Publikum werden sich wieder in einem Ambiente befinden, das sehr nah an den Zustand der Tonhalle von 1895 herankommen wird. Die Tonhalle wird wieder sehr festlich und zugleich bunter werden. An einigen Stellen sind die ursprünglichen Materialien und Farbkonstellationen im Saal bereits jetzt freigelegt. Es lohnt sich, diese anzusehen und sich dann die erhebende Wirkung vorzustellen.

Die Infrastruktur, die Probe- und Aufenthaltsräume und die Garderoben sind in einem desolaten Zustand, sodass die Feuerpolizei die Nutzung nur noch auf Zusehen hin duldet. Was sind zusätzliche Argumente, welche die Erneuerung unabdingbar machen?

Feuer- und baupolizeilich gesehen ist das gesamte Gebäude in allen (!) Bereichen des Vorderhauses, des Bühnen- und Saalbereiches und der gesamten Backstageflächen nicht mehr in einem adäquaten modernen Zustand. Mit permanenter Ausnahmegenehmigung spielen zu müssen, reicht alleine schon aus, um die Erneuerung zu rechtfertigen. Der weitere Betrieb ist ohne diese Renovierung und die Umbauten eindeutig gefährdet. Zudem sollte eine Stadt wie Zürich an der Werterhaltung eines solchen Juwels interessiert sein. Ein Top-Orchester wie das Tonhalle-Orchester Zürich, das sich weltweit mit den besten Ensembles messen kann, braucht zudem adäquate Produktionsbedingungen, um diese Höchstleistung auch erbringen zu können. Und letztlich haben sich die Anforderungen des Publikums an Kulturbauten auch verändert. Mit jedem gelungenen Neubau – z.B. dem KKL in Luzern – wird das Publikum mit einer herausragenden Aufenthaltsqualität verwöhnt. Auch hier wird es etliche spür- und sichtbare Verbesserungen geben. Der unverstellte Blick aus dem grossen Foyer auf den Zürichsee sowie eine unmittelbar angrenzende Terrasse werden die Attraktivität des Ortes um einiges steigern.

Es gelingt Ihnen immer wieder, mit innovativen Formaten wie „TOZdiscover“, tonhalleLATE“ u,nd „TOZZukunft“ zu experimentieren und ein neugieriges Publikum zu gewinnen. Gerade während die Umbauzeit könnten sich daraus auch neue Impulse ergeben. Was ist vorgesehen?

Wir beschäftigen uns seitens des Managements seit einiger Zeit sehr intensiv mit dem Maag-Areal und Zürich-West und evaluieren zum einen dessen Besucherpotentiale und zum anderen die vielfältigen Möglichkeiten der Kooperation mit bereits dort angesiedelten Kulturinstitutionen. Von deren Erfahrungen profitieren wir, dennoch müssen wir eigene Wege finden, um eine Bereicherung und sinnvolle Ergänzung für dieses Gebiet zu sein. Das Quartier befindet sich in ständigem Wandel, der gesellschaftliche Wandel schreitet ebenso stetig voran. Mit diesen Themen müssen wir uns ab jetzt auch künstlerisch wesentlich stärker auseinandersetzen. Bei unserer Saison-Vorstellung 2017/18 werden wir diese zusätzlichen Ideen kommunizieren.

Wie Johannes Brahms die Tonhalle sah: Er eröffnete das Prunkstück 1895

Martin Vollenwyder, Sie waren von 2002-2013 als Finanzvorstand der Stadt Zürich äusserst erfolgreich und galten als politisches Schwergewicht. Ihr Büro soll der Sinnspruch geziert haben: «Ein Optimist sieht in einem Problem eine Aufgabe. Ein Pessimist sieht in einer Aufgabe ein Problem.» Wie setzen Sie diese Vorgabe für den Umbau und die Instandstellung von Tonhalle und Kongresshaus um?

Martin Vollenwyder: Der optimistische Sinnspruch hat mit diversen Faktoren zu tun: Niemand bestreitet die Dringlichkeit des Umbaus und der Instandstellung der Tonhalle. Das Parlament hat mit 100:22 Stimmen dem Projekt zugestimmt, und die Bevölkerung steht den Säulen städtischer Kultur in der Regel positiv gegenüber.

Zürich tut sich bei der Realisierung grosser Bauvorhaben bekanntlich schwer. Ein neues Kongresshaus ist in der Abstimmung gescheitert, ein attraktives Fussballstadion auch und ob der ZSC einen eigenen Eishockeytempel erhält, steht auch noch in den Sternen. Wie wollen Sie dem Stimmvolk die knapp 240 Mio., die das Projekt verschlingt, schmackhaft machen?

Der Neubau des Kongresshauses ist an der Urne gescheitert, weil die Opposition aus Architektenkreisen gross war. Nun unterstützen diese Kreise die Sanierung sogar mit einer eigenen Werbung „Pro Kongresshaus“. Bausünden von früher werden nun ja auch eliminiert. Der Panoramasaal weicht z.B. einer grosszügigen Terrasse mit Blick auf den See und das Alpenpanorama.

Das Maag-Areal beherbergt das Tonhalle-Orchester während der Umbauphase und erhält eine eigens konstruierte Konzertschale. Was war die Überlegung?

Ein Orchester von so internationaler Bedeutung muss zwei bis drei Jahre im Voraus planen können und braucht eine Spielstätte, wo es seine Qualitäten auch unter veränderten Prämissen entfalten kann. Planen heisst auch vorausschauen und die Bedingungen für den künstlerischen Betrieb sicherstellen.

Neue Terrasse Kongresshaus: freie Sicht auf See und Alpen

Inwiefern bedeutet die Sanierung des Gesamtkomplexes auch einen Mehrwert für das Kongresshaus? Wo entstehen Synergien zwischen den beiden Trägern? Und wie hoch können die Folge- und Betriebskosten danach veranschlagt werden?

Kongresshaus und Tonhalle sind seit dem Neubau des Kongresshauses 1939 (an Stelle des damaligen Trocaderos) „siamesische Zwillinge“. Die gesamte Technik, insbesondere die Lüftung, aber auch das gesamte Fluchtweg-Konzept hängen zusammen. In Zukunft muss die Tonhalle Gesellschaft ebenfalls einen Mietzins entrichten, daher wird die Stadt Zürich auch die Subvention um 2.5 Millionen erhöhen. Dank dieser Erträge wird die Stiftung die Betriebskosten tragen können.

Wenn sich das x-mal kleinere Luzern ein KKL leisten kann, dann steht ausser Frage, dass Zürich dieses wegweisende Vorhaben mit einem klaren Bekenntnis zu seiner kulturellen Verantwortung gutheissen sollte. Wie zuversichtlich sind Sie diesbezüglich?

Ich bin sehr zuversichtlich, wurde doch mit der Ablehnung der Neuerstellung des Kongresshausteils im Jahr 2008 klar zum Ausdruck gebracht, dass eine Renovation des gesamten Komplexes gewünscht wird.

Frau Schmiel und Herr Vollenwyder, das Glück der Tüchtigen soll Ihnen am 5. Juni hoffentlich lachen. Ich bedanke mich für das Gespräch.

Das Schlusswort hat David Zinman:«Die Tonhalle Zürich war nicht nur für fast zwanzig Jahre meine musikalische Heimat, sie hat auch den Stil unseres gemeinsamen Musizierens massgeblich geprägt. Der Grosse Saal der Tonhalle ist ein klangliches Juwel…»

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