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Zur Kultur des Essens

Schon immer haben sich die Menschen mit der Zubereitung der Nahrung beschäftigt. Im langen Prozess der Zivilisation wurde das Essen kultiviert.

Der Mensch ist, wie er isst! Wie sonst hätte der französische Schriftsteller Michel Onfray, ein Buch über den „Bauch der Philosophen“ schreiben können. Was grosse Denker wie Immanuel Kant, Friedrich Nietzsche und Jean Paul Sartre assen, so die These, spiegle sich in ihrem Denken. Wohl eine verwegene Behauptung. Ich will sie nicht beachten, denn diskutiere ich mit jemandem, würde sie mich vom Gespräch ablenken. Es gibt genügend Anhaltspunkte. Fleischesser denken gewiss anders als Veganer und oft genügt ein Blick auf den Bauch. Essen bleibt unter den Leuten immer ein Thema. Kommt einer von einer Reise zurück, ist oft das zweite Wort: „Wir haben gut, wir haben schlecht gegessen!“ Bis das Essen zu einer verfeinerten Kultur der Neuzeit werden konnte, musste die Peinlichkeitsschwelle eines fast kannibalischen Verschlingens von Fleisch überschritten werden.

Karl Friedrich Freiherr von Rumohr regte mit seinem Werk „Geist der Kochkunst“ zum Nachdenken über das Essen an. Er lebte von 1785 bis 1843. Rumohr entstammte holsteinischem Uradel, hielt sich in Sachsen, Preussen, Bayern und Italien auf. Er studierte die Kochbücher vieler Nationen. Auf Reisen erkannte er, „dass die Kochkunst mit dem Nationalcharakter, mit der Geistesbildung der Völker, kurzum mit den allgemeinsten und höchsten Interessen des Menschengeschlechts in Verbindung stehe.“ Da lohnte es sich, die Sitten oder die Kultur des Essens etwas genauer anzusehen. Er verurteilte die Nachlässigkeit des Kochens. Sie entspringe der Trägheit und werde keine stoische Weisheit hervorbringen.

Karl Friedrich von Rumohr war ein Pionier der gesunden Ernährung. Kochbücher, die mit planloser Anhäufung von Vorschlägen, echte National- und Provinzgerichte zu verdrängen suchten, lehnte er ab. Nach seiner Meinungen war die Art des Kochens in der Volks- und Landesart begründet. Er lobte die Kochkunst der Italiener, weil in ihr „gegenwärtig das Volksmässige“ vorherrsche. Eine sehr verfeinerte Küche gefiel ihm nicht. Kochkünstler müssten ihr mit Misstrauen begegnen. Mit derben Worten zeigte er ihnen gegenüber seine Abneigung: „Wer seine Geschmacksnerven nicht durch häufiges Tabakrauchen abgestumpft hat, oder überhaupt phantasielos ist, dem wird schaudern vor dieser Verbindung des Lieblichen und Widrigen mit dem Bitteren und Zusammenziehenden.“ Er wünschte, dass die Menschen einem Wort des römischen Dichters Horaz folgten: „Vermische Nützlichkeit mit Anmut!“ Das gelte für alle Lebensbereiche und vor allem auch beim Gastmahl. Schnellessern, die Spaghetti nicht zu leckeren Bissen auf die Gabel aufdrehen, würde der Freiherr jede Anmut absprechen.

Die Kochkunst hat wie jede Kunst eine lange Geschichte. Norbert Elias beschreibt in seinem Werk „Über den Prozess der Zivilisation“ – bestätigt von Rumohr -, wie bis ins in die frühe Neuzeit gekochte oder gebratene Tiere – Schweine, Schafe, Kaninchen, Geflügel und Fische – auf den Tisch geschmissen wurden, wo sie der Hausherr mit seinen Händen zerriss und jedem am Tisch einen Bissen zuteilte. Es vergingen Jahrhunderte, bis die Menschen diese kannibalische Art des Essens peinlich fanden. Endlich verlangten sensiblere Gemüter, das Fleisch sei hinter einer Wand zu zerlegen. Die Menschen assen lange mit der Hand, bis endlich Messer und Gabel, vorerst nur in höheren Kreisen, in Gebrauch kamen.

Was würde der Freiherr von Rumohr heute sagen, wenn er Esser in den Bahnhöfen oder an anderen öffentlichen Plätzen mit einem „Burger“ in der Hand beobachtete, wo sie womöglich noch mit halbvollem Mund telefonierten? Für ihn war die Esskultur Ausdruck sinnlich-sittlicher Bildung. Wie würde es ihn ankommen, wenn er in Hotels zuschauen müsste, wie Gäste jeder Couleur am Buffet Berge von Speisen auf die Teller stapeln, davon nur gerade einige Leckerbissen herauspicken, den Rest hemmungslos stehen lassen? Für ihn wären diese Barbaren, die noch immer nicht weit weg vom Kannibalismus sind.

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