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Allerheiligen – Allerseelen

Gedichte über den Tod: Charles Berthouzoz hat sie in französischer Sprache geschrieben. Ins Deutsche übertragen wurden sie von Marlies Ammann: „La mort brute – Der raue Tod“.

Eine grosse Sanftmut und Gelassenheit kommt mir aus den Texten, aus der Prosalyrik des broschierten, sehr ansprechend gestalteten Buches entgegen. Es liegt gut in der Hand, ist zweisprachig und gibt jedem Gedicht, und sei es noch so kurz, Raum auf einer ganzen Seite. Mein Französischunterricht liegt Jahrzehnte zurück. Mein längerer Aufenthalt in einer Familie in Paris ebenfalls. Deshalb lese ich die Gedichte in Deutsch. Mehr und mehr lasse ich mich aber verleiten, auch auf die ursprüngliche, die französische Fassung einen Blick zu werfen. Und im Wörterbuch suche ich nach dem Sinn des Wortes: „brut“. Ja, der Diamant ist ungeschliffen, das Tuch ungebleicht, die Tatsache nackt. Alles befindet sich noch im natürlichen Zustand! So sind auch die Begegnungen von Berthouzoz mit dem Tod.

Über hundert Gedichte befassen sich mit allem, was rund um den Tod geschehen kann. Wie es der Autor in seiner neunjährigen Tätigkeit als Bestatter erlebt hat. Er benennt den Tod der Kinder: „Man muss zur Wohnung hinaus gehen mit dem kleinen weissen Sarg!“ Er schreibt von Selbsttötung: „Sag mir: Welch grauenhaftes Leid liess dich all dies dem Lachen deiner Grosskinder vorziehen?“ Liebevoll hält er eine kleine Geste fest: „Die reizende alte Dame, die nicht wollte, dass ihr Mann ohne seine Hosenträger geht.“ Er hat auch Humor: „Raten sie mal, wovon zwei Bestatter sprechen, wenn sie sich begegnen?“ Und wir erfahren, was alles passieren könnte (und wohl schon passiert ist): Die Blumen gehen vergessen, der Leichenwagen hat eine Panne, der Pfarrer kommt zu spät oder die Kirche wird verwechselt.

Seine Arbeit hat den Bestatter hellsichtig gemacht: „Sie ist friedlich eingeschlafen.“ Was wisst ihr denn, Kinder, wer geht mit Freude seinem Ende entgegen? Sie hat euch einfach geschont, bis zuletzt.“

Das Buch ist nicht strukturiert. Eine Beschreibung, eine Beobachtung, eine Betrachtung findet sich neben der anderen. Das macht das Buch, das auf jeder Seite vom Sterben und vom Tod handelt, lesbar. Es werden Ereignisse skizziert, die unter die Haut gehen. Aber schon auf der nächsten Seite werden wir mit der Wirkung des Testamentes auf die Befindlichkeit der Hinterbliebenen konfrontiert! Oder wir fühlen uns aufgenommen in der Beschreibung der Gemeinschaft eines Dorfes, die in die Stadt reist, um einen der Ihrigen zu begraben.

Erhellend für die gleichzeitige Leichtigkeit und Ernsthaftigkeit der Texte ist die Lebensgeschichte des Autors. Charles Berthouzoz wurde 1944 geboren. Seine Jugend verbrachte er in einer kinderreichen Familie im Wallis. Nach seinem Theologiestudium war er bis 1990 Priester im Val d`Illiez. Er gab sein Priestertum auf eigenen Wunsch auf und arbeitete dann von 1991 bis 2000 als Bestatter in Lausanne und Genf. Aus dieser Zeit stammen seine Gedanken über das Sterben und den Tod. 1997 begegnete er Carla Sargenti, seiner späteren Ehefrau. Sie zogen zusammen ins Tessin. Dort verdiente er seinen Lebensunterhalt zuerst in verschiedenen Restaurants. Von 2005 bis zu seiner Pensionierung 2009 führte er in Locarno das Restaurant „Casa Vallemaggia“. Hier werden Menschen mit einer Beeinträchtigung in die Arbeitswelt integriert. 2013 starb er unerwartet.

Eignet sich das Buch als Geschenk? Auf jeden Fall! Viele kennen den Brauch, am 1. November, an „Allerheiligen“, und dem Tag darauf, „Allerseelen“ genannt, die Gräber der verstorbenen Angehörigen zu besuchen. Das Lesen in diesem Buch ist wie ein besinnlicher Besuch auf dem Friedhof!

Und noch etwas. Der Gedanke beschäftigt mich, ob und was es in unserem Leben bewirkt, wenn wir mit „la mort“ oder mit „der Tod“ aufwachsen? Und siehe da, vor der deutschen gab es eine italienische Übersetzung der Gedichte, von Alberto Nessi.

Und wie heisst der Titel: „la nuda morte“. Noch mehr Stoff zum Nachdenken!

 

 

 

Charles Berthouzoz: „Der raue Tod“. Übertragen aus dem Französischen von Marlies Ammann. Verlag Pudelundpinscher, Wädenswil, 2017. ISBN 978-3-906061-12-2

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