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Mit den Augen Musik besser hören

„Kann Musik sichtbar werden?“ Adrian Marthaler hat es im Schweizer Fernsehen 20 Jahre lang bewiesen und ist nun zu seinem 70sten im Theater Rigiblick gewürdigt worden. 

Adrian Marthaler darf nicht mit seinem vier Jahre jüngeren Bruder Christoph verwechselt werden, dem das deutschsprachige Theater zu Füssen liegt. Aber was den Jüngeren in der Theaterlandschaft der letzten 20 Jahre zu einem kultischen Markenzeichen erhoben hat, das war der Ältere zwischen 1979 und 1999 für die klassische Musikvermittlung am Fernsehen.

Dass er als Slawist und Germanist nie ein Musikstudium in Betracht zog, sondern eine Ausbildung als Theaterregisseur, ist als glückliche Fügung zu bezeichnen, denn in Armin Brunner, dem Leiter „Musik und Ballett“ des Schweizer Fernsehens, hatte er einen Vollblutmusiker zur Seite, der durch all die Jahre sein musikalisches Gewissen war und ihn auf ideale Weise ergänzte. Ein verschworenes Team würde man das heute nennen. Beide waren sich rasch einig, dass die in den heiligen Musiktempeln erstarrte und per Eurovision in die bürgerlichen Stuben übertragenen ewig gleichen Retorten-Vermittlungen nicht länger nachgebetet werden konnten. Marthaler brachte das kreative Potential eines naiv-neugierigen Kindes mit und Brunner die gewieften Erfahrungen eines Dirigenten und Chorleiters, der bereits in jungen Jahren Hans Rosbaud am Zürcher Opernhaus assistierte und von 1953 bis 1973 auch schon als Leiter der „Neuen Zürcher Kammeroper“ fungierte.

Armin Brunner, Wolf Biermann, Adrian Marthaler und Erwin Koller (v.l.) im Gespräch

Es war auch noch eine Zeit, in der man im Leutschenbach Spinnern ein Quentchen Narrenfreiheit gewährte und sich erst die Augen rieb, als es von Produktion zu Produktion internationale Anerkennung und Musikpreise regnete und die Zusammenarbeit mit potenteren Partnern ermöglichte. Das Quotendenken sass den Oberen aber bereits im Nacken, sodass die sich über sechs Jahre erstreckende Realisierung der „Sechsten Mahler“ zugleich ehrgeiziger Höhepunkt und das Ende der Messlatte bedeutete. Damit fiel nach der Aera Brunner/Marthaler die Musikabteilung wieder in einen Dornröschenschlaf, der bis heute andauert und bei der die kreative Einöde in der Musikvermittlung wieder mit dem Wiener Neujahrskonzert das Mass aller Dinge zu sein scheint.

Mahlers Sechste «Das Lied von der Vergänglichkeit» in der Fernsehregie von Adrian Marthaler

Es darf nicht vergessen werden, dass damals Musik im Fernsehen in gehobenen Kreisen auf absolute Ablehnung stiess. Der Ausspruch Theodor W. Adornos: „Musik im Fernsehen ist Brimborium“, wurde allgemeingültig erklärt – bis der Jungspund 1979 mit dem „Klavier-Concertino“ von Arthur Honegger eine Form fand, in der sich das Sehen und Hören gegenseitig zu inspirieren begannen. Einer Laudatio Kurt Weibels ist zu entnehmen: „Adrian Marthaler erfand und schuf etwas fundamental Neues. Er kam und zeigte einem immer mehr staunenden und auch wachsenden Publikum, dass die Musik dem Fernsehen neue Dimensionen zu eröffnen vermag und umgekehrt das Fernsehen der Musik.“ Und Max Nyffeler ergänzte: „Marthalers Musikfilme sind herz- und ohrenerfrischende Oasen in der Wüste der heutigen Wegwerf- und Weghör-Kultur.“ Für mich persönlich war die augenzwinkernde, erfrischende  Brise in der Tat Musik gewordene Sinnlichkeit in all ihren Facetten.

Musikalische Meditation: der Dalai Lama mit Erwin Koller und Armin Brunner 

Entstanden sind insgesamt über fünfzig Musikfilme. Darunter die pionierhaften „musikalischen Meditationen“, in der Schriftsteller und Autorinnen wie Christa Wolf, Herta Müller, Wolfgang Hildesheimer, Martin Walser, Adolf Muschg, Peter Bichsel, Franz Hohler, Günter Wallraff, Wolf Biermann und Geistesgrössen wie der Dalai Lama, Hans Küng, Dorothee Sölle, Margarete Mitscherlich, Eugen Drewermann, Ernesto Cardenal und Leonardo Boff kritische Standpunkte und Denkanstösse zu kirchenmusikalischen Werken vertraten, die Armin Brunner mit seinem Fernsehchor in Auszügen zu Gehör brachte.

In einer persönlichen Hommage von Jürg Acklin und in Gruss- und Dankadressen von Weggefährten wie Peter Schellenberg, der Geigerin Bettina Boller, Matthias Bamert, Erwin Koller und Sigfried Schibli, vorgetragen von Graziella Rossi, Helmut Vogel und Manuel Löwensberg, wurde die überragende Bedeutung Adrian Marthalers für die Musikvermittlung gewürdigt und mit signifikanten Filmbeispielen ein letztes Mal (?) erhellt.

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