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Wolkenlandschaften

In der Graphischen Sammlung der ETH Zürich (Hauptgebäude) ist noch bis März eine aussergewöhnliche Sammlung mit Wolkendarstellungen und -fotos zu sehen. Die Bandbreite der ausgestellten Werke reicht von Holzschnitten, über Kupferstiche, Farblithos, Aquatinta bis zu wissenschaftlichen Fotografien. Sogar literarische Texte über Wolken werden ausgestellt.

Wolken sind mannigfaltige, sich dynamisch wandelnde Himmelserscheinungen. Sie spielen in der Meteorologie eine wichtige Rolle, üben im Wasserkreislauf der Erde die Funktion eines Mittlers zwischen Verdunstung und Niederschlag aus und liefern mehr oder weniger verlässliche Wetterregeln. In der Landschaftsmalerei und Naturfotografie sind sie seit Jahrhunderten beliebte Sujets. Zudem bereichern sie die Literatur.

Zu den bekanntestens Wolkenbildern gehören Werke aus der niederländischen Landschaftsmalerei, von Jacob Izaaksoon van Ruisdael, Jan van Goyen und Esaias van der Velde Ary Pleysier. Berühmt sind auch romantische Wolkendarstellungen von William Turner, Caspar David Friedrich, Carl Blechen und vor allem von John Constable, sowie von Emil Nolde im 20. Jahrhundert und die grauen Wolkenbilder Gerhard Richters. In Zürich zu sehen sind derzeit auch Werke von Anton van Dyk, Maria Cosway und Arnold Böcklin.

«Wolken sammeln. Himmelsbeute auf Papier» lautet der Titel der interdisziplinären Ausstellung der Graphischen Sammlung an der ETH. Kuratiert wurde sie von Susanne Pollack (Graphische Sammlung ETH Zürich) und von Nicole Graf (Bildarchiv der ETH-Bibliothek). Die interdisziplinäre Schau ist in fünf Sektionen gegliedert: Bewohnte Wolken, Moderne Wolken, Was birgt die Wolke? Kopf in den Wolken, Streif- und Mondlicht. Ein reichhaltiges Begleitprogramm mit Vorträgen, Lesungen, Führungen sowie Gesprächsrunden ergänzt die Ausstellung. Abschluss bildet im März eine Versteigerung der ausgestellten Fotodrucke aus dem Fotoarchiv der ETH-Bibliothek.

In den vergangenen 500 Jahren haben sich die Sujets, aber auch die Techniken der Wolkenbilder stark geändert. Während Darstellungen der Altmeister weitgehend schwarz-weiss gestaltet sind, treten bei modernen und zeitgenössischen Kunstschaffenden auch dezente Farben in Erscheinung. Weisse Kondensstreifen eines Flugzeugs teilen den Himmel auf einem Bild von Stefan Altenburger in zwei Hälften. Plötzlich wird klar, dass Wolken nicht nur das Produkt von physikalischen Wetterphänomenen sind, sondern auch vom Menschen verursacht werden. Auf Henri Rivières Farblithographie steigen Dampfwolken aus den Kaminen der Flussschiffe.

Henri Rivière.  Palais du Trocadéro Blatt 8 aus der Folge «Paysages Parisiens» 1900 Farblithographie, Graphische Sammlung ETH Zürich.

Antriebsfeder für Wolkenbilder sind Fragen wie «Kann eine Wolkenlandschaft Abbild der menschlichen Seele sein?», «Welche Gestalten birgt die Wolke?» und «Wie lassen sich Wolken im Streif- und Mondlicht umsetzen?». Bei den Altmeistern sind Wolkenbilder Aufenthaltsort mythologischer, christlicher Gestalten. Wolken können aber auch Vexierbilder sein, mal von Göttern, mal von Engelsgesichtern. Meret Oppenheim hat ihre Wolken versteckt, als Wasserzeichen in handgeschöpftem Papier. Die Formen sind nur sichtbar, wenn man das Papier gegen das Licht hält.

Meret Oppenheim. Ohne Titel Blatt 6 aus der Folge «Elf Wolken» 1971 Wasserzeichen auf handgeschöpftem Papier, Graphische Sammlung ETH Zürich,  © 2023, ProLitteris, Zürich.

Das Interesse an der technischen Umsetzung von Wolkendarstellungen zieht sich wie ein roter Faden durch die Zürcher Ausstellung. Gestochen scharf sind die Schwarz-Weiss-Konturen von Felix Vallotons Wolken. Markus Raetz demonstriert, wie der Einsatz des Säurepinsels auf Aquatinta perfekt geeignet ist, um dunstige, ineinanderfliessende Wolken über Naturlandschaften darzustellen.

Markus Raetz. Eine baumbewachsene Talsohle im Gegenlicht Blatt 5 der Folge «NO W HERE» 1991 Aquatinta und Direktätzung, Graphische Sammlung ETH Zürich © 2023, ProLitteris, Zürich.

Bei vielen Exponaten verblüffen die vielen Details der Darstellungen, die man nur aus nächster Nähe erkennt. Andere Wolkendarstellungen wirken erst, wenn der Betrachter eine gewisse Distanz zum Bild einnimmt. Mit unzähligen Klein- und Kleinstpünktchen, die sich schwarmartig zu mystischen Einheiten formen, hat Harald Naegeli in seinen Tuschzeichnungen versucht, den Aufbau von «Urwolken» darzustellen.

Harald Naegeli. Urwolken. Tuschzeichnungen. Graphische Sammlung ETH Zürich © 2023, ProLitteris, Zürich.

Aus der riesigen Fotosammlung der ETH-Bibliothek stammen wissenschaftliche Aufnahmen. Denn für Klimavorhersagen spielen Wolken eine wichtige Rolle, da sie die Sonneneinstrahlung reflektieren und kühlend auf das Klima wirken. Zürcher Forscher haben nachgewiesen, dass die Bewölkung im Zuge der Klimaerwärmung langsam zurückgehen wird. Möglich, dass die Menschheit eines Tages wieder glauben wird, die Wolken seinen von Engeln oder Göttern bewohnt. Wolken sind eben nicht nur Wasserspeicher, sondern regen auch die Phantasie an. Wann haben Sie zum letzten Mal ein Wolkengesicht am Himmel gesehen?

Leo Wehrli. Córdoba, schöne Wolke von Westen bei Villa Cárlos Paz. 1938. Glasdiapositiv, ETH-Bibliothek, Bildarchiv.

Fünf Fragen an Susanne Pollack, Kuratorin der Graphischen Sammlung ETH Zürich:

Wie ist der Titel «Himmelsbeute auf Papier» zu verstehen? Als Ausbeute?

Als poetische Beschreibung für die von den Künstlern «eingefangenen» Wolken (Künstler = Wolkenjäger/Wolkenfänger) – keinesfalls negativ im Sinne von Ausbeutung.

Mit welchen besonderen Herausforderungen waren Sie bei der Konzeption und Kuration konfrontiert?

Das Thema Wolken war nicht leicht einzugrenzen, zumal wir es über mehrere Jahrhunderte hinweg beleuchten. Es bestand die Gefahr, dass es verwässert und allzu beliebig wird. Wir haben uns daher darauf konzentriert, Werke auszuwählen, die besonders aus graphischer Sicht interessant sind. Einige Themengruppen mussten wir auslassen, weil wir nur beschränkt Platz im Ausstellungsraum haben, z.B. die «böse Wolke», gemeint sind damit Atomwolken oder auch Dreck- und Industriewolken. Auch die klassischen Landschaftsbilder haben wir ausgelassen. Stattdessen wollten wir den Blick mehr auf Kontexte lenken, die nicht zu den schon so oft gezeigten gehören, etwa mit der Sektion «Kopf in den Wolken», die dazu anregt, sich zu fragen, warum es so viele (Künstler-)Porträts mit Wolken gibt.

Worauf sollen die Besuchenden besonders achten?

Wir würden uns freuen, wenn sie auf die Vielfalt der graphischen Techniken achten würden, die bei diesen Bildern gezielt ausgewählt und eingesetzt wurden, um jeweils ganz bestimmte Qualitäten der Wolke sichtbar zu machen.

Ihr Lieblings-Wolkenbild oder -Wolkenfoto?

Das können Sie eine Kuratorin genauso wenig fragen, wie eine Mutter nach ihrem Lieblingskind……

Jacopo Francia. Raffael Amor und Psyche um 1517, Kupferstich, Graphische Sammlung ETH Zürich.

Eines der ersten Bilder, das mir bei der Recherche begegnet ist und bei dem mir immer klar war, dass wir es auf jeden Fall zeigen werden, ist der Kupferstich «Amor und Psyche» von Jacopo Francia. Es zeigt mit dem bezaubernden Wolkenkissen unter Amors Arm eine Konstante der bewohnten Altmeisterwolken: die Wolke ist in dieser Bildgruppe stets ein schwereloser Festkörper, der den himmlischen Bewohnern als angenehmer Aufenthaltsort dient.

Was passiert mit dem Auktionserlös der speziell vergrösserten Fotodrucke?

Der Erlös wird der Graphischen Sammlung zugutekommen, die auch die Herstellung der Abzüge finanziert hat. Wir gehen hier aber nicht davon aus, Gewinn zu machen – es geht hier vor allem darum, zur Finissage noch ein kurzweiliges Event anzubieten.

Titelbild: Blick in den Ausstellungssaal der Grapischen Sammlung ETH Zürich. Foto PS.

Ausstellung noch bis zum 10. März 2024. Die Graphische Sammlung ist Teil der ETH Bibliothek.

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Graphische Sammlung der ETH Zürich

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