StartseiteMagazinKolumnen„lechts und rinks…“

„lechts und rinks…“

Kein Tippfehler, nein, sondern ein hinterlistiges Sprachspiel, das geradezu exemplarisch Extrempositionen relativiert, die wie Giftpfeile und Selfie-Eskapaden unseren politischen Alltag prägen.

Der österreichische Lyriker Ernst Jandl hat mit Lautgedichten, Sprachspielen und visueller Poesie wie kein anderer hintergründig lustvoll und listig provoziert und ganz nebenbei politisch anarchische Zeichen gesetzt, die sich wunderbar eignen, die Dialektik der Extreme zu parodieren. Sein Gedicht „Lichtung“, 1966 entstanden, lautet ganz lapidar:

manche meinen

lechts und rinks

kann man nicht velwechsern

werch ein llltum

Der Buchstabendrechsler Jandl wurde lange als Sonderling abgestempelt, bis ihm relativ spät Anerkennung und Ehrungen zuteil wurden. Es ist evident, dass sein Vierzeiler die Fragwürdigkeit politischer Dogmen und den Glaubenskrieg zwischen linken und rechten Positionen aufs Korn nimmt. Was als Nonsens-Gedicht apostrophiert wurde, bringt die Absurdität und die oftmalige Austauschbarkeit gegensätzlicher Haltungen auf den Punkt. Borniert, ewiggestrig und gefährlich sind immer die anderen.

Das zeitigt gerade in jüngster Zeit fatale Folgen. Moderate und konsensorientierte Mitte-Parteien werden zwischen den Blöcken zähnefletschend aufgerieben. Deutschland bildet das Paradebeispiel. Der manchmal zwar wankelmütigen, aber zumeist vorbildlich geradlinigen und berechenbaren Bundeskanzlerin wird wegen ihrem Ausruf „Wir schaffen das!“ der Strick gedreht und ihr  Rücktritt herbeigewünscht. „Lechts und Rinks“ wissen nur, was sie nicht wollen und hetzen die Massen mit zweifelhaften Heilsversprechen gegen die Kanzlerin auf.

In Grossbritannien ist der Brexit-Teufel los und die Forderung einer zweiten EU-Abstimmung treibt auch damalige Nichtwähler und Schlafkappen auf die Strassen, welche allen die Schuld zuschieben, nur nicht sich selbst.

Die EU hangelt und wurstelt sich, kaum mehr manövrierfähig, zwischen egoistischen Eigeninteressen hindurch. Der Rechtspopulismus in Ost und West speit nach allen Seiten Gift und Galle. In den USA gipfelt der Hass nun sogar im Verschicken von Briefbomben an demokratische Meinungsträger. Und wer trägt die Schuld daran, Herr Präsident? Es sind die Medien! Nicht die Hasstiraden des Volkstribuns haben zur Vergiftung des politischen Klimas beigetragen, nein – die anderen.

Leider gibt es auch Trittbrettfahrer in der Schweiz, die auf diesen Zug aufspringen. Die Jusos plärren z.T. hirnrissige Parolen in die sozialen Medien, um auf sich aufmerksam zu machen. Und die Grünen wittern bundesrätliche Morgenluft, indem sie oft grundsätzlich Positionen vertreten, die mehr der Eigenprofilierung als der Problemlösung dienen. Auch hier leiden die Mitte-Parteien, welche gerade wegen ihrer Bereitschaft zu politischer Verantwortung und Kompromissbereitschaft abgestraft werden. Die Seifenblasen-Rhetorik kommt halt in einer desorientierten Schlagzeilen-Gesellschaft besser an als eine oft zwar etwas langweilige, aber letztlich das Gemeinwohl in allen Facetten berücksichtigende Landespolitik. Jandl sei Dank für seine hellsichtige Fährte.

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