StartseiteMagazinGesellschaftArbeitswelt der Zukunft – Zukunft der Arbeitswelt

Arbeitswelt der Zukunft – Zukunft der Arbeitswelt

Zum zehnten Jahrestag schenkte sich das Netzwerk Silberfuchs ein Gespräch unter vier Generationen zur Erwerbsarbeit

Ältere Arbeitnehmer frühpensionieren oder kurz vor dem Rentenalter kündigen geschieht laufend, dabei reden die Think Tanks, die Wirtschaftstheoretiker und Zukunftsforscher, die Finanzmanager und Politiker sowieso über nichts anderes als eine Erhöhung des Rentenalters. Realität und Ideen also weit auseinander. Oder eher: die Wirklichkeit hat sich von der Theorie und der Zukunftsforschung weit abgesetzt. „Unverzichtbar ist ein offener, flüssiger Arbeitsmarkt für ü50 – Männer und Frauen dieser Altersgruppe sind voll leistungsfähig, wenn und solange sie herausfordernde, motivierende Aufgaben finden.“ Das ist ein Kernsatz aus dem Silberfuchs-Manifest.

Vier Generationen (von links: Samuel Ebneter, John Wäfler, Neera Steinke, Klara Obermüller) befragt von Elisabeth Michel-Alder bei der Jubiläumsveranstaltung von Silberfuchs

Silberfuchs ist eine der Organisationen, die sich mit der Zukunft der Erwerbstätigkeit auseinandersetzen und den Fokus in erster Linie auf ältere Erwerbstätige legen. An dem Netzwerk beteiligen sich Arbeitgeber-Organisationen, Wissenschafter, Berater, aber auch Politiker. Sie denken über Lösungen und Vorschläge für einen künftigen, der Demographie angepassten Arbeitsmarkt nach und machen Vorschläge, wie ältere Erwerbstätige im Arbeitsleben bleiben können, wenn sie wollen. Zehn Jahre gibt es den Silberfuchs schon, Anlass für einen Auftritt in der Öffentlichkeit.

Vier Generationen von Erwerbstätigen stellten sich in der Helferei beim Zürcher Grossmünster den Fragen von Silberfuchs-Initiantin und Moderatorin Elisabeth Michel-Alder. Der jüngste ist Samuel Eberenz, Klimawissenschafter und Geophysiker, Praktikant in einer Umweltorganisation, Organisator eines literarischen Salons. Die älteste ist Klara Obermüller, die Publizistin und promovierte Germanistin hat mit ihrem autobiographischen Buch Spurensuche einen Bestseller geschrieben.

Dazu John Wäfler, Slavist, Geschäftsführer Roadmovie, Organisator des Festivals Zoomz in Luzern und Teilzeit-Hausmann als Vertreter der Vierzigjährigen, sowie die knapp zehn Jahre ältere Schweiz/Kanadierin Neera Steinke. Sie ist Historikerin und war Englischlehrerin. Nun fädelt sie eine zweite Karriere als Projektmanagerin ein, nachdem ihre Kinder gross geworden sind. Derzeit macht sie eine Weiterbildung und ein Praktikum bei einer kleinen Inlandbank.

Lebensläufe werden komplexer und brüchiger: Ausbildung-Anstellung-Ruhestand ist vorbei

Für Berufseinsteiger wird sich vieles ändern, sagt Elisabeth Michel-Alder, denn laut dem Max-Planck-Institut für Demografie muss damit gerechnet werden, dass der halbe Jahrgang 1997 dereinst die nächste Jahrhundertwende erlebt, 101 oder 102 Jahre alt wird.

100 Jahre Erwerbsarbeit und Lebensglück heisst die Veranstaltung, und in der Unterzeile Vier Generationen diskutieren über Lust und Last von Arbeit in der länger werdenden Lebensspanne. Mit audiovisionellen Kurzporträts von alten Männern und Frauen, die mit über siebzig, achtzig oder sogar neunzig Jahren noch ihren Beruf ausüben, ihre Erfahrung an jüngere weitergeben und daraus Zufriedenheit ziehen, wird die Runde animiert.

Das Buch zur Berliner Ausstellung: Gabriele Kostas, Irene Ziehe: Europas neue Alte. Ein foto-ethnografisches Projekt. Europe’s New Oldsters. A Photo-ethnographic Project. d/e (ISBN 978-3-89479-960-1)

Alle und weitere Porträts sind noch bis Ende Januar im Museum Europäischer Kulturen zu sehen. Das foto-ethnografisches Projekt bietet unter dem Titel Europas neue Alte Einblick in eine aktive Generation, die das Ruhestandsalter erreicht hat. Darunter ist auch die georgische Archäologin Leila, für die mangels Rente ein Ruhestand nicht denkbar ist; aber wie die anderen Alten und Hochaltrigen liebt sie ihren Job und hat ein Ziel, nämlich den Katalog des Museums fertig zu stellen. Nicht der Blick zurück auf vergangene bessere Zeiten prägt diese Menschen, sondern ihre gegenwärtige Tätigkeit und ihre Wünsche und Ziele.

Leila, 84 Jahre, Georgien. Seit 59 Jahren als Archäologin am selben Arbeitsplatz. © Gabriele
Kostas

So neugierig und geistig wach bleiben, das wünschen sich die drei jüngeren Podiumsgäste für sich auch, aber die 75jährige Klara Obermüller schränkt ein, dass einem diese späte geistige Fitness und Freude am Arbeiten nicht in den Schoss falle.

Niemand in der Gesprächsrunde verfolgt oder hat eine traditionelle Arbeitsbiographie, der einst gelernte Beruf wird nicht ausgeübt, bis der Ruhestand eines Tages da ist. Insofern sind die Gesprächsteilnehmer zugleich Verkörperung dessen, was die verlängerte Erwerbszeit und das gesellschaftliche und wirtschaftliche Umfeld fordern: Neue Projekte, Flexibilität, Umorientierung, damit Erwerbsarbeit nicht zur öden Routine wird.

Dass sie alle privilegiert sind, wissen sie, denn selbst wenn beispielsweise John Wäfler eher bescheiden lebt, ist auch für ihn Geld verdienen nicht deckungsgleich mit die Existenz sichern, wie für die Mehrheit der arbeitenden Bevölkerung. Zurzeit muss er freilich Geld verdienen, damit das Familieneinkommen ausreicht. Dass Bildung der Schlüssel für sinnvolle Arbeit und Lebensglück ist, darin sind sich alle einig. So ist für Eberenz Glück, „wenn ich nicht mehr das Gefühl habe, zu arbeiten.“

Heute obliegt es den Einzelnen, ihre Arbeitsmarktfähigkeit zu erhalten, denn Arbeitgeber fördern nur für sie nützliche Weiterbildung. Und die Gesellschaft wirft schon die 50jährigen zum alten Eisen, was „ärgerlich, schmerzlich und volkswirtschaftlich unsinnig“ sei, wie Klara Obermüller unterstreicht. Die Struktur Ausbildung-Arbeit-Rente ist zu verändern, es braucht Durchlässigkeit und Offenheit, aber – sind sich alle auf dem Podium einig – seit der Finanzkrise 2008 funktioniert das nicht mehr. Wäfler konnte noch ohne Zertifikat als Informatiklehrer an einer Sekundarschule arbeiten. Heute fehlt diese Option. Und Steinke doppelt nach, erinnert sich mit Grausen an die zertifizierten Schullehrpersonen mit Bildungsmangel, die Sprache unterrichten.

Lieber Elternurlaub statt Rente schon mit 65, findet Familienvater John Wäfler (2. v. links)

Einen Ruhestand kann sich niemand für sich vorstellen – vielleicht der Teilzeit-Hausmann: er sagt, er wünschte sich den Ruhestand als Elternurlaub eben jetzt, wo seine Kinder klein seien. Ob und wie ein Neustart im höheren Alter geht, bleibt freilich offen. Im Grunde sollte man die Lebensarbeitszeit von heute 40 Jahren auf 60 Jahre ausdehnen, aber insgesamt nicht mehr arbeiten. Tönt gut und findet Zustimmung, auch im Publikum. Nun fehlt eigentlich nur die Umsetzung – also Arbeit für das Silberfuchs-Netz und viele andere, die sich um die Arbeitswelt der Zukunft in einer immer älter werdenden Gesellschaft bemühen.

Hier geht es zur Website von Silberfuchs.

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