Auf sechs Rädern

Wie reist sich’s mit Schneckenhaus? Start in den Sommer und Blick zurück.

Geschafft. Und das allein mit Seniorenmuskelkraft! Eine leichte Vertiefung in den abschüssigen, steinigen Boden gekratzt, den Wohnwagen mit dem linken Rad hineingeschoben. Dann den über 1300 Kilo schweren Wagen zu zweit durch rhythmisches Hin- und Herbewegen so in Schwung gebracht,  dass das rechte Rad auf die grüne Unterlegeplatte fuhr. Die Wasserwaage sagt: «Perfekt». Unser Campingsommer hat begonnen.

Nein, einen «Mover», der den Wohnwagen mittels Fernbedienung manövriert, haben wir nicht. Statt dessen haben wir Niederländer – jene hilfsbereiten Mitcamper, die sofort herbeispringen, wenn eine helfende Hand gebraucht wird. Sie sind fester Bestandteil der meisten Campingplätze und helfen gern. Wir vermuten, dass die meisten Niederländer in Campingwagen gezeugt werden und dass ihre Affinität zum Reisen mit dem angehängten Schneckenhaus mittlerweile genetisch verankert sein muss.

Weil die Senioren aus den Niederlanden meist als Erste im Frühjahr gen Süden aufbrechen, haben sie in der Regel die Logenplätze am Seeufer oder Fluss und die schönsten Plätze mit Fernsicht in den Bergen schon belegt, wenn wir kommen. Sie kennen die guten Läden und preiswerten Restaurants wie ihre Hosentasche, wissen, wann wo Markt ist, in welchem Supermarkt man das kleine Öfchen zum Aufbacken der Brötchen bekommt und welche Ausflugsziele lohnen.

Ein Logbuch ist nützlich

Auf unserem alten Campingplatz in Cavalaire an der Côte d’Azur geben jedoch diesmal die Franzosen den Ton an. Es ist Auffahrt. «Vorsicht: An Auffahrt machen die Franzosen Brücke», so habe ich es vor zwei Jahren in unserem Logbuch notiert. Entsprechend könne das «Schlachtgetümmel» sein.

Ein Logbuch ist nützlich, besonders wenn man vorher hineinschaut, was wir allerdings regelmässig versäumen. Weshalb wir uns dann hinterher selber eine runterhauen, wenn wir erneut einen Planungsfehler gemacht haben. Diesmal allerdings haben wir Glück. Keine «trötzelnden» Kleinkinder nebenan. Nur Elstern, Krähen und Tauben, die sich die Pinien und Laubbäume streitig machen. Das Käuzchen, das hier früher die Nacht ansagte, scheint ausgewandert zu sein. Kein Wunder, arbeiten sich doch auch hier die Überbauungen immer weiter die mediterrane Hügellandschaft hinauf. Regelrechte «Staumauern»  aus Beton wie an den spanischen Küsten jedoch sind hier zum Glück nicht zu finden.

Erstinstallation: Wasser auffüllen.

 Unser Campingplatz in seinem Pinienwald und mit den zurzeit blühenden Oleandersträuchen ist immer noch einer der schönsten. Ende Mai, Anfang Juni ist es friedlich hier. Die eigentliche Feriensaison steht noch bevor. Dann aber sind wir längst weg.  Und wenn’s trotzdem hart auf hart kommt, wenn uns plötzlich drei deutsche  Wohnmobile umzingeln, wenn junge Männer mit strammen Waden und Bierbauch lange Tische und Bierkisten ausladen und in Vorfreude auf das Formel-1-Rennen eine Ferrari-Fahne hissen, dann kratzen wir die Kurve. Oder wenn uns an einem Pfingstmorgen die Hügel rundum mit einer Schneedecke begrüssen, während wir unter unseren Bettdecken schlottern, dann nichts wie «hei».

Wie ein Hase kann man beim Camping blitzschnell einen Haken schlagen. Diesmal haben wir nach einem Blick auf die Wetterprognose den Haken sogar schon vor dem Start geschlagen. Statt auf einen romantischen Platz mit Schloss an der Dordogne ging’s direkt ans Mittelmeer.

Mit dem Hund fing alles an

«Wo ist der Hund?», fragte der Koch des kleinen Restaurants auf dem Campingplatz bei unserer Ankunft. Er kannte uns noch. Wir fühlten uns zu Hause.

Mit dem Hund fing alles an.

Mit dem Hund haben unsere Reisen mit angehängtem Wohnwagen begonnen. Als sich unsere junge Hündin  eines Morgens im Vorraum unseres schönen Spatz-Zelts auf der einzig trocken gebliebenen Insel zusammengerollt hatte, während sich in der Nacht ein kleiner Bach den Weg ausgerechnet durch das Vorzelt gebahnt hatte, da stand fest: Ein Wohnmobil oder ein Wohnwagen muss her. Aber welches von beidem?

Wohnwagen oder Wohnmobil?

Bei der Wahl unterscheiden sich die Geister. Wir haben beides ausprobiert. Wer gern weit weg fährt, schnell unterwegs sein und auch mal in freier Natur übernachten will, entscheidet sich für ein Wohnmobil. Dafür muss er wesentlich mehr Geld aufwenden und besitzt ein motorisiertes Ungetüm, das die meiste Zeit herumsteht. Einmal auf einem Campingplatz installiert, ist er damit nicht mobil. Velos sind ein Muss. Noch besser ist ein  Motorroller oder Töff im Schlepptau. Betuchte ziehen einen Smart hinter sich her. Man wird damit auch unbeabsichtigt zum Blickfang sämtlicher Camper rundum.

Wohnmobil mit Smart.

Wir haben uns für einen Wohnwagen entschieden. Es ist eine andere Reisephilosophie. Man entscheidet sich für die Langsamkeit und fährt Tempo 80 bis 90. Auf Autobahnen schieben sich Lastwagen aus aller Herren Länder links an uns vorbei. Wir legen kürzere Strecken zurück und mehr Zwischenhalte ein.

Während Wohnmobilreisende – einmal angekommen – schnell ihren Sonnenstore ausfahren, haben wir mehr Arbeit mit dem Auf- und Abbau des Vorzelts, dafür aber auch «ein zweites Zimmer», das wir je nach Wetter an den Seiten und an der Vorderseite schliessen. Der Wagen selbst bietet wesentlich mehr Platz und Stauraum als ein Wohnmobil.

Das Vorzelt lässt sich mit Seitenwänden und Vorderwand schliessen.

 

 

 

Reisen mit dem Vierbeiner

Als unser Hund noch mitfuhr, stand sein Korb auf  dem abgesenkten Tisch der Sitzecke. Wir lebten mehrheitlich im Vorzelt. Natürlich richteten wir auch unsere Reiseziele an den Bedürfnissen des Vierbeiners aus. Wo ist man auf dem Platz am wenigsten pingelig? Wo kann gut mit ihm laufen? Wo ist es nicht zu heiss? Österreich und das hundefreundliche Frankreich standen an erster Stelle.

Inzwischen weilt unser Hund in den ewigen Jagdgründen. Deutschland auf der Liste unserer Präferenzen nach oben gerückt. Wir besichtigen Städte, Schlösser, Museen, Ausstellungen und sehen uns geschichtsträchtige Orte an. Die strengeren Reglementierungen, zugewiesene Plätze,  Marken, die man zum Duschen lösen muss, einen Schlüssel, den man zum Öffnen des Waschhauses mitnehmen muss,  eine gewisse Unfreundlichkeit beim Campingpersonal nehmen wir in Kauf. In der Schweiz und in Österreich sind wir aber nach wie vor gern unterwegs, wobei es in der Schweiz am teuersten ist. Für Spanien bringen wir zu wenig Zeit mit, es ist uns zu weit.

Das Wohnmobil war weg

Italien war uns früher zu wenig hundefreundlich. Aber auch heute haben wir wenig Lust auf Campingabenteuer dort. Zu viele Stories über geklaute Fahrzeuge und Diebstähle werden auf dem Campingplätzen herumgeboten. Zwei Senioren aus Österreich zum Beispiel berichteten, wie sie in Kalabrien plötzlich in der Badekleidung am Strand standen, während das neue Wohnmobil mit Kleidern, Schmuck und dem gesamten Geld verschwunden war. Sie mussten sich in einem Kloster Kleidung und einen Notgroschen für die Reise zu ihrer Botschaft nach Rom erbitten.

Geklaut wird natürlich auch woanders. Campingplätze schliessen in der Regel ab 22.00 Uhr für Autos, so dass man schon aus Sicherheitsgründen bestrebt ist, das Auto rechtzeitig wieder auf dem Gelände zu parken. Das alles nützt aber nichts, wenn man – wie wir im vergangenen Jahr in Berlin – um 3.15 Uhr nachts Besuch direkt im Wohnmobil durch das wegen der Hitze leicht geöffnete Fenster über dem Herd erhält und das Bargeld verschwunden ist.

Einbruch durch das Fenster über dem Herd.

Traditionelle Arbeitsteilung

Etwas vom Schönsten am Camping ist: Man verbringt den ganzen Tag draussen. Schon zum «Zmorge» sitzt man im Grünen, die Kaffeekanne, Milch, Brot, Butter und Konfi auf dem Tisch. Die Vögel singen, der Tag ist noch jung, die Hitze erträglich. Man bespricht den Tagesplan.

Doch bevor der Aufbruch stattfinden kann, sind Pflichten zu erledigen. Camping ist nichts für faule Leute. Es gibt immer etwas zu tun. Bei den meisten Paaren kann man dabei die alte Arbeitsteilung beobachten: Die Frau kümmert sich um das Innere im Caravan, die Betten, das Essen, den eingeschleppten Schmutz, die Unordnung. Der Mann füllt Wasser auf oder pilgert ins Waschhaus, um das Geschirr abzuwaschen. Dort trifft er andere Männer mit ähnlichen Pflichten. Dabei kommt es häufig zu einem ausgiebigen Palaver und der Mann bleibt länger  unsichtbar. Typisch ist auch die Schlange morgens früh, wenn der «boulanger» hupt. Dann stehen mehrheitlich Männer Schlange, um die Baguette für das Frühstück einzukaufen.

Morgendliches Anstehen der Männer beim Bäcker.

Die Männer fühlen sich auch (scheinbar klaglos) für das Entleeren der WC-Kassetten zuständig. Man sieht sie regelmässig damit zum Chemie- WC laufen.

Buntes Völkchen

Alle sozialen Schichten sind beim Camping vertreten. Da ist der pensionierte Landwirt, ein Zugvogel, der seinen Besitz verkauft hat und jeweils den Sommer in Eschenz am Untersee, den Winter an der spanischen Costa del Sol verbringt. Da ist der verwitwete deutsche Hausarzt mit Hund, der im Wallis Bergwanderungen macht oder der Anästhesist mit Familie aus Schottland, dessen Eltern schon auf dem Hüttenberg in Eschenz (TG) campierten,als er selber noch ein Kind war.

Da ist das deutsche Ehepaar, das mit einem fantasievoll bemalten Wohnwagen die Route Napoléon heruntergondelt. Da sind die beiden Rheinländer, die mit einem liebevoll restaurierten, Oldtimer-Mercedes-Bus aus den fünfziger Jahren Aufsehen erregen und mit ihrem kurzatmigen Gefährt am Furkapass von einem Velofahrer überholt wurden. Nicht zu vergessen die bereits erwähnten Niederländer: Sofern pensioniert, fahren sie manchmal monatelang herum und kennen sich in ganz Europa aus. Da gibt es gesprächige Deutsche  und schweigsame Skandinavier oder Engländer. Gelegentlich trifft man neuerdings auch Tschechen oder Polen.

Spanier haben fürs Campieren im Ausland kein Geld mehr, wie uns dieses Frühjahr eine vereinzelte Spanierin berichtete.

Mit 90 per Wohnmobil

Aufsehen erregte unlängst ein Paar, das mit einem Riesenwohnmobil in Savoyen auftauchte. Am Wagen prangte ein rot-gelbes Wappen mit der Aufschrift  «Normandie». Ein Weg von über 1000 Kilometern! Die Überraschung war gross, als die Reisenden herauskletterten. «Ich bin 89, mein Mann ist 90, berichtete die alte Dame, eine ehemalige Lehrerin. Ihr Mann sei früher Mechaniker und Carchauffeur gewesen. Die beiden kommen jedes Jahr. Chapeau!

 Zwei 90-Jährige mit ihrem Wohnmobil.

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