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Aufschwung nach dem Crash

Naturschauspiele und Geschichten aus Island (4): Reykjavik empfängt seine Touristen heute mit offenen Armen

Auf unserer Reise an der Westseite begegnen wir heissen Quellen, die aus dem Boden dampfen und die Sicht vernebeln, aber auch Gewächshäuser beheizen. In Reykholt führt uns Asi an den Rand eines historischen Hotpots, eines heissen Bads, das Snorri Sturluson (1179-1241) mit einem unterirdischen Gang zu seinem befestigten Haus erbauen liess. Wir erfahren, dass Snorri der Autor der Edda ist, der bedeutendsten Sammlung altnordischer Dichtung. Er war ein weitgereister Gelehrter und einflussreicher Politiker; er wurde wegen Unstimmigkeiten mit dem norwegischen König ermordet.

Der Hotpot mit seiner Geschichte aus dem Mittelalter

Reykholt lebt heute von Snorris Ruhm. Vor der grossen Bibliothek und Studiensammlung für mittelalterliche isländische Schriften erinnert eine Statue an den grossen Bürger des kleinen Orts. Es gibt noch eine hübsche alte Kirche zu besichtigen. „Die etwa sechzig Einwohner arbeiten fast alle für das einzige Hotel hier“, erklärt mir der Hoteldirektor. Ich verabschiede mich, unsere Rundreise geht bald zu Ende. Unterwegs tauchen immer mehr bewohnte Gebiete auf.

In Reykjavik lebt mit über 120’000 Einwohner mehr als ein Drittel der Gesamtbevölkerung

Bald treffen wir in Reykjavik ein, wo wir vor einer Woche losgefahren sind. Es bleiben noch ein paar Tage zum Flanieren an der Laugavegur, der Hauptstrasse mit den teuren Läden. Kaufen kann man sich hier dieselben Dinge wie zu Hause. Aber sie sind teuer, weil fast alles importiert werden muss. Ausnahmen sind Fisch, Schaffleisch und Wolle. Wer Freude am Stricken hat, findet eine grosse Auswahl an günstiger Wolle in Spezialgeschäften. Man kann sich dort beraten lassen, erhält Strickmuster, auch in Englisch. Regelmässig erscheint ein isländisches Strickheft. Wenn man dieses durchgeblättert hat, entdeckt man beim Flanieren dieselben Muster auf den Pullovern der Passanten. In der Regel sind es fantasievolle Variationen des Rundpasses, des isländischen Rundmusters um den Halsausschnitt. Die Isländerinnen stricken seit je her und bringen die Pullover in die Läden, wo sie verkauft werden. Es werden auch Strickreisen angeboten, eine Woche Abenteuer und Stricken unter Anleitung. Ein Besuch der Harpa, des 2011 eröffneten Konzert- und Konferenzhauses am Hafen, bringt uns in die Moderne. Die silberglänzende Struktur entspricht der sechseckigen Wabenform und erinnert an die Basaltsäulen in der Natur.

Blick aufs Meer durch die Wände der Harpa

Das speziell verwendete Farbeffektglas der Fassade erzeugt je nach Lichteinfall und Blickwinkel ein lebendiges Farbspiel. Ich könnte stundenlang davor sitzen und auf das offene Meer hinausschauen. 

Das Konzerthaus Harpa 

Bei meinen Erkundungen durch Reykjavik mache ich einen Zwischenhalt in einem Kaffeehaus. Kaffee ist Islands Nationalgetränk. Überall und immer steht ein voller Kaffeekrug oder eine Kaffeemaschine bereit, dabei kann es durchaus auch Pulverkaffee sein. Lakritzen gibt es im Supermarkt in unendlich vielen Kombinationen und man muss sie unbedingt probieren, auch wenn man sie nicht besonders mag. Sie gehören zu den isländischen Spezialitäten. Den Stand mit den besten knusprigen Hotdogs am Hafen erkennt man an der langen Warteschlange. Es lohnt sich, dafür etwas Geduld aufzubringen. Weitere Spezialitäten wie Fisch und Schaffleisch gibt es in den zahlreichen Restaurants in allen Preiskategorien. Nachdem ich unterwegs die natürlich beheizten Gewächshäuser gesehen habe, wundere ich mich nicht mehr über das frische Gemüse und die Salate, die überall serviert werden.

Eine Besonderheit sind die Duschen im Hotel. An den schwefligen Geruch der heissen Brause muss man sich etwas gewöhnen. Dabei bin ich schon froh, wenn das Mischventil mit dem kalten Wasser funktioniert und ich mich nicht verbrühe. Das kalte Wasser ist frisch und schmeckt ausgezeichnet.

Badespass für Einheimische und Gäste

Ich besuche ein einfaches städtisches Bad mit mehreren Hotpots, Wasserbecken mit unterschiedlichen Temperaturen. Nur wenige Badegäste wärmen sich darin. Schulkinder tummeln sich im grossen Bad. Es kommt mir vor wie in den 1950er Jahren zuhause. Der zeitgemässe Gegensatz ist die Blaue Lagune, ein riesiges modernes Freiluftbad nahe dem Flughafen. Hier bade ich wie in einem dampfenden Thermalbad. An einer Ausgabestelle kann ich mir sogar weissen Schlamm reichen lassen und ins Gesicht schmieren. Es wirkt Wunder: Meine Haut fühlt sich hinterher tief gereinigt und zart an. Ich könnte dort auch gleich die ganze Kosmetiklinie mit verschiedenen Cremen und Masken erwerben. Island hat den Tourismus für sich entdeckt und ist damit aus der Finanzkrise von 2008 gekommen. 

finanzkrise island

Die Spekulanten gibt es – hoffentlich – nur noch als Grafitti und Skulpturen

In Reykjavik fühle ich mich wie zu Hause. Vielleicht auch, weil vieles nicht so perfekt ist. Asi hat uns auf der Rundreise einmal erzählt, dass es in Island gut 300‘000 Einwohner gibt, wovon zwei Drittel in der Hauptstadt leben. Und diese Menschen müssen den ganzen modernen Staat mit der notwendigen Infrastruktur aufrechterhalten, mit Krankenhäusern, Flughafen, Sicherheit usw. Jeder Isländer sei in mehreren Bereichen tätig. Jeder sei angewiesen auf einen, den er kennt, der ihm vielleicht einmal hilft, wenn er sein Haus renovieren will. Durch dieses enge soziale Netzwerk sei es überhaupt möglich, dass alles mehr oder weniger funktioniert. Mein Respekt dafür, wie die Isländer das bewältigen, ist gross, und ich bewundere ihre Originalität, die des öftern auf Hauswänden ihren künstlerischen Ausdruck findet. 

Deckblatt einer isländischen Abschrift der Snorra-Edda des Snorri Sturluson aus dem Jahr 1666

Übrigens sollen neben den 300‘000 Menschen rund 500‘000 Schafe auf der Insel leben; über die Anzahl Pferde hat Asi nichts gesagt. Aber kein Pferd, das ins Ausland reist, darf je wieder zurückkommen. Zu gross wäre die Gefahr, dass eingeschleppte Krankheiten eine Epidemie auslösen könnten. Im Gegensatz dazu kehren die menschlichen Isländer nach ihrem Studium in der Fremde gerne in ihre Heimat zurück. Und auch Gunnar wollte sich nicht von seiner Heimat trennen. Als Geächteter hätte er in die Berge fliehen oder wie in jüngeren Jahren eine Zeitlang auf dem Kontinent verschwinden können. Aber als alternder Held sah er seinem Schicksal mutig entgegen. Von seinem letzten Kampf berichten die Legenden noch heute.

Logo unter Verwendung eines Satellitenbilds der NASA-Fotogalerie Visible Earth
Fotos © Ruth Vuilleumier
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