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Chasperlitheater

Nach dem glanzvollen Eröffnungsfest erlebte „Der Freischütz“ von Carl Maria von Weber im Zürcher Opernhaus eine szenisch entschlackte, sowohl originelle wie disparate Saisonpremiere.

Nach Ruth Berghaus und Nikolaus Harnoncourt in der Spielzeit 1992/93 nun Herbert Fritsch und Marc Albrecht. Konnte das gut gehen? Musikalisch ja, szenisch leider nein. Fritsch bleibt Fritsch: Wer den Regisseur, eines der Knallbonbons der Theater- und Opernszene, holt, sucht neue Wege der Vermittlung. Das ist einerseits mutig, anderseits aber auch ein Seiltanz an Unwägbarkeit. Die deutschtümelnde „Nationaloper“ Freischütz, die Jägerlatein, die Wolfsschlucht und den deutschen Wald zelebriert, neu zu deuten, ist sicher eine Erfordernis der Stunde. Aber den Teufel an Marionettenfäden und Seilen als ewig feixenden „Kaspar“ herumturnen zu lassen, sich jede erdenkliche Albernheit auszudenken, die Nase an jeder Ecke plattzurennen, etwas «Cirque du soleil» einzubauen und das Volk als ewig trotteligen Haufen vorzuführen, genügt als Entschlackungskur noch nicht, schon gar nicht, wenn sich die Neuinszenierung an Berghaus messen soll. So heftig ist ein Regisseur schon lange nicht mehr ausgebuht worden.

MAX: Christopher Ventris, AGATHE: Lise Davidson, Ännchen: Melissa Petit

Wenn Fritsch „Die Physiker“ im Schauspielhaus in einer aufgedonnerten Klapsmühle spielen lässt, handkehrum im Opernhaus in Purcells „King Arthur“ die Ritterrüstungen per Slapstick klirren und sich jetzt wieder in ausufernden Hanswurstiaden gefällt, dann kommt mir der 65-jährige als ewig pubertierender Jüngling vor, der auch im Textheft Sätze von sich gibt wie: „Ich wusste, dass das ganze method-acting, der vermeintliche Realismus, der aus tiefer emotionaler Einfühlung erwachsen soll, völlig ballaballa ist.“ Wie bitte? Er, der die oft weggelassenen oder gekürzten Dialoge wieder auferstehen lässt, „geniesst es“, dass die vielen nicht deutschsprachigen Sänger „mit starkem Akzent sprechen… Ist das nicht auch eine Form der viel beschworenen Integration?“ Freude, schöner Götterfunken!  „Quietschbunt“ als Markenzeichen, die Provokation einkalkuliert. Diesmal lässt er sich beim Schlussapplaus als Leiche wie Kaspar hereintragen und geniesst die Buhrufe ostentativ.

Die Kirche bleibt nicht im Dorf

Kein Baum, kein Wald, keine Wolfsschlucht, nur ein gelbes Kirchlein mit rotem Kirchendach auf grüner Drehfläche: „Ich räume das alles ab.“ Diesbezüglich hat er recht. Fritsch zeichnet für die Inszenierung wie für das Bühnenbild verantwortlich und besticht bei der Chorführung wie beim Ensemble durchaus mit einer flüssigen Choreographie, aber auch reichlich überdrehter Charakterzeichnung. Wenn da  nur nicht ständig seine Marotten… na, lassen wir das. Dass die romantische Idylle aus dem Lot ist, zeigt sich schon bald mal, wenn der Kirchturm davon schwebt, er zum Schlot wird, auf dem der Teufel sein Räuchlein qualmt. Das Gotteshaus ist nichts als eine Blumentapetenstube mit einem Sog ins Irrationale, Hintergründige.

Das Hauptproblem besteht darin, dass Fritsch der Musik nicht über den Weg zu trauen scheint. Statt der Ouvertüre, einem Herzstück der Oper, zuzuhören, lässt er per Video eine Zielscheibe in halluzinösen Schwingungen kreisen, dass einem Hören und Sehen vergehen. Man merkt die Absicht und ist verstimmt.

Agathe ist des Teufels

Die farbenfroh putzigen Guckkasten-Figuren in den Kostümen von Victoria Behr sind allerdings wieder ein Hingucker, die rauschigen Reifröcke von Agathe ein Augenschmaus. Dass die Regie den Teufel zum Schluss unter der Robe verschwinden und in Rauch aufgehen lässt und Agathe im Schlussakkord mit einem Höllenschrei «des Teufels ist», ist Fritsch pur gegen den Strich gebürstet. Warum nicht.

Agathe und die Brautjungfern / Fotos: Hans Jörg Michel

Und Marc Albrecht und die Sängerschar? Der Dirigent gehört zur ersten Garde profunder Kenner der Opernliteratur. Wie er in Zürich die  „Soldaten“  dirigierte, war phänomenal. Er weiss die Philharmonia Zürich mit stupender Verve, mit agiler, erdiger, in allen Registern wunderbar aufblühender Balance durch die Wogen der Romantik gleiten zu lassen. Chor und Solisten werden nie zugedeckt, sie entfalten allesamt einen stimmigen, irisierenden Wohlklang.

Die junge Norwegerin Lise Davidsen feierte als Agathe einen noch jungen Triumph, und Max, der leidgeprüfte Brautanwärter mit den Schiesshemmungen (Christopher Ventris), suchte nach seinen Bayreuth-Auftritten auf der bedeutend kleineren Bühne noch etwas die Dosierung, wusste aber ebenso einzunehmen wie die quirlige Mélissa Petit (Ännchen), Christof Fischesser (ein grandioser Kaspar), Oliver Widmer (Fürst Ottokar), Pavel Daniluk (Vater Kuno), Florian Anderer (Teufel Samiel) und Wenwei Zhang (Eremit). Besonders lobenswert ist auch die Choreinstudierung durch Jürg Hämmerli. Schon wieder Ohren auf und Augen zu? Leider.

Weitere Vorstellungen: September 21, 25, Oktober 2, 5, 9, 13, 16, 19, 22

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