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Claude Adrien Helvétius

Ein gerader Rechtsanwalt, gerecht und ohne üble Launen, ein beachtenswerter Philosoph, ein Vertreter des Sensualismus und des Hedonismus

Es ist das Los der Herrscher, Royals, Politiker, Künstler, neuerdings auch der Promi-Stars, dass sie mit ihrem Leben – über den Tod hinaus – auf die Waage gelegt werden, wo Hohes und Tiefes, Licht und Schatten ihres Daseins verrechnet, interpretiert und verurteilt wird.

Dazu gehörte auch Claude Adrien Helvétius (in nichtlateinisierter Form: Schweizer). Als der französische Philosoph im Jahr 1771 starb, hiess es in einem Nachruf, die Welt habe einen vorzeitigen Verlust erfahren. «Wenn es den Ausdruck ‹art de vivre› nicht gäbe, man müsste ihn allein seinetwegen erfinden.»

Gerecht soll er gewesen sein, ohne üble Launen, ein verlässlicher Freund. Claude, das war ein gerader Rechtsanwalt, ein beachtenswerter Philosoph, ein Vertreter des Sensualismus und des Hedonismus. Einer, der über ein immens grosses Vermögen verfügen konnte. Ausdrücklich erwähnt werden seine noble Gesinnung und seine grosszügige Freigebigkeit. «Mehreren Künstlern bot er ein Auskommen.“

Eine Grabrede gab es nicht.

Die Kirchenvertreter empörten sich heftig über den Inhalt seines Werkes «De l’esprit». Ein Skandal! Selbst über Sätze wie z.B. diesen: «Ein jeder sieht wohl das, was er sieht. Niemand setzt genug Misstrauen in die eigene Unwissenheit …» Aber auch solche Sprüche wie: «Jede Art von Religion ist ein absichtlicher Priesterbetrug.» Ein Skandal!

Dazu kam auch noch eine revolutionäre Position, die Helvétius vertrat, die selbst seinen besten Freunden zu radikal war.

«Ruhe sanft».

Da erschien Wochen später ein weiterer Nachruf. Inhalt: «Im Grunde war dieser Claude A. Helvétius ein notorischer, gewissenloser Schürzenjäger gewesen, ein verlogener Weiberheld, unfähig zu feineren Empfindungen, ein sittenloser Sexualmechaniker…Ich habe sagen hören, das sei lange Jahre hindurch regelmässig seine erste und letzte Tagesbeschäftigung gewesen, unbeschadet der Gelegenheiten, die sich ihm sonst geboten haben. Nie glaubte er an die Sittlichkeit der Frauen, hielt die sinnliche Erfüllung für das Ziel allen Tuns.“

Helvétius heiratete.

Im Jahr 1751. Anne-Catherine de Ligniville. Ohne kirchlichen Segen. Mit einem Ehevertrag. Anne-Catherine heiratete den beühmten Aufklärer – Philosophen C&A Helvétius, den sie im Salon ihrer Tante kennenlernte.

Es gab einen weiteren «Nachruf», anonym versteht sich. Viel Gerede, viele Vermutungen und noch mehr Warnungen, grenzenlos. Doch seine charmante, kluge Anne-Catherine hat es offenbar gut verstanden, zusammen mit ihrem Claude allezeit glückselig zu sein.

Und wenn sie nicht gestorben sind …

Ein Autor, Johann G. Heinzmann, recherchierte für ein Buch «Historisches Bilderbuch des Edlen und Schönen aus dem Leben würdiger Frauenzimmer». Darin ist auch von den beiden die Rede. Von ihm, Claude Adrien Helvétius und von ihr, seiner Ehefrau Anne-Catherine Helvétius.

Aus dem Buch nur einige Zeilen:

„Sie lebte mit ihrem guten Gatten die glücklichste Ehe, in Wohlwollen gegen alle Menschen. Diese würdige Gattin eines grossen Gelehrten zeichnete sich durch Geist und Empfindung rühmlich aus». …/ «Die Frau unterhielt eine Apotheke, woraus jeder Kranke des Dorfes die Arznei umsonst haben konnte / Die beiden besuchten die Leidenden im Ort, sorgten für ihre gute Bedienung»… / «Diese vortreffliche Familie ernährte mehr als dryhundert Arme auf ihren Gütern / Er widmete sich ganz seiner klugen, anziehenden Frau und der Wissenschaft.»

Helvétius, zitiert aus seinem philosophischen Werk «De l’esprit» (1758):

«Alle Menschen haben die Glückseligkeit in sich wohnen / Von der Natur vorgegeben ist die sinnliche Lust / Die Sinnesempfindungen sind der Ursprung jeder geistigen Tätigkeit / Jeder Mensch hat es selbst in der Hand, sich zu formen / Der Mensch wird stumpf, sobald er aufhört, leidenschaftlich zu sein.»

«Der Mensch …strebt nach Lust und nach Vermeidung von Unlust, so dass der Egoismus die Quelle allen Handelns ist / Was in der physischen Welt das Bewegungsgesetz ist, ist in der geistigen Welt das Interesse / Es bedürfe nur der richtigen Aufklärung, um die Menschheit von der drückenden Last aller Vorurteile zu befreien und ein besseres, von der Vernunft regiertes Zeitalter allgemeiner Glückseligkeit herauszuführen».

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