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Das unfassbare Instrument Stimme

Zwei Primadonnen ihrer Zeit gaben in Basel Einblicke in ihr ‹Imperium›, also ihre Stimme, und deren Einsatz in Oper und Liedgestaltung: Gundula Janowitz und Brigitte Fassbaender.

Die lyrische Sopranistin Gundula Janowitz, 80, und die vielseitige Mezzosopranistin Brigitte Fassbaender, 79, öffneten nicht nur für einen Meisterkurs für Mitglieder der «OperAvenir» am Theater Basel den Schatz ihres grossen Wissens und Könnens. Sie gaben auch bei einer öffentlichen Begegnung dem breiteren Publikum Gelegenheit, sie in einem sehr persönlich und locker geführten Gespräch näher kennen zu lernen. Die Lockerheit basierte auch auf der Tatsache, dass sich die beiden Sängerinnen deutscher Zunge nicht nur seit mehr als 50 Jahren kennen, sondern auch miteinander befreundet sind.

Zwei gegensätzliche Persönlichkeiten

Und doch könnte man sich keinen grösseren Gegensatz vorstellen, als die Persönlichkeit der beiden.

Die Österreicherin Gundula Janowitz, deren unfassbar glockenreiner, fast vibratoloser Sopran schon sehr früh von Herbert von Karajan entdeckt worden war und damit der Grundstein einer internationalen Karriere gelegt war, strahlt auf der Bühne Besonnenheit, Bescheidenheit und ruhige Gelassenheit aus, verbunden mit charmantem, überraschend aufblitzendem Witz in ihren Statements.

Ein Bild aus alten Zeiten: Gundula Janowitz als Fiordiligi und Brigitte Fassbaender als Dorabella in Mozarts «Cosi fan tutte»

Ihr gegenüber die temperamentvolle, pointiert argumentierende Berlinerin Brigitte Fassbaender, welche die Laufbahn der meisten jungen Sängerinnen und Sänger eingeschlagen und sich von Rolle zu Rolle, von Theater zu Theater zu internationalem Ruhm hochgearbeitet hatte. Bis ihr – wie auch Gundula Janowitz – neben vielen anderen Auszeichnungen eine der ehrenvollsten der Opernwelt zuteil geworden ist: der Titel einer österreichischen Kammersängerin.

Singen, singen, singen

Damit fing der späte Nachmittag auf der Kleinen Bühne des Theaters Basel auch an: Als der etwas hilflos moderierende Stephen Delaney, Leiter von OperAvenir, seine erste Frage mit «Sehr verehrte Frau Kammersängerin . . .» einleitete, nahm Fassbaender das Mikrophon zur Hand und fragte: «Welche Kammersängerin meinen Sie jetzt?»

Gundula Janowitz

Beide Sängerinnen erzählten von ihren ersten Anfängen. Janowitz führte die Zauberflöte schon als Kind im Wohnzimmer ihrer Eltern auf und stand zum ersten Mal mit 10 Jahren in Richard Wagners «Meistersinger» auf der Bühne. «Und so blieb es mein ganzes Leben lang», sagt Janowitz, «Ich wollte nur singen, singen, singen!» Was ihr dann ja auch auf überwältigende Weise gelang, obwohl sie bewusst nie aus ihrem lyrischen Fach herausgetreten ist und damit ihrer Stimme nie schadete.

Denn «zu diesem Instrument müssen wir Sorge tragen – es ist ein Instrument, das man weder sehen noch anfassen kann.» Musikalisches Zentrum blieb die Wiener Klassik. Sie beendete ihre Opernkarriere 1987 am Ort ihres Hauptwirkens, an der Wiener Staatsoper. Danach widmete sie sich, wie auch Fassbaender, bis heute der Förderung des musikalischen Nachwuchses.

Brigitte Fassbänder, welche anfänglich, wie sie sagt, in ihrem ersten Engagement an der Bayerischen Staatsoper bis zu sieben Mal pro Woche auf der Bühne gestanden hatte, wurde in immer grösseren Partien eingesetzt. So führte sie der Weg von der winzigen Rolle eines Blumenmädchens in Mozarts «Figaros Hochzeit» hin zur Rolle des Cherubino. Und damit zeichnete sich auch eines der grossen Talente der lyrischen Mezzosopranistin ab: androgyne Rollen zu verkörpern, Hosenrollen, wie man im Fachjargon sagt. Diese Entwicklung krönte sie mit der lange Jahre weltweit bejubelten und auch verfilmten Interpretation des Grafen Octavian im «Rosenkavalier» von Richard Strauss.

Tränen im Publikum

Beide Sängerinnen spielen sich an diesem Nachmittag vergnügliche Erinnerungsbälle aus ihren Anfangszeiten zu, wie die der Lift-Episode: «Ich hätte als Anfängerin nie gewagt, in den gleichen Lift zu steigen, in der die Primadonna zur Bühne rauffuhr.» – «Da hätten wir auch gar nicht mehr reingepasst . . .» Die Zuordnung dieser beiden Sätze dürfte nicht schwer fallen. Aber auch von späteren Erlebnissen berichten sie, als sie bemerkten, dass Menschen in ihren Konzerten in Tränen ausbrachen. Auch auf dem Gebiet des Oratoriums und vor allem des Liedgesanges griffen jede auf ihre Weise den Menschen ans Herz. Das Lied ist zwar für beide Sängerinnen sehr wichtig, wurde jedoch zu Fassbaenders eigentlicher Domäne.

Brigitte Fassbaender

Für Fassbaender ist, das merkt man bei jedem Wort, sowohl im Lied als auch in der Oper, der Text, der dichterische Inhalt gleich wichtig wie die Musik. So wurde sie auch zum europäischen Prototyp der singenden Schauspielerin.

Was jedoch die Künstlerin auch heute noch so energisch und quicklebendig sein lässt, ist ihre ab 1989 erfolgte Hinwendung zur Regie von Oper und Schauspiel, die sie – unter anderem nach einer wichtigen 13jährigen Phase als Intendantin und Regisseurin des Tiroler Landestheaters in Innsbruck – heute noch an viele Bühnen führt. So hat sie – mit ihren 79 Jahren – für die laufende Saison für vier Produktionen abgeschlossen. «Mir schwindelt», ruft Gundula Janowitz da aus. Uns schwindelt auch, aber vor Bewunderung vor diesen beiden grossen Stars ihrer Zeit.

Und während ich bei der Videoeinspielung der von faszinierender Ruhe und Sehnsucht getragenen Gräfin-Arie aus Figaros Hochzeit mit Gundula Janowitz eine Bewegung neben mir im atemlos zuhörenden Publikum spüre, bemerke ich, dass sich mein Banknachbar verstohlen eine Träne aus dem Auge wischt. Nur einige Minuten später aber, bei Fassbaenders unübertroffenen Interpretation in der Filmeinspielung des Prinzen Orlowsky aus der «Fledermaus» von Johann Strauss, reisst es das Basler Publikum hoch zu Standing Ovations – eben «ein echter Rausschmeisser» im Bühnenjargon von zwei alten jungen Damen der Musikgeschichte.

 

Alle Fotos:  © Theater Basel
Titelbild: «Music Background» (everybody)  © wikimedia.org

 

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