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Den Stier bei den Hörnern packen

SSR Herbsttagung zum Reformpaket des Bundesrates zur Altersvorsorge 2020

Nationalrätin Ruth Humbel mit Eugen Fricker, Verein der Pensionierten St.Gallen (v.r.)

Der Schweizerische Seniorenrat SSR unterstützt die Vorlage Reform Altersvorsorge 2020. Das Reformpaket soll als Ganzes behandelt werden. Der SSR warnt davor, einzelne Elemente aus dem Paket herauszubrechen und damit den Rest der Vorlage zu gefährden. Und wehrt sich gegen die Absicht des Bundesrates, den Bundesbeitrag an die AHV zu flexibilisieren und zu senken.

Das Reformpaket geht Ende 2014 an das Parlament. Der SSR hat als Beratungsorgan des Bundesrates in Altersfragen an der Vernehmlassung teilgenommen. An der Herbsttagung in Biel vom12. November haben sich 150 Mitglieder des SSR über die Vorlage informiert.

Gewitter in Sicht ab 2024

Bild: Nadine Schüpbach, BSV; Dr. Jürg Brechbühl, Direktor des Bundesamtes für Sozialversicherungen BSV und Moderator Théo Bouchat (v.r.)

Noch stehe unser 3-Säulen-Modell vor sonnigem Hintergrund, bestätigt Jürg Brechbühl, der Vater der Vorlage. Die AHV hat in den letzten zwei Jahren Überschüsse erzielt, und das vor allem dank gut verdienender ausländischer Mitarbeiter, welche AHV-Beiträge auf ihrem vollem Lohn zahlen.

Drohende Wolken brauen sich zusammen ab etwa 2024 durch die steigende Lebenserwartung und durch die Altersstruktur der Bevölkerung, mit der Pensionierung der grossen Gruppe der Babyboomer.

Mit der Vorlage wird das Referenzalter für den Altersrücktritt für Frauen und Männer auf  65 Jahre vereinheitlich. Der Altersrücktritt wird mit verschiedenen Anpassungen flexibilisiert. Eine Zusatzfinanzierung soll das Leistungsniveau für die Übergangsgeneration sichern. Vorgeschlagen werden  2 % Mehrwertsteuer, nach Bedarf schrittweise eingeführt.

Bei der Beruflichen Vorsorge (BVG) muss der Mindestumwandlungssatz von heute 6,8 % schrittweise auf 6 % gesenkt werden. Diese Anpassung ist unumgänglich und im SSR unbestritten, auch wenn ähnliche Vorlagen in den letzten Jahren vom Volk abgelehnt wurden.

Die Vorlage werde keinen Beifallssturm auslösen, mutmasst Jürg Brechbühl. Doch wirke das Parlament ja sehr kreativ. Es sei richtig, die Probleme zu analysieren. Allerdings sollten die Schlüsselelemente bewahrt werden.

Weitere Anpassungen und die Eckdaten des Bundesrates

Das Reformpaket als Ganzes behandeln

Bild: Michel Pillonel, Co-Präsident SSR, Dr. Hans Rudolf Schuppisser, SSR und Martin Kaiser, Schweiz. Arbeitgeberverband (v.l.)

Aus der Podiumsdiskussion: Mit dem Reformpaket als Ganzes wird das bewährte 3-Säulen-System der Altersvorsorge erhalten. Die Einwanderung darf nicht begrenzt werden. Gewerkschaften können flexible Altersrücktritte für besonders belastete Arbeitnehmer aushandeln. Noch fehlen Lösungen für die Altersrenten für Teilzeitarbeitende, vor allem für Arbeitnehmerinnen mit mehreren Teilzeitstellen.

Die Ergänzungsleistungen als vierte Säule?

Nadine Schüpbach, Mitarbeiterin im Bereich AHV des BSV,  informiert über Entwicklung und Probleme bei den Ergänzungsleistungen. Als Übergangsleistung gedacht, seit 1966 in Kraft und 1972 in der Verfassung verankert, garantieren die Beiträge der Ergänzungsleistungen heute das individuelle Existenzminimum. Rund 50 % der Leistungen werden zur Finanzierung von Heimaufenthalten aufgewendet. Die Ausgaben haben sich seit 1998 verdoppelt, trotzdem der Leitsatz von CHF 1601 für den allgemeinen Lebensbedarf seit 2001 nicht mehr angepasst worden ist.

Wollte man die Leistungen reduzieren, so müssten Pflegeversicherungen oder andere effiziente Modelle zur Finanzierung der Langzeitpflege geschaffen werden. Die Ergänzungsleistungen werden von der Reformvorlage nicht betroffen.

Die finanziellen Ressourcen der Rentnerinnen und Rentner

Um die sozialpolitischen Massnahmen auf die Bedürfnisse der Rentner abzustimmen, sammelt Philippe Wanner von der Universität Genf Daten über die finanziellen Ressourcen von Menschen im letzten Lebensabschnitt. Die AHV, die Ergänzungsleistungen und die zweite Säule halten das Armutsniveau älterer Menschen verhältnismässig niedrig. Zudem haben Menschen, die jetzt ins Pensionsalter kommen, die Zeit des Wirtschaftsbooms erlebt und von der Vollbeschäftigung und der Integration in den Arbeitsmarkt profitiert. Die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen und die Sozialpolitik haben den Wohlstand der Generation verbessert, die heute das Rentenalter erreicht.

Dennoch sind enorme Herausforderungen zu bewältigen, um die Effizienz der Altersversicherung parallel zur demografischen Alterung auf dem heutigen Niveau zu halten. Ein Anteil von Rentnerinnen und Rentnern verfügt immer noch über äusserst knappe finanzielle Ressourcen. Davon betroffen sind Personen, die keiner Pensionskasse angeschlossen sind und keine volle AHV-Rente beziehen, weil Beitragsleistungen fehlen (Mütter, Migranten, die während der Erwerbsphase einwanderten). Armutsgefährdet sind auch von Arbeitslosigkeit betroffene Menschen, Alleinerziehende mit erhöhtem Verschuldungsrisiko und knappen Ressourcen und einzelne Gruppen von IV-Rentenbezügerinnen und -bezügern. Die Sozialversicherung muss sich dieser neuen Realität anpassen.

Bild: Karl Vögeli, Co-Präsident SSR, mit Werner Schärer, Pro Senectute Schweiz, als Gast (v.r.)

Altersvorsorge unter Druck?

Nationalrätin Ruth Humbel verneint den zeitlichen Druck: Die AHV ist kein Sanierungsfall. Wir haben Zeit. Es sollte möglich sein, die Revision in vier Jahren durch die Räte zu bringen. Das Reformpaket betrifft die zukünftigen Rentnerinnen und Rentner und die Sicherheit ihrer Renten. Bestehende Renten sind nicht betroffen. Die zweite Säule als Altersvorsorge sei ein Erfolgsmodell. Der Zugang der Frauen zu Renten müsse verbessert werden (bei Teilzeitarbeit). Der Pflichtteil der BVG sollte nur noch als Rente bezogen werden können.

Es gebe in dieser Vorlage wenig Spielraum für ein kreatives Parlament, erklärt Nationalrat Stéphane Rossini. Wichtig sei, die Entscheidungsprozesse in einem grösseren Kontext darzustellen. Rund um die AHV habe man zu oft mit falschen Prognosen die Angst vor deren Pleite geschürt. Statt der Schwarzmalerei wäre es besser, dass AHV und BVG gemeinsam handeln: Die Renten müssen verbessert werden. Würden die AHV-Renten erhöht, so könnte man die Ergänzungsleistungen herunterfahren.

Was ist berechenbar?

In der Podiumsdiskussion messen sich die Nationalräte Ruth Humbel und Stéphane Rossini mit Martin Kaiser vom Schweizerischen Arbeitgeberverband. Kaiser befürchtet, dass BR Berset das Reformpaket überladen und von seinen Vorgängern falsche Daten übernommen hat. Anpassungen sind notwendig, doch sollte nichts auf Vorrat beschlossen werden. Die Kassen der Versicherungen werden auch vom Arbeitsmarkt beeinflusst. Eine Lösung durch Zuwanderer könnte täuschen: Alle Länder in der EU leiden an Demografie. Kaiser unterstützt eine Anpassung des BVG-Mindestsatzes und das Referenzalter von 65 für Mann und Frau.

Laut Ruth Humbel ist die Zahl der Babyboomer berechenbar, nicht aber die Zahl der gut qualifizierten Zuwanderer, welche der AHV heute einen Gewinn von 2 Mia Franken bringen. Um 2020 ist eine Unterdeckung der AHV zu erwarten. Mit der Reform wird eine stabile Grundlage für zukünftige Rentner geschaffen.

Für Rossini müsste ein Konsens für diese Vorlage möglich sein. Wichtig sind ihm die Flexibilisierung des Rentenalters mit der Möglichkeit zum vorzeitigen Rentenantritt. Statt mit Ängsten zu spielen, sollte man Fachexperten beiziehen und Vertrauen aufbauen, auch unter den Jungen.

Umfrage des SSR zur Rentensicherheit

Karl Vögeli, Co-Präsident des SSR, gibt ein momentanes Stimmungsbild zur Rentensicherheit. 42 % der 30-Jährigen beurteilen die BVG als unsicher. 22 % der befragten Rentner leben mit einem Einkommen, das zu mehr als 50 % aus der AHV-Rente besteht. Die Aufhebung der Witwenrente für Frauen ohne Kinder wird abgelehnt. Der Bund soll weiterhin 20 % der AHV-Ausgaben übernehmen.

Den Stier bei den Hörnern packen

Michel Pillonel, Co-Präsident des SSR, unterstützt das Massnahmenpaket zur Reform der Altersvorsorge 2020. Der Bundesrat verspricht, die Renten zu garantieren. Die Migration ist wichtig. Es gilt alle Karten auf den Tisch zu legen. Transparenz schafft Vertrauen. Die Vorlage werde keinen Generationenkonflikt heraufbeschwören. Pillonel erinnert an Leistungen von über 12 Mia Franken, welche die pensionierten Frauen und Männer mit Freiwilligenarbeit für die Gesellschaft erbringen.

SSR Schweizerischer Seniorenrat

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