StartseiteMagazinKulturDer Film als Spiegel der Wahrheit

Der Film als Spiegel der Wahrheit

„241 Filme, die das Alter deuten“ Dokumentation von Hanspeter Stalder

Hanspeter Stalder (Fotos Rolf Löber)

Grosses Interesse für die Veranstaltung zum Projekt „241 Filme, die das Alter deuten“, eine Zusammenstellung von Filmen zum Thema Alter von Hanspeter Stalder, am 29. Februar in der Bibliothek von Pro Senectute Schweiz in Zürich. Keiner wisse so viel über die Darstellung des Alters im Film wie Hanspeter Stalder, erklärt Bibliotheksleiterin Lisa Wyss Ribi.  Ein Glücksfall, dass seine Dokumentation von 241 Filmen auf www.seniorweb.ch publiziert wird und die Bibliothek von Pro Senectute parallel dazu ein Booklet mit diesen Filmbesprechungen abgibt. Pro Senectute verleiht einen Grossteil der 241 Filme auf DVD.

Lisa Wyss Ribi, Bibliothek Pro Senectute ZürichBild rechts: Lisa Wyss Ribi, Leiterin der Bibliothek Pro Senectute Schweiz, Zürich

In seiner Ansprache (im Volltextpubliziert) nennt Stalder in 13 Punkten, wie die Filme das eigene Altersbild und die Altersarbeit bereichern. Stalder respektiert zwar Wissenschaft und Können, möchte sie jedoch mit Kunst und Können, dem Lebenskünstler und der eigenen Erfahrung ergänzt haben. Er plädiert für den vermehrten Einbezug von Künstlern in die Altersarbeit, auch von Laien oder Amateuren mit ihren einmaligen Lebensgeschichten. Sie sind es, die in guten Filmen das Befreiende, Wohltuende auslösen. Stalder liebt Wortspiele: Der Film wecke Erinnerungen, Vermutungen, Hoffnungen, mache «erfahren», indem man nach Günther Anders „durch eine Landschaft fahre“. Die Medien bringen Bilder, Abbilder, die zu Vorbildern oder im Idealfall zu Sinnbildern werden. Und Medien bringen Nachrichten, nach denen man sich richtet.

Der Film in der Altersarbeit

Stefan Kandera von Pro Senectute zeigt Sequenzen zum Thema „Partnerschaft“ aus den Filmen „Heute ist nicht morgen “, „Lugares Comunes (2003)“ und „Giulias Verschwinden“ und dokumentiert damit, wie mit einem Film ein Einstieg in eine Diskussion bemacht oder ein Thema vertieft werden kann. Wie man die Filme in der Altersarbeit praktisch anwenden kann, das wollten die Gäste der Vernissage in der Diskussion erfahren. Wir fragen Hanspeter Stalder:

SW: Wie kommt man zu soviel Wissen über Film und Alter? Wieso hast du dich dem Film verschrieben?

Hanspeter Stalder: Das ist eine lange, eine persönliche Geschichte. Ich bin Einzelkind, bekam wenig Anregung von meinen Eltern, war eher ein Einzelgänger. Bücher waren mein Tor zur Welt. «Das Wunderwerk der Natur» von einem gewissen Herrn Weber war mein erstes Buch, in dem ich immer wieder las. Ich sehe den plastifizierten Gitterli-Umschlag noch immer vor mir. Ich glaubte damals, Sachbücher (Non-Fiction) enthalten die Wahrheit, Romane seien erfunden und erlogen. Später, als ich ins Kino gehen durfte, wurden mir die erfundenen Geschichten (Fiction) zur neuen Quelle der Wahrheit oder besser Wahrheiten. Meine erste Filmkritik schrieb ich in den «Zuger Nachrichten» über «Orfeo negro» von Marcel Camus, weil ich glaubte, der einzige Mensch zu sein, der in der verwandtschaftlichen Beziehung von Marcel und Albert Camus die existentialistische Deutung des Films gefunden hat. Und dann ging es los: Jeden Montag, wenn in Zug ein guter Film lief, schrieb ich nachts meine Kritik und radelte damit frühmorgens, vor dem Unterricht im Lehrerseminar, in die Redaktion. Sie erschienen alle unter dem Logo des «Filmkreis Zug», für den ich damals arbeitete. Dann folgten sechs Jahre als Werkstudent beim «Filmberater» im Katholischen Filmbüro, wo ich als ersten Film «Försterchristel» zu rezensieren hatte.

Gustav Rady Gast 142 Filme AltersdeutungBild: Gustav Rady, Film- und TV-Regisseur anlässlich der Vernissage

SW: Pro Senectute Schweiz verfügt über eine Filmsammlung, die du aufgebaut hast. Was hat dich zu dieser Arbeit bewogen?

HS: Nach meiner Beschäftigung im Bereich der Film- und später Medienerziehung in Schule und Jugendarbeit habe ich relativ früh erkannt, dass das Medium Film sich auch in der Altersarbeit gut eignet. In der AV-Medienstelle, die ich von 1979 bis 1999 bei Pro Senectute Schweiz aufbauen konnte, verfolgte ich folgende Ziele:

  1. Filme (und TV-Sendungen), die das Alter betreffen, sammeln und katalogisieren.
  2. diese in regelmässigen Visionierungen den Interessierten vorstellen
  3. dazu mediendidaktische Kurse anbieten und Materialien erstellen
  4. für Pro Senectute und andere Organisationen Filme und andere AV-Medien zu Altersthemen produzieren, co-produzieren, sponsern, beratend unterstützen sowie Fernsehsendungen für insgesamt weit mehr eine Million Franken unterstützen
  5. offen sein für neue Entwicklungen, so habe ich, zusammen mit meinem Sohn, der damals noch Lehrling war, beim Einstieg von Pro Senectute ins Internet mitgewirkt.

SW: 1970 waren die Jugendunruhen und die junge Generation im Gespräch. Seit wann hast du dich mit Filmen zum Alter befasst?

HS: Von 1968 bis 1974 war ich Leiter der bei Pro Juventute angesiedelten Schweizerischen Arbeitsgemeinschaft Jugend und Film (später Jugend und Massenmedien). Ich war auch 1964 Mitautor der «Kleinen Filmkunde», 1974 von «Film und Fernsehen», sechs Jahre lang Chefredaktor des zweisprachigen «av-bulletin» und gab Kurse für Medienpädagogik und verfasste Publikationen über Medienerziehung. Dann gründete ich aus dem Geiste der 68er-Bewegung die AV-Alternativen, deren Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen in der ganzen Schweiz Kurse gaben und publizistisch tätig waren. Während etwa dreissig Jahren war ich Gastdozent in fast allen deutschsprachigen Sozialen Schulen und Lehrerseminarien, bis ich dann, z. T. parallel dazu, in die Altersarbeit bei Pro Senectute einstieg und dort unter anderen vor etwa zwölf Jahren das Seniorweb mitentwickeln konnte. Und heute darf ich als Kulturredaktor für Seniorweb meiner Leidenschaft, mich mit Filmen auseinandersetzen, weiterfrönen, obwohl ich inzwischen, so glaube ich wenigstens, nicht mehr so sehr ein Einzelgänger bin …

SW: Die Filmtechnik hat sich in den letzten Jahrzehnten stark verändert. Beeinflusst die Technik die Aussage der Filme?

Hanspeter Stalder 142 Filme AltersdeutungBild: Hanspeter Stalder als aufmerksamer Zuhörer

HS: Ja und nein. Das Sein beeinflusst bekanntlich das Bewusstsein und das Bewusstsein beeinflusst das Sein. Das Kino kam vom Jahrmarkt. Méliès und Lumière waren dort beheimatet. Dann haben Künstler wie Carné, Eisenstein, Flaherty und Griffith und andere der Technik des Jahrmarktes den Geist der siebten Kunst eingehaucht. Und heute ist beispielsweise der 3-D-Film der neue Medienjahrmarkt Hollywoods und ist Youtube & Co die neue Mediendemokratie. Ob dieser neuen Technik, Wirtschaft und Demokratie wieder ein neuer Geist eingehaucht wird, weiss ich nicht. Wenders und Scorsese mit ihren 3-D-Versuchen überzeugen mich (noch) nicht, der Arabische Frühling mit seiner neuen Kommunikation schon eher.

SW: Junge Menschen reden heute anders als wir vor 40 Jahren. Auch in der Literatur ist ein neuer Sprachstil eingezogen. Haben sich Bilder und Sprache auch im Film verändert?

HS: Selbstverständlich hat sich auch der Film verändert. Eine fundamentale Änderung, die auf den ersten Blick während der letzten Jahre festzustellen ist: das Tempo im Mainstreamfilm und im Arthousefilm, in der Tagesschau und im Facebook. Doch zu jedem Trend gibt es immer auch Gegentrends. Paul Virilio und andere kritisieren diese Beschleunigung, verschiedene Filmemacher filmen dagegen an. Eine weitere Änderung ist die immer grössere Kommerzialisierung. Wen solls wundern, wenn das ganze Leben vom Geld regiert wird (Bildung, Sex, Kultur), warum dann nicht auch der Film?

SW: Ich bin ein Fan deiner Filmbesprechungen, wohne in der Nähe eines Landkinos und sehe mir die meisten dieser Filme an. Ist die Dokumentation „Filme, die das Alter deuten“ jetzt abgeschlossen oder wirst du sie mit den neuen Filmen erweitern?

HP: Das Tolle am Internet, auch an der Dokumentation «Filme, die das Alter deuten» auf Seniorweb, ist doch, dass diese Dokumentation täglich ergänzt und verändert werden könnte. Doch was wir künftig konkret machen, wie oft die Dokumentation aktualisiert wird, halbjährlich, vierteljährlich oder häufiger, darüber wird noch diskutiert. Ich habe bereits wieder fünf Besprechungen vorliegen, und Pro Senectute wird wohl in der nächsten Zeit einige Dutzend neuer DVDs bestellen. Im Seniorweb und in der Bibliothek von Pro Senectute wird dies zur gegebenen Zeit kommuniziert.

Einigermassen auf dem Laufenden halten möchte ich die Leserinnen und Leser des Seniorweb mit meinen Filmbesprechungen im Magazin oder als Blog über das Angebot empfehlenswerter Filme in den Kinos, die auch Seniorinnen und Senioren interessieren dürften, nicht nur von «Filmen, die das Alter deuten».

SW: Danke für die Antworten. Wir freuen uns auf die nächsten Filme.

Links:

Dokumentation «241 Filme, die das Alter deuten»

«Mit Filmen sein Altersbild und die Altersarbeit bereichern»
Ansprache von Hanspeter Stalder zur Vernissage in der Bibliothek Pro Senectute Schweiz

Pro Senectute Schweiz – Bibliothek und Dokumentation

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