StartseiteMagazinKulturDer Kosmos des Robert Walser

Der Kosmos des Robert Walser

Ruedi Häusermann nimmt uns auf eine musiktheatralische Wanderung mit.

Zufall oder Methode? Alle 10 Jahre gibt Regisseur und Musiker Ruedi Häusermann seiner Sehnsucht nach, einen Abend mit seinem Lieblingsdichter zu erfinden nach: 1994 und 2004 gab es Robert Walser, 2014 nun der dritte Streich. Diesmal ist es eine musiktheatralische Durchwanderung, so der Untertitel des Abends im Zürcher Schauspielhauses.

«Der Träumer ist gradezu ein raffinierter Könner»

Im Programmheft sagt Häusermann über Walser: «Ich finde bei ihm Einsichten, die mir vertraut scheinen, die ich selbst aber nie so in Worte hätte fassen können.» Es sind die einfachen Dinge des Alltags, dargestellt in einer genauen Sprache, welche einem neue Einsichten erschliessen.

Dreimal Walser: (von links) Ursin, Neuenschwander,  Brömmelmeier 

Drei Schauspieler dazu vier Musiker mit Streichinstrumenten und Stimmen – das ist Ruedi Häusermanns Truppe für seinen Walser-Abend. Die Texte werden erzählt, am Tisch, an der Rampe, im Hintergrund, die Musik, komponiert vom Regisseur, erklingt da und dort und immer wieder. Dazu ein flexibles Bühnenbild – mal Dichtermansarde, mal Büro, mal Landschaft zum Durchwandern – und ganz viel Effekte der Bühnen- und Lichttechnik. Das Experimentieren macht dem Regisseur und seinen Leuten wirklich Spass, wer ist denn kein Homo ludens? So wird es ein wunderbarer Abend – versponnen und witzig, melancholisch und burlesk, anrührend und hinterhältig – eben typisch Robert Walser mit Ruedi Häusermann.

Gewiss, es gibt eine Geschichte, welche die unterschiedlichsten Prosastücke zum Dichten, zum Wandern, zum Fressen und zum Arbeitverweigern zusammenhält: Da bekommt der zu Lebzeiten immer in Geldnöten steckende Robert Walser 1920 ein Engagement für eine Lesung im Zürcher Literaturzirkel am Hottingerplatz. Walser wandert zu Fuss von Biel quer durch das Land nach Zürich. Am Ende schliesst sich der Kreis, den Moderator  in einer Art Prolog vorwegnimmt: Walser darf seine Texte nicht selber vortragen im Lesezirkel – er könne kein Deutsch. Auf der Wanderung stülpt sich das ganze Leben des Dichters aus: die Naturbeschreibungen in allen Jahreszeiten, das prekäre Dasein eines Autors, der Job als Hilfsbuchhalter in einer Bank, der auch mal länger austritt, um seine Arbeit ja nicht machen zu müssen, der gescheiterte Versuch, in der Literatenszene von Berlin anzukommen, das leise Ende im Schnee beim Spaziergang. Dazwischen immer wieder Reflexionen übers Natur, über Musik, über Begegnungen und über den Schreibprozess.

«Schärfen, Ecken und Spitzen sind zugeschneit.»

Michael Neuenschwander-Walser sagt, „dass es mir eine Tatsache zu sein scheint, Schreiben ginge gleichsam Hand in Hand mit dem Leben; es ist mit ihm verflochten; meiner Ansicht nach darf und soll das so sein.“ Oder auf den Vorwurf, man sehe ihn häufig flanieren, was sich nicht gut ausnimmt: „Ich verdiene mein tägliches Brot durch Denken, Grübeln, Bohren, Graben, Sinnen, Dichten, Untersuchen, Forschen und Spazieren so sauer wie irgendeiner.“ Oder was Herwig Ursin-Walser bitter enttäuscht von der Rezeption seines Werks, über die überreizten „sensationslüsternen Neuigkeitsschnapper, den Menschen, die fast jede Minute nach irgend noch nie dagewesenen Genüssen lüsten, sagt: „Für solche Leute dichtet der Dichter keinesfalls, wie der Musiker nicht Musik für sie macht und der Maler nicht für sie malt.“

Herwig Ursin, Michael Neuenschwander, Klaus Brömmelmeier; hinten: Sara Hubrich, Josa Gerhard, Christoph Hampe, Benedikt Bindewald.

Häusermann kennt die Textlandschaften die er mit uns durchwandert. Noch während wir überlegen, ob wir uns darauf einlassen sollen, oder ob es gar zu langweilig sei, hat er uns mitgenommen, uns in eine Welt der Texte und Klänge geführt, die wir am Ende ungern verlassen. Es gibt viel zu lachen, mitunter auch nur leise, mit dem Hilfsbuchhalter-Text wird ein sehr schräges Stück Arbeitswelt vorgeführt, wobei das Grotesk-pompöse schweizerischer Zeremonien mit Blasmusik auf Pauken, Akkordeon und Streichinstrumenten – Leichenzug für einen toten Bundesrat – noch einen draufsetzt.

«…dass ich hier gleichzeitig scherze und ernsthaft bin.»

Häusermanns Projekt entsteht bei der Textauswahl und beim Komponieren während der Walserlektüre. Wenn aber die Denkarbeit für die Struktur und das Bühnenbild da sind, wird auf der Bühne weitergesucht und gefunden, wird immer wieder neues probiert und improvisiert, werden die Einsichten des Robert auf das Dasein zu Einsichten des Ruedi auf das Theater. Das führt schliesslich in eine unaufgeregte Leichtigkeit ohne Krampf und Bemühung. Auch technische Gags wie das ruckelige Heranfahren der Notenständer oder das Inbetriebsetzen der Tonmaschine mit Vogelgezwitscher fürs Überlandwandern vor der Kulissenwand mit Wangen oder Lenzburg ergeben sich einfach so.

Brömmelmeier, Ursin (verdeckt) und das Streichquartett

Witzig, unerwartet und berührend auch die Kompositionen, es ist Neue Musik für Menschen, welche der Erforschung von ungewöhnlichen Klängen auf herkömmlichen Instrumenten folgen wollen, wobei ihnen das mit eingängiger Melodieführung auch mal erleichtert wird. Ruedi Häusermann vertont keine Texte, aber er sucht den Austausch, den Dialog zwischen Worten und Tönen.

Ein leiser Abend voller Humor und Spielfreude, getragen von der Liebe zu den Texten, welche der Regisseur ausgewählt und den Schauspielern und Musikern weiterreicht – da wird die Durchwanderung zum kurzweiligen, auch hinterhältigen und zugleich besinnlich-melancholischen Erlebnis vom komischen Anfang bis zum stimmigen Ende – Klaus Brömmelmeiers Lesung des Prosastücks vom Schneien, vom weissen Mantel, der sich über alles und jeden breitet. Sinngedicht zu Sterben und Tod.

Fotos/Copyright: Toni Suter / T+T Fotografie
(Zwischentitel-Zitate stammen aus dem Stück)

Robert Walser. Eine musikalischtheatralische Durchwanderung.Uraufführung
Regie Ruedi Häusermann / Komposition Ruedi Häusermann / Bühne Bettina Meyer / Kostüme Barbara Maier
Mit Benedikt Bindewald, Klaus Brömmelmeier, Josa Gerhard, Christoph Hampe, Sara Hubrich, Michael Neuenschwander, Herwig Ursin

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