StartseiteMagazinKolumnenDer Mensch – ein Neinsager?

Der Mensch – ein Neinsager?

Was ist aus der Selbstverantwortung des Menschen geworden?

 

Während des Ersten Weltkriegs herrschte eine heftige Diskussion über die Herkunft und Abstammung des Menschen. Der Verhaltensforscher Wolfgang Köhler (1887 – 1967) führte auf  Teneriffa Experimente mit Schimpansen durch und fand, dass sie eine Werkzeugintelligenz besitzen. Sie waren in der Lage, Mittel einzusetzen, um eine Frucht zu erlangen. Im Käfig hängte er eine Banane auf, die der Schimpanse nicht mit einem Sprung erreichen konnte. Der Affe schaute sich um, entdeckte in einer Ecke Kisten und stellte eine direkt unter die Banane, stieg hinauf und riss sie von der Schnur. Als sie noch höher gezogen wurde, ergriff er eine weitere Kiste, machte einen kleinen Turm und kam zum Erfolg. Köhler attestierte den Schimpansen Intelligenz. Sofort erhob sich eine erregte Diskussion mit der Frage, was die Tiere von den Menschen unterscheide. An der Intelligenz allein konnte es nicht liegen.

 

1917 erschien das kleine Werk „Die Stellung des Menschen im Kosmos“ von Max Scheler (1874 – 1920). Der Autor behauptete, der Mensch unterscheide sich von hochentwickelten Tieren durch die Fähigkeit, Nein sagen zu können. Das Tier, das seinem Instinkt, seinem Drang und seinem Lebenswillen folge, müsse seinen Trieben gehorchen. Es habe keine andere Wahl. Es sei triebgesteuert. Der Mensch aber könne seine Triebe aufschieben. Ein Begehren, ausgelöst vom Sexualtrieb, könne er sogar verneinen. Natürlich ist dies nicht das einzige Merkmal, das ihn von den Tieren unterscheidet, aber doch ein sehr auffälliges. Das Tier ist und bleibt seinen Trieben gegenüber ein Ja-Sager.

 

Diese schlichte Formel Schelers sollten wir uns im Zeitalter von Facebook, Twitter, iPhone und Smartphone wieder einmal in Erinnerung rufen. Wenn wir bedenken, wie der grosse Twitterer Donald Trump bei jedem seiner missliebigen Gefühle, bei jeder von ihm interpretierten Beleidigung, sogar googelt, wie er von den Socal media eingeschätzt wird, und es passt ihm nicht, was er liest, sofort twittert, so ist er offenbar nicht in der Lage seine triebhafte Unruhe zu beherrschen. An diesem Beispiel können wir lernen, wie sehr der Mensch auch zum Nein sagen erzogen werden muss. Was da alles vom mächtigsten Mann in die Welt hinaus gespuckt wird, ist unerträglich. Eltern haben allen Grund, die Kinder zum Nein-sagen zu erziehen, damit sie nicht zu krankhaften Plapperern werden.

 

Interessant in diesem Zusammenhang ist eine Beobachtung von Sigmund Freud, dem Entdecker der Tiefenpsychologie. Kultur entstehe durch Triebverzicht, behauptet er. Gemeint ist, wer sich seinen Trieben hilflos ausliefere, sei nicht in der Lage, ein ordentliches, schöpferisches Leben zu führen. Kultur verlange, dass der Mensch seine Triebe in den Griff bekomme. Wer Triebe sofort befriedige, Wünsche nicht zugunsten des Lernens und Arbeitens aufschieben könne, erreiche wenig im Leben. Der junge Mensch versagt so bei Prüfungen, scheitert in der Lehre und im Studium, ist nicht in der Lage, gute Leistungen zu erbringen oder ein Geschäft zu führen. Verfolgt man in Biographien, wie grosse Werke aller Art entstehen, bleibt unbestritten, dass ein Aufschub der momentanen Triebbefriedigung für ihr Entstehen zwingend ist. Wir beobachten, wie erfolgreiche Nationen im internationalen Konkurrenzkampf bestehen. Der Welterfolg der Chinesen kann nicht anders als durch enormen Fleiss erklärt werden.

 

Angesichts des umgreifenden Konsumismus und der saturierten Wohlstandsgesellschaft ist die Gefahr gross, sich als Ja-Sager bequem einzurichten. Das Wort Selbstverantwortung haben viele aus ihrem Vokabular gestrichen. Sie glauben, die Trauben würden ihnen in den Mund hängen. Ist dies nicht der Fall, beschleicht sie das Gefühl, der Staat versage, er lasse sie allein. Nun ist der Staat natürlich nicht ein Grossverteiler, und die Bundesräte sind nicht einfach Ressortleiter einer Verkaufsabteilung, die dafür zu schauen haben, dass alles Wünschbare vorhanden ist. Wer die Initiativen der letzten Jahre und die Vorstellungen ihrer Initianten verfolgt, die glauben, die Verfassung habe die Bürger vor allem Möglichen zu schützen und zu bewahren, bekommt allmählich ein klares Bild von der Anspruchshaltung vieler Menschen. Eigentlich wäre jeder vernünftige Mensch auch ein Nein-Sager, und er könnte lernen zu verzichten, damit ihm das Leben gelingt. Dass der Staat jetzt auch noch dafür sorgen soll, welcher Apfel einem nachhaltigen Standard entspricht, ist geradezu absurd.

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