StartseiteMagazinKulturDie Alchemie des Tanzes

Die Alchemie des Tanzes

Himmel und Erde, Feuer und Wasser, Dualität und Gegensatz – die neue Ballettproduktion am Zürcher Opernhaus ist voller Spannung, voller Erzähllust und vielfach berückend schön.

Bereits die Ausgangslage ist spannend: Ein Choreografenpaar – Sol León und Paul Lightfoot – und eine Choreografin – Crystal Pite – gestalten den zweiteiligen Ballettabend «Emergence» und spüren den Strukturen des Tanzes nach. Auf sehr unterschiedliche, aber gleichermassen spannende Art und Weise.

Bienen oder doch Ameisen?

Während León und Lightfoot in ihrem 1999 im Nederlands Dans Theater uraufgeführten Ballett «Speak for Yourself» Erde und Himmel vereinen, verlegt Crystal Pite ihren Kosmos ins Innere, als Integration von Individuen in ein grösseres, komplexes Ganzes. Vom Bienenstaat spricht Pite da – obwohl die schwarz gekleideten, staksigen Ballerinen viel eher an Ameisen erinnern – einem komplexen Kollektiv ohne Hierarchie und Konkurrenzdruck, das sich immer neu formiert und definiert, rein aus der Bewegung und der Musik, dem Rhythmus heraus.

Die Tänzerinnen im Line Dance-Modus, die Tänzer als «Zwischenwesen» zwischen Mensch und Insekt – Chrystal Pite bringt spannende Strukturen auf die Bühne. Alle Bilder Opernhaus Zürich/Gregory Batardon)

«Emergence», das dem ganzen Ballettabend den Titel gibt, entstand 2009 als erste «grosse» Produktion der quirligen Choreografin Pite und sie legt ihre ganze Lust an Assoziationen, ihre Freude an der Bewegung auch, in das Stück.

Metamorphosen

Das Ballett Zürich, ergänzt durch Mitglieder des Junior Balletts – insgesamt 36 Tanzende – nimmt ihre Intentionen technisch perfekt auf, wird zur zwischen Mensch und Insekt oszillierenden Metamorphose, die ihre Ergänzung in der Musik des kanadischen Komponisten Owen Belton findet.

Dessen Wechsel von Marschklängen zu flirrenden, knisternden, sirrenden Tönen führt die Tanzenden in ein Zwischenreich, wo der Einzelne kaum etwas, das Kollektiv alles zählt. Im Bühnenbild von Jay Gower Taylor ist eigentlich ein Ameisenstaat angedeutet: Bühnenhohe Gräser, zwischen denen sich ab und an eine runde Öffnung zeigt – leuchtende Eingangsröhre zum Bau oder dunkler Tunnel zur Aussenwelt.

Wunderschöne Bilder, kraftvoll und technisch ausgereift getanzt vom erweiterten Zürcher Ballett, das ist «Emergence».

Schön auch der Wechsel zwischen dem wogenden Meer von muskulösen Männerkörpern, die, sich am Boden duckend, unversehens an Insektenpanzer erinnern und den auf Spitze tanzenden, sich immer wieder zu Line Dance-Figuren formierenden Tänzerinnen. Das Ganze wirkt wie ein abstraktes, wunderschönes Klanggemälde, das durch eine magische Kraft immer wieder neu gestaltet wird. Kein Wunder, war das Publikum schwer begeistert.

Burn out auf der Bühne

Statt nach innen gerichtet, holt sich «»Speak of Yourself» zu Beginn des Abends seine Impulse aus dem Kosmos. Ein Tänzer, aus dessen Körper Rauch quillt, tritt auf und verteilt zur Klangcollage «Come out» von Steve Reich den Rauch auf der ganzen Bühne. Er wird, das sei vorweggenommen, nach einem zweiten Solo still im Hintergrund verschwinden. Ausgebrannt.

Dazwischen aber treten noch weitere Figuren auf, alle in demselben grauen Unisextrikot. Es ist eine kalte, unfrohe Welt, in der sich die Tanzenden zu den Minimal Music-Klängen von Steve Reich und Johann Sebastian Bachs erster und letzter Fuge aus seinem Werk «Kunst der Fuge» bewegen.

Der Regen als Symbol für neues Leben, das aus verbrannter Erde wächst: «Speak for Yourself» setzt das Thema voller Poesie um.

Die harten Pianoklänge schneiden wie scharfe Messer Löcher in diesen Kosmos – und verstummen im Fragment der letzten, unvollendet gebliebenen Fuge. Die Tänzerinnen aber tanzen weiter und sorgen für den intensivsten Moment dieser Choreografie, die Sol León und Paul Lightfoot bereits 1999 geschaffen haben. Sie waren damals noch ein Paar und gerade Eltern geworden. Etwas von dieser Euphorie und der gleichzeitigen Überforderung ist noch heute spürbar in diesem Werk.

Regen bringt neues Leben

Und dann kommt der Regen. Ganz fein, in tausenden glitzernden Tropfen fällt er vom Bühnenhimmel und lässt die Natur, auch die menschliche, erwachen. Jetzt finden sich Paare, aus dem Chaos entsteht Nähe, Interaktion.

Und anders als 2016, als «Le sacre du printemps» von Edward Clug zumindest phasenweise als «Wasserballett» inszeniert wurde, wird hier trotz nassem Boden immer noch getanzt und die Sorgfalt, mit der die Tanzenden ihre Schritte setzen, ist stimmig, ja poetisch. Und spricht für sich selber.

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