StartseiteMagazinKulturDie Kunst der Frauen in Afrika

Die Kunst der Frauen in Afrika

„Perlkunst aus Afrika. Die Sammlung Mottas“ im Museum Rietberg: Erstmals stehen Künstlerinnen im Fokus der afrikanischen Kunstgeschichte.

Das Museum Rietberg in Zürich kann einen neuen Schatz zeigen: François Mottas hat ihm seine Sammlung Perlkunst aus dem südlichen Afrika geschenkt, rund 400 Objekte. In einer Sonderausstellung, die der Sammler selbst am liebsten „Quand les perles parlent“ betitelt hätte, sind nun rund 90 davon zu sehen, ergänzt durch einzelne Stücke aus dem Archiv sowie neuesten Kreationen eines südafrikanischen Modemachers, der sich an Mustern traditioneller Perlkunst inspiriert. Michaela Oberhofer, die Ausstellungsmacherin, freut sich sehr über die Schenkung, denn ihre erste berufliche Reise nach ihrem Stellenantritt vor vier Jahren führte sie zu François Mottas ins Welschland.

Zwillingsfigur mit Perlmantel. Yoruba-Künstler, Nigeria © Museum Rietberg, Geschenk François und Claire Mottas

Mottas und seine verstorbene Frau Claire sind Ende der 80er Jahre auf die Perlkunst aus dem südlichen Afrika als speziellen Sammlungsgegenstand geraten. Das erste Perlen-Objekt, das die beiden Afrikana-Sammler in ihren Bann zog, ist eine Zwillingsfigur mit Perlenmantel aus Nigeria, deren Ornat und Ausstattung auf ein königliches Umfeld weist.

François Mottas gibt Erklärungen vor einer Vitrine mit Objekten aus Ostafrika. 

Perlarbeiten galten zunächst nicht als klassische afrikanische Kunst, waren in Galerien kaum zu finden. Dagegen eröffnete das Internet reiche Möglichkeiten, wie Mottas, beim Aufbau der Ausstellung beteiligt, erzählt, denn im Netz böten nicht nur Händler oder Sammler, sondern auch Private ihre Erbstücke an. So konnte er seine Sammlung ausbauen. Ihm ist wichtig, auch die Geschichte der Objekte und die Geschichten hinter jeder einzelnen Kette, den Halsbändern, Puppen oder Schurzen zu kennen. Seine Erkenntnisse über Bedeutung, Wirkung, Botschaft jeden einzelnen Stücks hat er genau dokumentiert, so können die Perlen wirklich sprechen. Die Schmuckstücke, Masken, Gegenstände wie Hocker oder Behältnisse verraten einiges über ihre Träger und Besitzer, deren Status, Geschlecht, Botschaft („Liebesbriefe“), Prestige. Perlkunst ist in Afrika Sache von Frauen, also bleiben die Schöpferinnen der Kunstwerke meist anonym.

Aktuelle Mode aus Südafrika inspiriert von der Glasperlenkunst – im Hintergrund die wunderbare Weltkarte zum Perlenhandel von den Anfängen bis heute.

Who is the Artist? Wie heisst der Künstler? fragt das grösste Perlenkunstwerk in der Ausstellung. Ein gigantischer Chrällelivorhang, an dem sechs Perldesignerinnen aus Südafrika unter der Leitung von Anna Richerby und Laurence Tshimpaka Kapinga 348‘000 Perlen auf 580 Strängen zu einer Weltkarte verarbeiteten. Sie zeigt den globalen Handel mit Glasperlen seit 3000 v.Chr. – beeindruckend und voller Informationen über See- und Landwege, über Produktionsstätten und Handelszentren und vor allem eine wunderschöne Arbeit.

Schurz, Künstlerin der Süd-Sotho Region, Lesotho oder Südafrika (Drakensberge), 1880–1910. © Museum Rietberg, Geschenk François und Claire Mottas

In Südafrika, heute ein Hotspot der Modemacher, haben die Muster der traditionellen Glasperlenobjekte in der Stoff- und Strickmode einen festen Platz: Ins Rietberg eingeladen wurde das Label MaXhosa by Laduma. Seine erste Kollektion von Pullovern widmete Laduma Ngxokolo den frisch initiierten Xhosa-Männern. Dem Designer, der bei seiner Mutter, einer Perlenkünstlerin das Stricken gelernt hat, ist wichtig, das kulturelle Erbe nicht zu vergessen. Am Sonntag, 24. Juni ist er beim African Fashion Talk (in englisch) mit von der Partie.

Postkarte mit Zulu-Frau aus Südafrika. Fotograf unbekannt, 1918. © Museum Rietberg

Der Handel mit Glasperlen zieht sich seit deren Erfindung durch die Menschheitsgeschichte. Früheste Funde sind in Mesopotamien und Ägypten dokumentiert, südlich der Sahara tauchen Glasperlen im letzten Jahrhundert v. Chr. auf. Ein düsteres Kapitel in der Geschichte der Glasperlen ist die Rolle, die sie als Tauschmittel gegen Sklaven und Bodenschätze bei der Ausbeutung Afrikas spielten. Die europäischen Zentren der Produktion waren Venedig und Gablonz (Jablonec) in Tschechien. Eine Vitrine zeigt den „Rohstoff“ für die Kunstwerke, Musterkarten mit dem aktuellen Angebot an Glasperlen, sortiert nach Grösse und Farbe, ein Pfund blaue Seedbeads, kleine Perlen, die nach Gewicht gehandelt wurden, geeignet für flächige Perlwebereien, Millefioriperlen aus Murano und viele andere Typen, die sich in der Sammlung Mottas verarbeitet wiederfinden. In Afrika wurden die gleichen Glasperlen verarbeitet, mit denen wir einst für Tanten und Grossmütter mehr oder weniger hübsche Untersetzer oder Serviettenringe bastelten. Oder jene, die zu Hals- oder Armschmuck gefertigt auf den Warenmärkten als kunstgewerbliche Massenprodukte auftauchen. Übrigens gibt es auch im Museumsshop nebst Büchern Gegenstände und Schmuck aus Glasperlen zu kaufen, made in Africa.

Gefäss, Tabakdose. Künstler der Mfengu (Xhosa)-Region, Südafrika (Ostkap), 1900–1950. © Museum Rietberg, Geschenk François und Claire Mottas

Auch die traditionelle Perlkunst ist dem steten Wandel, der Mode unterworfen. Was bei den Maasai in Ostafrika heute als klassisch gilt, nämlich die farbenprächtigen Glasperlen-Ohrringe und -Halsreifen, gibt es erst seit rund 70 Jahren. Davor bestanden Kleidung und Schmuck der Maasai aus Leder und natürlichen Materialien, Pflanzenstängel, Kaurischnecken undsoweiter.

Wer sich vertieft mit der Perlenkunst aus Afrika auseinandersetzen möchte, dem sei die Begleitpublikation gleichen Namens für 39 Franken ans Herz gelegt, in der sich auch Sammler und Experte François Mottas äussert.

bis 21. Oktober
Informationen zur Ausstellung und den Veranstaltungen finden Sie auf der Homepage.
Im Rahmen der Zürcher Festspiele Schönheit und Wahnsinn bietet das Museum Rietberg auch die Ausstellung Monster, Teufel und Dämonen

Teaserbild: Halskette Kenia (nördlich), Turkana, vor 1975. © Museum Rietberg, Geschenk François und Claire Mottas.
Fotos aus der Ausstellung: E. Caflisch

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