StartseiteMagazinGesellschaftDie Tretmühle und das Glück

Die Tretmühle und das Glück

Die Ausstellung «Ist gut nicht gut genug?» im Vögele Kultur Zentrum hinterfragt die Selbstoptimierung, das Glücksideal und den Lebenssinn.

Kaum ein Verhalten prägt unsere Gesellschaft heute so sehr wie das Streben nach Verbesserung und nach Perfektion. Menschen setzen sich Ziele, lassen sich einbinden in die Maschinerie der Gesellschaft, messen und vergleichen ihre Leistungen. Ist das Ziel erreicht, so flacht das Glücksgefühl rasch ab. Unser wirklicher Anspruch aber sei, glücklich zu sein, erklärt Stiftungsratspräsidentin Monica Vögele zur Eröffnung der Ausstellung. Jeder brauche seine eigene Definition von Glück, um sich persönlich weiter zu entwickeln.

Sara Hepp, Tretmühle, 2015. Stahl und Aluminium auf Rädern Gold Pulverbeschichtung. Foto: Brigham Baker.

Selbstoptimierung als bereichernde Herausforderung oder als fragwürdiger Zwang? In diese Bandbreite haben die Kuratoren Simon Kobler und André Utzinger die Ausstellung angelegt. Für die Szenografie nutzen Philipp Graf und Martin Stillhard Elemente aus der Turnhalle, ein Schauplatz, der Menschen seit Schulzeiten ins Schwitzen gebracht hat. Sprossenwand,
Schwedenkästen, bunte Markierlinien aus Spielfeldern erinnern an Wettspiele.

Die verlockenden Verheissungen der Leistungssteigerung – höher, schneller, weiter – werden hinterfragt in den drei Bereichen Arbeit und Freizeit, Selbstdarstellung und Perfektion am Körper und Entwicklungspotenzial für unsere Kinder.

Freude am Vorwärtskommen

Selbstoptimierung war einst der Garant dafür, dass Individuen und Arten überleben, erklärt Motivationspsychologin Veronika Brandstätter im Interview. Mit den neuen technischen Möglichkeiten kann die Selbstoptimierung so breit und intensiv betrieben werden, dass sie Stress verursacht. Wer sich erfolgreich optimieren will, muss sich auf zwei oder drei Ziele festlegen, in den Bereichen, in welchen er sich persönlich weiter entwickeln möchte. Selbstoptimierung muss nicht unbedingt mit Arbeit und Ärmelhochkrempeln verbunden sein. Auch Gelassenheit, Warmherzigkeit und Offenheit können dazu gehören. Die Freude an der Veränderung ist wichtiger als der Vergleich mit andern und mit der Norm.

Huber.Huber, Energy 2016. Energydrink o.k., Scheintotenkopf, Zurrgurte. Foto: Manuela Matt

Der Optimierungsdruck aus der Arbeitswelt ist in die Freizeit übergeschwappt. Die Zeit fehlt, um zur Erholung einfach mal die Beine baumeln zu lassen. Freizeit wird zur Arbeit, sie wird gestaltet, Leistung mit Hilfe von Messbändern und Schrittzählern gemessen, das Potential erweitert mit Energydrinks und Neuro-Enhancern. Im Gegensatz dazu erklärt Pharmakopsychologe Boris Quednow in einem Video, für die maximale Leistung genüge ein ausgeschlafenes Hirn.

In der Ausstellung gibt es 26 Videos zur Selbstoptimierung und fünf Optimierungsstationen regen zur Aktivität an:
– Optimieren Sie Ihr Namensgedächtnis
– Verjüngen Sie Ihr Gesicht mit Grimassen
– Fertigen sie ihre körperliche Balance
– Entspannen Sie sich mit einer kurzen Meditation
– Trainieren Sie Ihre Geschicklichkeit und Effizienz

Eine Umfrage zu Stress und Erfüllung in Arbeit und Freizeit zeigt erstaunlicherweise, dass sich eine grosse Mehrheit der Befragten im Flow am Arbeitsplatz am glücklichsten fühlt. 

Der Körper als Projektionsfläche

In den weiten Bereich der Optimierungen, die sich unser Körper gefallen lässt, führt eine künstliche Menschenhaut, an der Wand aufgehängt wie ein Kuhfell, bestückt mit Kinesio Tapes und Tatoos. Darunter Pillentische, Bilder von Schönheitsoperationen, Videos mit Informationen von Fachleuten.

Dankbar für neue Technologien sind Menschen mit einer körperlichen Beeinträchtigung. Vorgestellt werden ein Sensor für Farberkennung und ein Kommunikationsgerät mit Augensteuerung, das Menschen mit einer Behinderung oder einer neurologischen Erkrankung alltägliche Fähigkeiten wie Sprechen, Telefonieren oder einen Computer bedienen wieder ermöglicht.

Im Alter gewinnt das Erhalten der Gesundheit an Bedeutung: Schnell bleiben steht vor schneller werden. Die Situation der alten Menschen wird im Bulletin zur Ausstellung von Ludwig Hasler humorvoll und liebenswürdig beschrieben. Der ins Alter gekommene, periodisch optimierte Leistungstyp kippe leicht ins Lächerliche. Er könne aufhören, sich auf Pseudo-Nützlichkeit zu trimmen, dürfe ganz Mensch sein, auch ein komischer Vogel, ein Sisyphus, der belustigt auf seinem Stein Platz nimmt, statt ihn nach oben zu wuchten, als Geniesser des Absurden im Menschentheater.

Natan Dvir, Once, 2014. Digital C.Print. Courtesy of the Artist. Copyright Natan Dvir

Überdimensionale Werbeplakate geben vor, was als schön und erstrebenswert gilt. Im Kontrast dazu Passanten, die zeigen, wie unrealistisch der Anspruch der Werbewelt ist.

Chancen für unsere Kinder

Ein beklemmendes Gefühl löst Agi Haines aus mit fiktiven chirurgischen Eingriffen an fünf Säuglingen aus Silikon. Sie fragt damit, welche Eingriffe Eltern ihren Kindern zumuten würden, um ihnen bessere Erfolgschancen im Leben zu sichern, und wer in Zukunft definieren wird, wann in der Medizin eine moralische Grenze überschritten werde.

Über Blutstropfen der Mutter können heute eine DNA Analyse und ein Dispositiv für genetische Krankheiten erstellt werden. Die Ergebnisse führen zu sogenannten Überschussinformationen. Sie verängstigen mehr als sie nützen. In Videos und im Bulletin informieren Fachleute wie Allan Guggenbühl, Birgit Langebartels und Margrit Stamm über Chancen und Nachteile der Frühförderung.

Jacob Dahlgren, I, the world, things, life, 2018, Vögele Kultur Zentrum, Interaktive Dart-Installation, Foto: Manuela Matt, 2018 © Pro Litteris, Zurich

In den letzten drei Räumen werden der Antrieb zur Auseinandersetzung mit sich selbst und das Aufbegehren als Gegenbewegung zum Selbstoptimierungsboom dargestellt. In fünf Garderoben ist Raum geschaffen, um nachzudenken über die eigene Richtung zu Zufriedenheit und Glück. Gleich dahinter eine Wand mit Dartscheiben und Pfeilen, die geworfen werden sollen. Jeder Wurf ist ein Treffer.

Das Schülerprojekt

Die Klasse FM1 der Fachmittelschule der Kantonsschule Ausserschwyz hat sich im Berufsfeld Pädagogik während mehreren Wochen mit dem Thema Selbstoptimierung auseinandergesetzt und Kurzfilme, Tonspuren. Bildstrecken und Interviews zu Schwerpunkten der Ausstellung erarbeitet, die auf einem eGuide zu finden sind, der aufs Smartphone heruntergeladen werden kann.

Ist gut nicht gut genug? Warum fordern wir so viel von uns?Ausstellung im Vögele Kultur Zentrum vom 27. Mai bis 30. September 2018

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