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Die Welt durch Frauenaugen angeschaut

Sollte es einen speziellen Blick von Schriftstellerinnen geben? In «Vollmond hinter fahlgelben Wolken» lesen wir Erzählungen von Autorinnen aus vier Kontinenten.

Viele der 29 Autorinnen aus Afrika, Asien, Nord- und Südamerika sind bisher in unserem Raum bekannt geworden. Assia Djebar hingegen, Algerierin, 1936 geboren, seit Jahrzehnten in Frankreich ansässig, geniesst mit ihrem reichen Werk auch bei uns einen guten Ruf. In die vorliegende Anthologie wurde eine besonders berührende Erzählung aufgenommen, Das Fahrrad. In der Ich-Form geschrieben, mag es eine Erinnerung der Autorin aus ihrer Kindheit sein: Das kleine Mädchen spielt im Hof, und eines Tages will sie das Fahrradfahren erlernen. Gerade in dem Moment, als sie mit Unterstützung des Sohnes ihrer Nachbarin spürt, dass es ihr nun gelingen würde, kommt ihr Vater nach Hause, befiehlt ihr abzusteigen und mit in die Wohnung zu kommen. – Ihr Vater möchte nicht, dass man ihre Beine sieht, wenn sie aufs Fahrrad steigt. Die Enttäuschung, ihre Verzweiflung über die Haltung des Vaters nagen noch lange an dem Mädchen. Für sie war es eine Verletzung, ja ein Trauma, das sie lange aufwühlte.

LiBeraturpreis – der «Friedenspreis» für schreibende Frauen

In vielen Erzählungen scheint auf, was Frauen an Schwierigkeiten zu bewältigen haben, an Widerwärtigkeiten ertragen müssen. Manchmal sind diese nichts als eingefahrene Gewohnheiten, so dass es nur der Kunst der schreibenden Frauen bedarf, um sie sichtbar zu machen. Diese Anthologie spannt einen Bogen über mehrere Generationen hinweg und öffnet den Blick auf die Verwerfungen des modernen Lebens rund um die Welt. Das Buch wurde von Anita Djafari, der Geschäftsleiterin von Litprom, dem das schweizerische Artlink angeschlossen ist, in Zusammenarbeit mit Juergen Boos zusammengestellt, zum Jubiläum der 30. Verleihung des LiBeraturpreises. Dieser Preis wird an schreibende Frauen aus Afrika, Asien, Lateinamerika und der arabischen Welt verliehen. Er gilt als «kleine Schwester» des renommierten Friedenspreises des Deutschen Buchhandels und will die vielfältigen Stimmen internationaler, außereuropäischer Schriftstellerinnen feiern. Denn nach wie vor ist die Förderung weiblicher Stimmen aus Asien, Afrika, Lateinamerika und der arabischen Welt alles andere als überflüssig. Der Züricher Unionsverlag, der seit Jahrzehnten mit Litprom zusammenarbeitet, unterstützt dieses Anliegen.

Verlorene Ideale in Afrika

Die schreibenden Frauen erzählen häufig von ihren Erfahrungen – den eigenen oder ähnlichen, und das kann ziemlich sarkastisch werden. Auch eine Rückkehr in die Heimat kann sich bittersüss anfühlen. Ama Ata Aidoo, Schriftstellerin und Politikerin, 1942 in Ghana geboren, erzählt von einer Witschaftswissenschaftlerin, die nach dem Studium als Dozentin zurückkehrt. Sie ereifert sich gegen die Mode der Afrikanerinnen, Perücken mit glatten Haaren zu tragen, und versucht, gegen den Strom zu schwimmen. Die Haare sind nicht das einzige, ihre Familie erwartet, dass sie zum Wohlstand beiträgt, ein Auto, einen Kühlschrank mitbringt. Fast auromatisch denkt sie an ihre eigene Studentenzeit, als man über die Revolution diskutierte, denkt daran, dass ihre Brüder und Freunde immer gesagt hatten, dass der Gedanke an eine Rückkehr in die Heimat beunruhigend sei. – Verloren gegangene Ideale im afrikanischen Umfeld.

Sich gegen Diskriminierung wehren

Patricia Grace, 1937 in Wellington, Neuseeland geboren, erzählt in einer feinen Geschichte von der jungen Rose, die sich als Studentin der Diskriminierung der Ureinwohner, zu denen ihre Familie gehört, bewusst wird und gelernt hat, sich mit passenden Worten dagegen zur Wehr zu setzen.

Die Südkoreanerin Han Kang, 1970 geboren, wurde durch ihren Roman Die Vegetarierinbekannt, für den sie 2016 den Man Booker International Prize erhielt. In dieser Anthologie lesen wir eine skurrile Geschichte, die als Variante des Romans gelten kann, als Versuch der Autorin, die Grenzen der Fantasie auszuloten. Die Früchte meiner Frau lässt sich am ehesten mit surrealistischen Werken im europäischen Raum vergleichen.

Der Lesespaziergang durch die Kontinente eröffnet uns Einblicke in andere Welten, die so ferne gar nicht sind. Die Themen, die uns Frauen ein Leben lang beschäftigen, egal, in welcher Lebensform wir uns befinden, um Beziehungen geht es eigentlich immer: Liebe, Ehe, Mutterschaft, Altern werden auch in diesen Erzählungen dargestellt. Ist es nicht oft der fremde Blick, der helfen kann, uns selbst mit mehr Klarheit und Freundlichkeit anzuschauen und unsere Ziele genauer zu definieren. – Für alle Lesefreundinnen und -freunde ein sehr empfehlenswertes Buch.

 

Anita Djafari und Juergen Boos (Hg.): Vollmond hinter fahlgelben Wolken.
2018 im Unionsverlag erschienen;
352 Seiten; UT 800.
ISBN 978-3-293-20800-1

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