StartseiteMagazinKulturEin Haus für Kunst und Genuss

Ein Haus für Kunst und Genuss

Zu Besuch im «Espace Culturel Moulin Grillon» in St-Ursanne

Auch wenn das winzige Städtchen St. Ursanne, Hauptort der zusammengeschlossenen Gemeinden Clos du-Doubs, nur rund 800 Einwohner zählt: Hier gibt’s auf engstem Raum erstaunlich viele Kulturinitiativen.

Vor den Toren der Stadt

Eine der jüngeren ist der «Espace culturel Moulin Grillon» vor den Toren der Stadt, gleich neben der Landi gelegen (hier darf frau wirklich von den Toren reden, ist doch St-Ursanne die einzige Schweizer Stadt, deren Kern nach wie vor ausschliesslich über die drei mittelalterlichen Tore betreten werden kann).

Von der Mühle, der Moulin, ist schon lange nichts mehr zu sehen, nur der Flurname ist geblieben. Doch die Grillen zirpen immer noch entlang den nahen Ufern des Flusses, des Doubs, für mich einer der romantischsten Flüsse der Schweiz, dessen Ufer zum Glück unter Naturschutz stehen.

Kunst am zweifelnden Fluss

Der Doubs (abgeleitet von la doute, der Zweifel) verdankt seinen Namen der Tatsache, dass er sich nach Meinung der Menschen dieser Region einfach nicht entscheiden konnte, in welche Richtung er fliessen soll.

Herbstlaubtreiben im Doubs bei St-Ursanne. Foto: © L.W

Entsprungen im Haut-Jura in der Franche Comté, also in Frankreich nahe der Schweizer Grenze, fliesst er eine grosse Strecke heftig mäandernd nach Osten in die Schweiz, «besinnt sich» dort plötzlich und ändert genau in St-Ursanne abrupt seine Richtung, um, zuerst nach Nordwesten und bald darauf südwestlich, wieder durch Frankreich zu fliessen. Schliesslich, nach 453 km Wegstrecke, aber nur 90 km von seiner Quelle entfernt, mündet er nahe Chalon-sur-Saône in die französische Saône, um mit ihr in die Rhône und mit dieser schliesslich ins Mittelmeer zu fliessen.

Gleichberechtigt in der Mühle

Ob die Bewohner des schmucken, 100-jährigen Hauses an der Route des Rangiers in St-Ursanne zweifeln, ob sie das Richtige tun? Es wird wohl so sein wie bei allen kreativen Menschen – dauernde Selbstbefragung fördert die schöpferischen Prozesse.

Espace culturel Moulin Grillon Foto: Peter Suter

Ob sie sich manchmal durch die Mühle gedreht fühlen, ist auch nicht anzunehmen. Sind sie doch alle Zehn hier gleichberechtigte Mieter, um ihren kunsthandwerklichen und künstlerischen Professionen nachzugehen. Diese reichen von Buchdruck und Buchbinderei über Malerei, Gitarrenbau und Musikproduktion bis zu den mehr leiblichen Genüssen zugewandten Gebieten wie Bierbrauerei oder Traiteur/Catering. Auch eine Osmologin und eine Physiotherapeutin sind hier eingemietet.

Kann das klappen?

Mit dem Wort «Miete» wird auch schon angedeutet, wie sich diese spezielle, kleine Gemeinschaft seit rund 5 Jahren finanziert. Zusätzlich kann man von einem günstigen Mietverhältnis mit dem Besitzer des Hauses, der Vernier SA, profitieren. Der Kanton Jura ist überhaupt nicht involviert, was denn doch bedauerlich erscheint. Aber der Verein scheint, mit einigen kleineren Sponsoren und Zuwendungen, auch ohne kantonale Hilfe recht gut zu funktionieren. Für nur CHF 30.- jährlich kann man zudem auch die Mitgliedschaft des Vereins erwerben.

Die Organisation der Vereinsaktivitäten läuft selbstverständlich bénévole, also ehrenamtlich. Pro Monat öffnet das ‹Moulin Grillon› seine Pforten für einen Tag der offenen Tür, und zwar jeweils am letzten Sonntag des Monats. Darüber hinaus gibt es auch sporadische andere Aktivitäten, vor allem Ausstellungen oder handwerkliche Vorführungen und musikalische Abende.

Aber genügt das, um zu überleben? Kann ein solch unbürokratischer Zusammenschluss von derart verschiedenen Persönlichkeiten auch reibungslos klappen? Und wie fing das überhaupt an? Die Start-Initiative kam von zwei jurassischen Frauen, von Monica Jäggli, der Buchdruckerein, und Viviane Touré, Ursinia-Mitglied, welche sich inzwischen, nach einigen Jahren der Aufbauarbeit, aus dem aktiven Geschehen wieder zurückgezogen hat. Aber sie konnte ihr inzwischen erfolgreich gewachsenes Projekt der Moulin Grillon getrost weitergeben.

Peter Suter, Präsident des Espace Culturel Moulin Grillon

Der ruhige Fels in der Brandung

Um herauszufinden, wie das heute, nach rund 10 Jahren, so läuft, habe ich den Typographen und Fotografen Peter Suter, welcher unter dem Künstlernamen Peter Sand arbeitet, an einem strahlend schönen Herbsttag in der Moulin Grillon besucht. Er ist derzeit Präsident des kleinen Vereines «Espace culturel Moulin Grillon», dessen Präsidentschaft er nach dem Rücktritt des vorigen Präsidenten Guillaume Stalder Anfang dieses Jahres übernommen hat.

Peter Suter, selbst bemerkenswert kreativ in seinen fast ins Abstrakte getriebenen Fotografien, scheint in seiner besonnenen Art der ruhige Fels in der Brandung so vieler Individualisten zu sein. Er selbst hat seine künstlerische Art des Sehens auf einer Pilgerreise nach Santiago di Compostela entdeckt und weiter entwickelt – eine Variante zwischen expressiver Malerei und Minimal Art, fotografisch umgesetzt.

«Frozen River» (aus der Serie ‹Expressionistische Fotografie›)  © 2018 Peter Sand

Wir treffen uns ausserhalb der Öffnungszeiten inmitten einer Bilderausstellung im Foyer im ersten Stock des Hauses. Alles hier strahlt Ruhe und Konzentration aus und ist doch gleichzeitig lässig entspannt – jurassisch eben. Im Jura geht man die Dinge philosophischer an – irgendwie wird’s schon klappen. Und soweit ich das hier sehen kann, arrangiert sich alles zum Besten, auch wenn der materielle Erfolg nicht der ausschlaggebende Faktor zu sein scheint. Man liebt, was man tut und man steht dazu.

St-Ursanne, ein Kulturstädtchen

St-Ursannes treibende kulturelle Kraft ist der Verein «Ursinia». Der Verein steht patronatsmässig hinter dem Ausstellungs- und Konzertwesen des Städtchens. Und er amtet auch im Hintergrund des Moulin Grillon, wenn auch nur in sehr loser Form. Direkt engagiert sich Ursinia bei der Organisation von diversen festlichen Manifestationen, aber vor allem bei Ausstellungen in der stimmmungsvollen kleinen Galerie «Le Caveau» und seit diesem Sommer auch in den stillgelegten Werkhallen der «Fours à chaux» (Kalköfen) sowie im beeindruckenden, schönen Kreuzgang des Klosters. In der Stiftskirche selber finden regelmässig Konzerte statt.

Südportal der Stiftskirche
St-Ursanne. Um 1200.
Foto: Peter Suter

Auf das kulturelle Highlight von Kirche und Stadt sei aber doch auch an dieser Stelle hingewiesen: Das romanische Südportal der Kirche aus dem 12./13. Jahrhundert, welches sogar zum Teil noch die Originalfarben aufweist. Für mich ist es das noch bemerkenswertere romanische Portal als jenes vielgerühmte Portal der Abtei von Romainmôtier im Waadtländer Jura.

Aber zurück zur Moulin Grillon. Als ich mich in der immer noch strahlenden Herbstsonne von Peter Suter verabschiede, denke ich an seine treffende Bemerkung: «Wir sind hier frei von Zwängen». Mögen die Götter von Kunst und Handwerk ein Auge auf das Haus und dessen bunte Mieterschaft haben!

Der nächste Besuchstag im Espace Moulin Grillon, die «porte ouverte», findet am Sonntag, 25. November, 14-18 Uhr statt.

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