Ein wahrer Doyen

Ein guter Menschenkenner, grossartiger Vollblutpolitiker und brillanter Redner: Meine Begegnungen mit dem Doyen im Bundeshaus.

Von Barbara Schmid-Federer, CVP-Nationalrätin

Am 21. Oktober 2007 wurde ich – wegen Zählpannen in Zürich erst spät in der Nacht – völlig überraschend als Quereinsteigerin in den Nationalrat gewählt: Ohne Ochsentour, ohne vorgängiges Amt in der Gemeinde, ohne Erfahrungen einer Kantonsrätin, ohne parlamentarische Vorkenntnisse. Gleich zu Beginn der neuen Legislatur machte ich den grössten Fehler, den ich beim Eintritt in einen neuen Rat machen konnte: Ich kämpfte nicht für zwei Sitze in zwei einflussreichen Kommissionen. Im Gegenteil. Während die GLP, welche damals eine Fraktionsgemeinschaft mit der CVP plante, alle wichtigen Fraktions-Kommissionssitze für sich beanspruchte, liess ich mich in die für eine nicht Juristin inadäquate Rechtskommission einteilen. Da sass ich nun – für volle 4 Jahre -, völlig überfordert und ohne Aussicht auf Besserung.

Im Nachhinein erwiesen sich diese 4 Jahre Rechtskommission in dreierlei Hinsicht als absoluter Gewinn, sowohl politisch als auch menschlich. Erstens konnte ich mir in dieser Zeit ein Fachwissen in Jurisprudenz aufbauen, welcher sich heute als unschätzbaren Wert entpuppt, denn solches Wissen ist immer und überall gefragt. Damit einher ging der Aufbau eines Netzwerks unter Juristen sämtlicher Couleur. Zweitens konnte ich zusammen mit den Kollegen Vischer, Jositsch, Fluri und Sommaruga an vorderster Front Angriffe gegen unseren Rechtsstaat und unsere Rechtsordnung abwehren. Drittens begegnete mir in der Rechtskommission ein Mensch, der mir half, den beschwerlichen Anfang ohne Schaden zu überstehen. Ein Doyen wurde zu meinem Freund und Mentor.

Der Doyen brachte mir das politische Handwerk bei, auch wenn wir in vielen Bereichen eine andere politische Einstellung hatten. Er zeigte mir, wie man Bauchgefühl und Dossierkenntnisse geschickt miteinander verbindet. Und natürlich trafen wir uns abends jeweils mit gemeinsamen Freunden zum gemütlichen Essen, um Gehörtes und Gesehenes auszutauschen. Der Doyen war ein guter Menschenkenner. Er war der einzige mir bekannte Vollblutpolitiker, der alle wichtigen Eigenschaften für einen grossartigen Politiker in sich vereinte. Er war ein brillanter Redner. Wenn er redete, wurde es oftmals still im Saal. Der Doyen war ein absoluter Menschenfreund, Politik war für ihn Lust und Leben. Er politisierte für die Sache, nie gegen, sondern immer mit den Menschen. Minderheiten zu schützen und den Rechtsstaat zu verteidigen stand dabei im Zentrum. Aufkeimende Gerüchte kannte er immer alle. Und nur er konnte unterscheiden, welches Gerücht im Kern wahr war und welches vollkommen an den Haaren herbeigezogen war. Langeweile hielt er nur schlecht aus.

Während ich jeweils tagelang über den Dossiers kniete und bis zum Umfallen studierte, schüttelte er sein enormes Wissen aus dem Ärmel, mit der Begabung eines Genies, der mit minimalstem Aufwand das grösstmögliche Wissen generierte. Immer mit Zeitung und Buch unter dem Arm. Ein wahrer Doyen.

Nun ist er von uns gegangen und fehlt. Daniel Vischer.

Am 17. Januar 2017 ist Daniel Vischer in Zürich verstorben.

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