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Geschaute Reisebeschreibungen

Die Tunisreise 1914 (Paul Klee, August Macke, Louis Moilliet), im Zentrum Paul Klee, Bern

„Wenn einer eine Reise tut…“ Im Jahr 1914 sind ihrer Drei auf Reisen. Sie erzählen in betörend gemalten Bildern, in fein gestrichelten Zeichnungen und in nostalgisch verfärbten Photographien, vornehmlich von August Macke. Einer erzählt mindestens auch mit Worten: Paul Klee in seinem Tagebuch. Die thematische Gliederung der Ausstellung trägt in jeder der einzelnen Abteilungen ein Zitat aus diesem Tagebuch als Motto. Zudem ist die ganze Reise samt Vorbereitungen und Meilensteinen nach deren Abschluss an einer Wand im Eingangsbereich der Ausstellung chronologisch dokumentiert.

Moilliet, St.Germain bei Tunis

Louis Moilliet, St. Germain bei Tunis, 1914, Aquarell auf Papier, Zentrum Paul Klee, Bern, © 2013 Pro Litteris, Zürich

Schon vor der gemeinsamen Studienreise 1914 und nachher noch mehrere Male reist Louis Moilliet (1880-1962) nach Tunesien. Zusammen mit Paul Klee (1879-1940) schliesst er die Schulzeit  in Bern mit der Matura am Literarischen Gymnasium ab.

Im Hause Moilliet in Gunten BE lernt Klee August Macke (1887-1914) kennen, der nach der Tunesienreise am 26.09.1914 in der Champagne fällt. 1913 zieht die Familie Macke nach Hilterfingen BE, wo sich die drei Freunde entschliessen, gemeinsam nach Tunesien zu reisen.

Die Reise als „Sternstunde der Moderne“

Zweifellos ist es keine „Einfach-so“-Reise. Klee schreibt in seinem Tagebuch: „Kunst heisst nicht Sehen, sondern Sichtbarmachen“ Die drei Maler haben indessen zweifellos auf ihrer Studienreise zuerst Sehen und Staunen gelernt. Das sieht man manchen vielleicht sogar unscheinbar wirkenden Zeichnungen und kleinformatigen Schätzen, die neben den auffälligeren Aquarellen an den Wänden zum Schauen einladen. Es ist ihnen gelungen, das „Sichtbarmachen“ weiter zu entwickeln.

Macke, Mädchen mit Pferd

August Macke , Mädchen mit Pferd und Esel, 1914, Aquarell über Bleistift auf Papier, Staatliche Museen zu Berlin

Die Bilder zeigen mutige Abstraktionen und helle, eindringliche Farben, die Zeichnungen feine Striche und sublimen Hintergrund. Aus allen Werken, gleichgültig von welchem Meister, überträgt sich auf den Schauenden eine beglückend erzählte Geschichte aus dem Reich von Tausend und einer Nacht; aus dem Vordern Orient, wie er wohl noch bis in die Zeit des Osmanischen Reichs ausgesehen haben muss. Wobei hier nicht allein das Aussehen der Bilder gemeint ist, sondern das umfassende faktische wie stimmungsmässige „Aussehen“ einer fremden Welt, die sich auf so radikale Weise verändert hat.

Paul Klee, Tunis

Paul Klee: St. Germain bei Tunis (landeinwärts), 1914, 217. Aquarell auf Papier auf Karton, 21,8 x 31, 5 cm, Centre Pompidou, Paris, Musée national d’art moderne / Centre de création industrielle, Vermächtnis Nina Kandinsky, 1981

Das Bild von der „Sternstunde der Moderne“ entspricht auch in dieser Hinsicht gewissermassen der Realität. Die „Tunisreise 1914“ ist zu einer „Schule des Sichtbarmachens“ geworden. Die Freunde haben noch lange das in Tunesien Erworbene ausgewertet, mit Ausnahme leider von Macke, der 27-jährig in der Champagne gefallen ist. Immer wieder entnehmen sie ihren Skizzen die Motive und führen sie als Aquarell oder in Öl oder in anderen grafischen Techniken aus. Moilliet reist noch mehrere Male nach Tunesien und in andere arabische Gebiete gereist. Reich ist seine künstlerische Ernte.

Eine schöne Ausstellung im würdigsten Sinne des Begriffs! Ein Reichtum an Motiven, ausgeführt in eindrücklichen Formen und Farben, die von bewusstem Schauen wie von grosser Kunstfertigkeit im Sichtbarmachen begeisterndes Zeugnis ablegt.

Louis Moilliet
August Macke
Paul Klee
Ausstellung im Zentrum Paul Klee

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