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Hornberger Schiessen

Narren sprechen manchmal eben doch die Wahrheit.

Ich werde heute, wenn diese Kolumne erscheint, im Getümmel der Fastnacht stecken. Es ist Schmutziger Donnerstag. Zwar habe ich inzwischen etwas schwere Beine, die sich nicht mehr so leicht tänzerisch schwingen lassen. Als Zuschauer stehe ich am Strassenrand, wenn die Poppele-Zunft ihre Stadt in ein Tollhaus verwandelt. Die schwäbisch-alemannischen Fastnachtsbräuche gefallen mir sehr. Die ritualisierte Lauffastnacht ist beeindruckend. Fastnacht habe ich schon seit meiner Kindheit in den Beinen. Was das Kind mit Freude und Spass erlebt hatte, steht dem Manne gut an.

Ich entdeckte später die schwäbisch-alemannische Fasnet und ging einige Male zu internationalen Narrentreffen. Einmal besuchte ich in Tiengen das Narrengericht, an dem ein Bundespolitiker zur Strafe für seine Taten auf das Marterrad gespannt wurde. In Stockach nahm ich an buntfarbigen Treffen teil. Komme ich nach Stockach, erweise ich Hanskuony, der Symbolfigur der Fasnet, die Reverenz. Er hatte als Hofnarr den Erzherzog Leopold zur Schlacht am Morgarten begleitet. Hanskuony sitzt in der Hauptgasse der Stadt auf einer Kugel, trägt die Narrenkappe, in der linken Hand einen Stab und zeigt mit der rechten mit seinem überlangen Zeigefinger mahnend nach oben, als ob er noch immer warnen würde: «Herzog bedenket nid, wie ihr ins Land der Schwyzer kömmt, bedenket, wie ihr wieder herauskömmt.» Dieser Spruch hat seit 1315 nichts an Berechtigung verloren. Wenn ich dort stehe, denke ich nicht an die Schlacht, sondern über zeitgemässe Dinge nach, etwa über falsche Strategien von Banken und ändere den Rat des Hofnarren ab. «Bedenket nicht, wie ihr Geld von Steuerhinterziehern anlegt, bedenket vielmehr, wie ihr aus der Falle herauskommt!» Dass die Warnung Hanskuonys immer wieder nützlich ist, beweist gerade die UBS im Streit mit Frankreichs Fiskus.

Einmal nahm ich an einem internationalen Narrentreffen in Hornberg teil, wieder selber verkleidet als Narr. Ich bemerkte, dass mir das Narrenkleid gut anstand und folglich war es denn auch eine sehr lange Nacht mit kurzem Schlaf am Tisch eines Festzeltes, den Kopf auf die Arme gesenkt. Hornberg gründet sein Fasnet auf ein Ereignis, das heute als Brauchtumsidee den Narren dient. Die Hornberger erwarteten 1564 den Herzog Christoph von Württemberg zu einer Visitation. Sie stellten ihre Kanonen auf dem Hügel kurz vor dem Städtchen auf, um bei seiner Ankunft rechtzeitig Salutschüsse abfeuern zu können. Als auf der nicht sehr übersichtlichen Strasse eine Staubwolke aufwirbelte, feuerten sie wie verrückt. Statt des Trupps der hohen Herrschaft brauste eine Postkutsche daher, hinterher folgte ein Fuhrmann und eine Rinderherde. Die Hornberger hatten ihr Pulver verschossen. Man kommt als politisch denkender Mensch nicht umhin, diese herrliche Geschichte auf die Gegenwart zu beziehen.

Seit Monaten wird gegen das Rahmenabkommen aus allen Rohren geschossen, und zwar schon vom Tag an, als bloss einige Punkte hervorgekehrt worden waren, die sich für Schlagworte eignen. Parteien reagierten scharf ablehnend, griffen den Bundesrat an und warfen ihm vor, er hätte schlecht verhandelt. Aber noch immer blieben diese Vorwürfe nur Staubwolken. Das Abkommen wurde erst später im Detail studiert und analysiert. Mögliche Alternativen erwogen die Kanoniere nicht. Sie schossen und schossen, bis das Pulver beinahe verschossen war. Allmählich lichtete sich die Staubwolke. Die Leute blickten genauer hin und fragten präziser, was das Abkommen bedeute. Verantwortliche fanden, es sei gar nicht so schlecht, auch wenn es einige Schönheitsfehler aufweise. Wird es dann dem Souverän vorgelegt, lautet die Frage: Ist Ja mit Mängeln nicht doch besser als ein Nein mit Nachteilen? Die eidgenössischen Hornbergerschützen stehen dann vor der heiklen Frage: Wollt ihr den unbehinderten Zugang zum europäischen Binnenmarkt oder nicht? Da wird sich dann zeigen, ob die Bürger ihren Kanonieren glauben oder ob es vielleicht doch besser wäre, auf die Kutsche des Herzogs zu warten.

Fast jede Volksabstimmung kündigt sich mit bunten Wolken an und geniesst viel Sympathie. Verziehen sie sich dann im Verlauf der Debatte, kommt hervor, was bisher verborgen blieb. So geschehen jüngst bei der Zersiedelungsinitiative, die anfänglich hohe Zustimmungswerte genoss und beim Urnengang doch abgelehnt worden ist. Aber lassen wir das!. Es ist Schmutziger Donnerstag. Ich werde die Poppele-Zünfter tausendmal rufen hören: «Hoorig hoorig isch de Bär / und wenn de Bär nit hoorig wär / dann wär er au kei Bär…» Auch dieses Motto liesse sich heute auf die Politik übertragen, denn wenn auf Twitter behauptet wird, der Bär habe gar keine Haare, vielmehr kleide er sich mit Federn, dann tun Beobachter und Bürger gut, etwas genauer hinzuschauen.

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