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Ich glaub, mich trifft der Schlag

Ein Schlaganfall, eine Demenzerkrankung oder ganz einfach nur Kopfschmerzen – alles hat seine Ursache im Gehirn, der Schaltzentrale unseres Körpers.

Wer in seiner Familie ein Kind hat, das an Epilepsie leidet, oder wer mit einem Menschen zu tun hat, der an Multipler Sklerose erkrankt ist, mag sich fragen, wie diese Krankheiten entstehen, was im Nervensystem und seiner Zentrale, dem Gehirn, nicht so funktioniert, wie wir es uns wünschen. Der Titel des neu erschienenen Buches ist flapsig, der Neurowissenschaftler Ulrich Dirnagl und der Science Slammer Jochen Müller erklären jedoch sehr ernsthaft die Funktionsweise des Gehirns anhand von sechs neurologischen Krankheiten: Migräne bzw. Kopfweh, Schlaganfall, Epilepsie, Multiple Sklerose, Parkinson und Demenz. Aus jeder Störung, die im Gehirn auftritt, können wir auch erkennen, wie das gesunde Organ funktioniert. «Warum das Gehirn tut, was es tun soll, oder manchmal auch nicht» lautet der Untertitel, und schmackhaft gemacht wird uns die Lektüre mit der lockeren Aussage: «Professor meets Science Slammer: So wurde das Gehirn noch nie erklärt», kurz gesagt: Hirnforschung für alle.

Wer sich schon einmal mit den wissenschaftlichen Erkenntnissen der Hirnforschung beschäftigt hat, weiss, dass dies ein äusserst umfassendes und kompliziertes Terrain ist. Ebenso offensichtlich ist es, dass Neurologen jeglicher Couleur von ihrem Forschungsgebiet zumeist «angefressen» sind. Nun ist es aber nicht jedem Forscher gegeben, seine Erkenntnisse so zu erklären, dass auch Laien verstehen, welche Funktionen auf welche Weise im Gehirn zusammenspielen, damit der Mensch sprechen oder laufen kann. Die beiden Autoren dieses Buches haben den Spagat gewagt, die Vorgänge im Gehirn sowohl wissenschaftlich korrekt, also auch unterhaltsam und verständlich zu erklären und daraus abzuleiten, wie neurologische Krankheiten entstehen.

Das Buch ist klar und übersichtlich gegliedert: Pro Formenkreis einer Krankheit ein Kapitel; jedes Kapitel ist nach dem gleichen Prinzip aufgebaut. Zuerst erfahren wir in einem kurzen Steckbrief allgemein Wissenswertes. So lesen wir, dass es 257 Formen von Kopfschmerzen gibt. Wir lesen auch, dass schon der römische Arzt Galen ca. 200 n. Chr. Migräne beschrieben hat. Dieses Leiden wird heutzutage als Übersensibilität des Nervensystems gegenüber äusseren und inneren Reizen definiert. Zu jeder Krankheit werden auch einige berühmte Betroffene genannt, für Migräne sind es u.a. Vincent van Gogh, Charles Darwin, Elvis Presley

Die Öffnung des Schädels (Trepanation) wird als eine frühzeitliche Behandlungsmethode der Migräne und anderer neurologischer Erkrankungen angesehen. © rama/ commons.wikimedia.org

Die Erklärungen zu einer Krankheit sind wissenschaftlich fundiert und zwar spannend, aber trotz der populären Sprache nicht immer so leicht zu lesen wie ein Krimi. Immerhin ist das Buch für diejenigen bestimmt, die sich kundig machen wollen und sich Zeit und Musse nehmen, die Ursachen einer bestimmten Krankheit verstehen zu wollen. Niemand wird alle sechs Teile hintereinander durchlesen.

Erklärung bedeutet in diesem Buch immer auch Aufklärung. Gerade Leiden wie Demenz, Parkinson, aber auch Epilepsie oder Multipler Sklerose lösen Ängste aus – wer möchte schon davon betroffen sein. So geben die Autoren der Beschreibung der Ursachen der Parkinson-Krankheit viel Raum. Es gelingt ihnen, die komplizierten Vorgänge, die dabei im Spiel sind, verständlich zu machen. Soweit es relevant ist, erklären sie auch, woher der Name einer Krankheit kommt, der britische Arzt und Apotheker James Parkinson z.B. beschrieb das Syndrom schon 1817. Beschreibungen dieser Krankheit, die auch Schüttelähmung heisst, kennt man aber schon aus altindischen und altchinesischen Texten. – Seit Urzeiten bemühen sich die Heilkundigen um Hilfe für Krankheiten des Gehirns und des Nervensystems.

llustration der Parkinson-Krankheit von Sir William Richard Gowers aus A Manual of Diseases of the Nervous System (Handbuch für Krankheiten des Nervensystems) von 1886 © commons.wikimedia.org

Besonderen Wert legen die Autoren darauf, den Lesenden, die oft wohl auch Betroffene oder mindestens Interessierte sind, Mut zu machen, Möglichkeiten aufzuzeigen, wie geholfen oder gelindert werden kann. Bei Parkinson hat es sich z.B. gezeigt, dass rhythmische Musik die Symptome verbessert. Auch im Kapitel «Demenz» geht es darum, was man heute über die verschiedenen Formen weiss; aber wie lesen auch, dass Demenz nicht gleich Krankheit bedeutet und was die besonderen Merkmale von «Alzheimer» sind.

Das Buch ist all denen, die sich ernsthaft kundig machen wollen über die Vorgänge im Gehirn und wie daraus manchmal Krankheiten entstehen können, wärmstens zu empfehlen – auch wenn man nicht erkrankt ist.

Ulrich Dirnagl, geboren 1960, ist einer der führenden Neurowissenschaftler Deutschlands, internationaler Schlaganfallexperte und Professor an der Charité Berlin. Er leitet dort die Abteilung für Experimentelle Neurologie und das Zentrum für Schlaganfallforschung. «Ich glaub, mich trifft der Schlag» ist sein erstes Buch für ein breites Publikum. Dirnagl erhielt vor kurzem den Berliner Wissenschaftspreis.

Jochen Müller, geboren 1976, studierte Biologie in Göttingen und anschliessend promovierte in medizinischen Wissenschaften in Berlin. 2011 unternahm er eine Weltreise. Seither lebt Jochen Müller in Berlin, organisiert und moderiert im In- und Ausland Science Slams, das sind Veranstaltungen, die wissenschaftliche Erkenntnisse allgemeinverständlich und poppig verbreiten, und ausserdem schreibt er u.a. für dasgehirn.info und ZEIT Wissen.

Angaben zum Buch:
Ulrich Dirnagl, Jochen Müller, Ich glaub, mich trifft der Schlag
Klappenbroschur, Droemer HC. 02.11.2016, 336 Seiten
ISBN: 978-3-426-27679-2
auch als E-BOOK erhältlich

 

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