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Impressionisten als Wohlfühlbalsam

„Seitensprünge – Impressionismus ohne Sockel“ fragt augenzwinkernd nach den „Werten“ impressionistischer Werke in Verbindung mit Alltagsobjekten.

Warum erreichen impressionistische Werke heute derart horrende Preise im Kunsthandel? Warum werden sie in Ausstellungen immer ästhetisch präsentiert, gewissermassen als Wohlfühlbalsam für ein breites Publikum? Warum erscheinen uns die Bildmotive nicht mehr banal wie zu ihrer Entstehungszeit?

In einer Thesenausstellung hinterfragt das Museum Langmatt in Baden unsere konventionellen Wahrnehmungsgewohnheiten, die Ehrfurcht vor unvorstellbar teuren Bildern, deren Urheber einst am Hungertuch nagten. Das Thema wird mit kreativen Mitteln lustvoll angegangen: Mit Installationen, die keinen künstlerischen Anspruch erheben, aber in Verbindung mit den Meisterwerken subtil die Werte verschieben lassen. Werteverschiebungen, welche die Fantasie beflügeln und den Betrachter einladen, eigenen Assoziationen freien Lauf zu lassen.

Edgar Degas: Weiblicher Akt (um 1885/86) – mit Kordelständern 

Sieben Gebrauchsgegenstände aus dem Fundus der Langmatt-Underdogs aus dem Schattenreich des Kellers – werden sieben herausragenden impressionistischen Werken, die immer ihren Sonnenplatz in der festen Ausstellung der Sammlung haben, gegenübergestellt. Bilder von Claude Monet, Paul Cézanne, Edgar Degas, Paul Gauguin, Camille Pissarro, Pierre-Auguste Renoir und Alfred Sisley erhalten einen ungleichen Partner auf Zeit.

Gediegene, goldfarbene Absperrständer mit kräftigen braunen Kordeln stehen absurd gruppiert vor dem Weiblichen Akt (um1885/86) von Edgar Degas. Die Kordeln hängen locker in der Halterung, wie der gelbe Vorhang in Degas Gemälde. Gewöhnlich dienen die Absperrständer dazu, die Bilder vor zu grosser Publikumsnähe zu schützen. Hier spielen sie mit der Ambivalenz von Sehen und Verbergen, Nacktes noch nackter zu präsentieren oder geht es gar darum, das Bild von dem Besucher fernzuhalten?

Paul Cézanne: Bäume und Felsen im Park des Château Noir – mit Weinregalen

Das Spitzenbild Château Noir (um 1904) von Paul Cézanne hängt eingeklemmt zwischen alten Weinregalen aus dem Keller an der Wand. Wie kann es neben diesen voluminösen Nachbarn überhaupt bestehen? Die Eisengitter der schweren Regale wirken wie mächtige Käfige. Und doch, bei genauer Betrachtung, leiten die Metallstrukturen ganz harmonisch über zu Cézannes strukturierter Malweise im Pinselstrich, im Farbaufbau und in der Komposition. Dieses Gemälde stammt aus Cézannes später Schaffenszeit und weist bereits auf die abstrakte Malerei hin, welche die nachfolgenden Künstler entwickelt haben. Und es ist beeindruckend, wie souverän und kraftvoll sich das Château Noir zwischen den fast martialisch anmutenden Nachbarn behauptet, und wie intensiv es seine Strahlkraft trotz der Enge auszudehnen vermag.

Claude Monet: Eisschollen im Dämmerlicht – flankiert von Schaumstoff und einm Tiefkühler

Auch Claude Monets Eisschollen im Dämmerlicht (1893) geht es nicht besser. Es muss Vorlieb nehmen mit einer gewaltigen weissen Tiefkühltruhe als Partner. Dieses Paar aus Eis ist so ungleich, wie man nur denken kann. Ebenso irritierend ist der helle geschichtete Schaumgummi daneben, der zum Schutz der Bilder bei jedem Ausstellungswechsel zum Einsatz kommt. Auch er kommuniziert mit den Eisschollen im Bild und öffnet einen Dialog. Diese ungleichen Partner fordern den Betrachter heraus, sich in Monets eisige Landschaft zu vertiefen und möglicherweise Neues, Hintergründiges zu entdecken.

Die Kirche von Moret (1893) von Alfred Sisley begegnet einem alten Eisengeländer, dessen schlichte Ornamentik mit den gotischen Fenstern der Kirche zu sprechen beginnt. Die atmosphärisch verdichtete Sakralarchitektur trifft auf ein belangloses, profanes Fragment und führt das stille, transzendente Glühen des Kirchenschiffs auf den Boden irdischer Realität zurück, meint Museumsdirektor Markus Stegmann. Umgekehrt fängt das Stück aus dem Keller etwas vom übersinnlichen Glanz der abgebildeten Kathedrale ein und erhöht so in der Wahrnehmung vorübergehend seinen Wert.

Die Ausstellung Seitensprünge – Impressionismus ohne Sockel zeigt Mut, so hoch bewertete Werke so respektlos zu hinterfragen. Diesen spielerischen Umgang kann sich nur ein kleines Haus mit grossen Schätzen erlauben. Es lassen sich jedoch auch konventionell ästhetisch präsentierte impressionistische Bilder in der Gemäldegalerie im Erdgeschoss finden.

bis 13. Mai 2018
Fotos © Lee Li | Photography, Zürich
Begleitpublikation: 19.80 Franken
Am Donnerstag, 15. März 2018, 18.30 Uhr, findet im Museum Langmatt ein Gespräch statt: „Impressionismus zwischen Rekordpreisen und Seelenbalsam“ mit Dirk Boll, Barbara Basting, Dieter Schwarz und Markus Stegmann.
Informationen über Öffnungszeiten, Veranstaltungen, Führungen finden Sie unter www.langmatt.ch

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