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Intensive Beziehungen

Das Leben von zwei Menschen, die Freiheit und Gemeinsamkeit gleichermassen leidenschaftlich leben, hat Wilfried Meichtry im Doku-Fiction-Film «Bis ans Ende der Träume» gut verfilmt.

Beide wollen radikal sich selber sein und ihr Leben frei gestalten. Diese in den 1950er Jahren kühne Vision haben Katharina von Arx (1928 bis 2013) und Freddy Drilhon (1926 bis 1976), als sie sich auf abenteuerlichen Reisen in der Südsee kennenlernen. Eine leidenschaftliche Liebe wächst zwischen ihnen, sie eine Reisejournalistin und Zeichnerin, er ein international bekannter Fotograf. Als sich die beiden später mit ihrer Tochter im waadtländischen Romainmôtier niederlassen, um das mittelalterliche Priorhaus wiederaufzubauen, wird ihre Beziehung auf eine dramatische Probe gestellt. Während Katharina ihre ganze Leidenschaft in die Restaurierung des Hauses aus dem 11. Jahrhundert steckt, hält es Freddy im abgelegenen Romainmôtier bald nicht mehr aus. Nach einem schweren Konflikt kommt es zum Bruch. Er verlässt sie und will an der Südküste Englands, seiner alten Heimat, ein neues Leben beginnen. Bis die Liebe der beiden von neuem entflammt und sie wieder zusammenziehen.

Nachdem Wilfried Meichtry sein Buch «Verliebte Feinde» und das Drehbuch zum gleichnamigen Film von Werner Schweizer 2013 realisieren liess, verfilmt er diesmal seine neue spannende Beziehungsgeschichte selber. Die mehrfache Schweizer Filmpreis-Gewinnerin Sabine Timoteo und der in Belgien lebende Schweizer Schauspieler Christophe Sermet spielen Katharina von Arx und Freddy Drilhon in der Doku-Fiction als Ergänzung zum Dokumentarischen.

Die 83-jährige Katharina erzählt dem Regisseur ihr Leben.

Wilfried Meichtry zu Katharina von Arx …

«Es war unser Kameramann Pierre Reischer, der Katharina von Arx zufällig kennengelernt und sie mir im Frühjahr 2011 vorgestellt hatte. Die alte Frau zeigte uns ihr eindrückliches Haus und erzählte unglaubliche Geschichten. Sie habe als junge Frau mit Auto-, Schiff- und Flugzeugstopp die Welt umrundet, sei in Indien in den Harem eines Maharadschas geraten, habe in Neuguinea Kannibalenstämme besucht, die noch nie eine weisse Frau gesehen hätten. «Der Häuptling», lachte uns die alte Frau an, «hat mich zum Mittagessen eingeladen.» Das ist die «Baronin von Münchhausen», dachte ich mir. Denn ich war überzeugt, dass mir die alte Dame Lügengeschichten auftischte. Ich sollte mich irren. Nach zwei Gesprächen und einem längeren Augenschein in ihrem Archiv konnte ich mein Glück kaum fassen: Vor mir lag ein überaus spannender Stoff mit einer eindrücklichen Protagonistin. Bei unserem dritten Besuch stellten wir die Kamera auf, ich begann die alte Dame zu interviewen, und wir begannen von einem Kinofilm über das Leben der Katharina von Arx zu träumen.»

Mit Freddy Drilhon, einem noblen, gebildeten Gentleman 

… und zu Freddy Drilhon

«In den Jahren 2011 bis 2013 führte ich mehrere längere Interviews mit Katharina von Arx; zusammen unternahmen wir auch eine Reise nach Paris, wo wir nach Lebensspuren von Freddy Drilhon, ihrem Ehemann, suchten. Die alte Dame erwies sich dabei als überaus offen, neugierig und gewitzt und fasste viel Vertrauen in unser Projekt. Sie habe darin eine Chance gesehen, sagte sie später, sich nach jahrzehntelangem Schweigen noch einmal an ihr Leben mit Freddy Drilhon zu erinnern. Mit der «Entdeckung» von Freddy Drilhon verlagerte sich mein Hauptinteresse von der abenteuerlichen Weltreise der jungen Katharina hin zu der spannenden Beziehung zu ihrem Mann, die in Romainmôtier mit dem Konflikt um das alte Priorhaus zu einer dramatischen Menage à trois wurde: Katharina, Freddy und das Haus! Für mich wie auch meinen Kameramann war es berührend, wie tief die alte Dame in ihre Vergangenheit eintauchte und wie selbstkritisch sie sich ihr stellte. Ihr plötzlicher Tod am 25. Oktober 2013 war ein Schock, der unser Projekt in seinen Grundfesten erschütterte und nochmals eine komplette Überarbeitung des Drehbuchs erforderte.

Nach dem frühen Tod von Freddy Drilhon verstaute Katharina dessen Nachlass in Kisten. «Alles habe ich einigermassen geordnet», schrieb sie, «beinahe verbarrikadiert. Aus Angst, es könnte mich aus der Bahn werfen.» Freddy Drilhons Kisten blieben bis zum Frühling 2011, als uns Katharina ihr Archiv öffnete, verschlossen. Wie bei Katharina gab es auch bei Freddy viel zu entdecken. Sehr eindrücklich ist sein fotografisches Werk, das die visuelle Ebene unseres Films mitbestimmt. In den Jahren 2013 bis 2015 weitete ich meine Filmrecherchen aus und verfasste die Paarbiografie «Die Welt ist verkehrt, nicht wir. Katharina von Arx und Freddy Drilhon» (Nagel & Kieme).»

Sabine Timoteo und Christophe Sermet verkörpern das junge Paar

«Bis ans Ende der Träume» weckt bei mir eine grosse Sehnsucht nach intensivem Leben, leidenschaftlicher Kommunikation, einer vibrierenden Zweierbeziehung samt dramatischem Ausbrechen und einsichtigem Zurückfinden sowie nach einer engagierten Hingabe an eine frei gewählte Aufgabe.

Selten erlebte ich einen Film, der in mir eine solch intensive und gleichzeitig widersprüchliche Sehnsucht weckte. Einerseits die schöne, vornehme und leidenschaftliche Beziehung zwischen Katharina und Freddy, erfahrbar in den Erzählungen Katharinas, den Briefen und den Ereignissen, welche die Protagonisten spielen, ihren zärtlichen Worten, Blicken und verhaltenen Gesten. Gleichzeitig feiert der Film die Autonomie der beiden. Wo im Alltag und wo im Kino werden solche Werte mit gleicher Intensität gelebt und verteidigt? Weder das Miteinander, noch das Auseinander steht für sich allein. Zusammen erst erzeugen sie die berührende Lebendigkeit und Leidenschaft: ein Symbol für das, was Leben sein kann. «Bis ans Ende der Träume» wirkt für mich wie ein Befreiungsschlag – wie Kunst ihn gelegentlich leistet. Das genügt mir; darum mag ich nicht nach Kritikpunkten suchen.


Sie war jung und verwegen, halb Pippi Langstrumpf, halb Simone de Beauvoir. 

Statt Filme kritisieren, zu ihnen hinführen

Nicht zielführend empfinde ich kritische Einwände wie: Dieser oder jener Schnitt ist misslungen, der eine oder andere Auftritt gestelzt, der Film ist einseitig zugunsten von Katharina, oder die Musik wirkt aufdringlich. Mängel kann man in jedem Werk finden, ich verbiete mir aber, diese besonders hervorzuheben, wenn mich ein Film berührt, wenn ich ihn als wahr erlebe, wenn er mir etwas Wesentliches gibt. Die emotionale und die menschliche Welle, die den Film «Bis ans Ende der Träume» trägt, nimmt mich mit – und ich lasse mich gerne mittragen. Ich will nicht «Filmkritiker» sein, sondern Vermittler, sozusagen ein «Lotse», der ans andere Ufer führt und selbst hinübersetzt.So komme ich in diesem Film, komme ich generell in der Kunst zu neuen Entdeckungen, Erfahrungen, Einsichten, Erkenntnissen, erhalte ich etwas, was mich, vielleicht auch andere bereichert.

Titelbild: Katharina von Arx erinnert sich

Regie: Wilfried Meichtry, Produktion: 2018, Länge: 82 min, Verleih: Frenetic

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