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Jagmetti trifft Rüttimann

Riccardo Jagmetti schrieb über Johann Jakob Rüttimann, einen «Gestalter der Frühzeit unseres Bundesstaates», eine überaus einfühlsame und kenntnisreiche Biographie.

Riccardo Jagmetti legt im Vorwort seines Buches «Johann Jakob Rüttimann (1813- 1876), Mitgestalter der Schweiz im Aufbruch» dar, warum er sich mit Johann Jakob Rüttimann beschäftigte. Dieser war während seiner Lebenszeit in verschiedenen Ämtern und Funktionen am Aufbau unseres Bundesstaates im 19. Jahrhundert  beteiligt. Aber er ist in Vergessenheit geraten.

Noch motivierender war aber, dass Jagmetti mehr als 100 Jahre später in vielerlei Hinsicht in die Fussstapfen von Rüttimann trat. Beide unterrichteten als Professoren an der ETH, wirkten im Zürcher Kantonsrat, vertraten den Kanton Zürich im Ständerat, engagierten sich als Mitglied des Aufsichtsrats der Rentenanstalt (heute Swiss Life), um nur einiges zu nennen.

Wenig Privates, viel Staatsmännisches

Aus dem persönlichen Leben von Rüttimann vernehmen wir in der Biographie nur wenig. Mit seinem Vater, Landschreiber von Regensberg, Kanton Zürich, verband ihn eine enge Beziehung. Dessen Tod 1859 traf ihn schwer. Die Mutter hatte er schon mit elf Jahren verloren. Sie verstarb bei der Geburt ihres 13. Kindes. Nur Rüttimann und vier seiner Schwestern erreichten das Erwachsenenalter. Mit dreissig Jahren heiratete er, er hatte eine Tochter und einen Sohn. Jagmetti verzichtete darauf, einen ausführlichen persönlichen Lebensbeschrieb zu verfassen. So dieser aus den vorhandenen Dokumenten überhaupt zu erheben gewesen wäre.

Entwicklung des jungen Bundesstaates

Es gelingt dem Autor aber ein anderes Meisterstück. Anhand der Beschreibung des vielfältigen Wirkens von Rüttimann bringt er der Leserschaft das Wachsen und Werden des jungen Bundesstaates wie das sich Entfalten eines lebendigen Organismus nahe. Diese Entwicklung verlief zeitweise stürmisch, konfliktreich, für uns Heutige mit einer erstaunlichen Dynamik. Und doch erwuchs daraus «das Gleichgewicht als Staatsprinzip», wie das Jagmetti gegen Ende des Buches in einem eigenen Abschnitt überzeugend darlegt.

Sehr aufschlussreich und hilfreich erweist sich die Zeittabelle über das Leben Rüttimanns im Anhang. Zwei Kolonnen sind Geburt, Tod, Heirat und Kindern gewidmet. Und dann werden in 16 Kolonnen die verschiedenen Ämter aufgelistet, die Rüttimann innehatte: Substitut Landschreiber, Gerichtsschreiber, Adjunct Staatsanwalt, Sekretär grosser Rat (Kantonsrat), Anwaltstätigkeit, Mitglied Grosser Rat, Regierungsrat, Abgeordneter Tagsatzung, Ständerat, PD/Prof. Universität, Prof. Polytechnikum, Bundesrichter, Richter Kassationsgericht, Oberst im Justizstab, NOB (Nordostbahn), Kreditanstalt/Rentenanstalt. Und es ist möglich, genau nachzurechnen, in welchen Lebensjahren die «Ämterkumulation» am höchsten war!

Unermüdlicher Gestaltungswille

Atemberaubend ist aber nicht nur die Vielfalt der Tätigkeiten, des Wirkens von Rüttimann. Atemberaubend ist, wie intensiv er in all seinen Obliegenheiten seine Arbeit ausübte. Wo er präsent war, beeinflusste er das Geschehen! Er richtete seinen Blick auch über die Grenzen der Schweiz hinaus. Zwischen 1867 und 1876 verfasste er ein dreibändiges Werk: «Das nordamerikanische Bundesstaatsrecht verglichen mit den politischen Einrichtungen der Schweiz». Diese Publikation entfaltete ihre Wirkung noch während Jahrzehnten.

In die schriftlichen Zeugnisse dieses Lebens hat sich der Autor Jagmetti förmlich hineingekniet. Ich gehe davon aus, dass er jeden Brief, jedes Votum, jedes Referat, jede Ansprache, jedes Gutachten, kurz, alles genauestens durchgelesen und analysiert hat. Davon zeugen nicht nur die realitätsnahen Schilderungen, sondern auch die umfangreichen Anmerkungen.

Engagement auf breiter Front

Erstaunlich ist auch die Breite des Wirkens von Rüttimann. Engagement in Politik, Gesetzgebung, Rechtspflege erwarten wir bei einem solchen Lebenslauf. Aber im Kapitel «Eisenbahnen, Wirtschaft und Währung» umreisst Jagmetti am Schluss des Buches auf knapp vierzig Seiten noch eine Wirtschaftsgeschichte der Schweiz im 19. Jahrhundert. Und auch hier trug Rüttimann in Ausübung verschiedenster Mandate seinen wesentlichen Teil zum Aufbruch bei.

Bleibt noch die Frage, warum diese Persönlichkeit in Vergessenheit geraten konnte? Das Wesen von Johann Jakob Rüttimann wird als ausgleichend beschrieben, sein Handeln als nachhaltig. Immer wieder ermöglichte er Kompromisse, wurde als Vermittler angefragt. Auf die Frontseite eines «Blick» hätte er es wohl kaum je geschafft. Wohl aber war die NZZ sein Organ.

Die Antwort auf die Frage liegt vielleicht im letzten Satz der Biographie: «Er war in der Frühzeit des Bundesstaats nicht ein mächtiger Macher, er war ein bedeutender Gestalter».

 

Riccardo Jagmetti, geb. 29, Dr. iur., Politiker und Professor für Rechtswissenschaften an der ETH Zürich. 1983-1995 Ständerat des Kantons Zürich, 1993/94 Ständeratspräsident. Berater- und Gutachtertätigkeit.

Riccardo Jagmetti: Johann Jakob Rüttimann (1813-1876), Mitgestalter der Schweiz im Aufbruch. Verlag NZZ Libro, Schwabe AG,2018. ISBN 978-3-03810-335-6

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