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Kultur ist vererbbar

Die Stiftung «Erbprozent Kultur», vor bald vier Jahren gegründet und der unabhängigen Kulturförderung verpflichtet, konnte inzwischen mit ihren Vergaben überzeugen.

Kultur in ihrer ganzen Vielfalt gehört zu den tragenden Pfeilern unserer Gesellschaft. Da wir Kultur zu den unabdingbaren Werten zählen, die aber nicht zum materiellen Wachstum beitragen, braucht sie Unterstützung, damit sie immer wieder neu entstehen kann. Das geschieht durch staatliche Förderung auf allen Ebenen der Schweiz, von der Gemeinde, dem Kanton bis zur Eidgenossenschaft. Wie die für kulturelle Zwecke festgesetzten Mittel eingesetzt werden, kann Anlass für Meinungsverschiedenheiten sein. Und selten steht genug Geld zur Verfügung.

Eine besondere Art der Förderung wurde im Mai 2015 anlässlich der Appenzeller Kulturlandsgemeinde beschlossen: «Erbprozent Kultur». Seniorweb berichtete in einem Gespräch mit Margrit Bürer, einer der Initiantinnen, über die Anfänge dieses Projekts. Die Stiftung hatte es 2015 so formuliert: ««Erbprozent Kultur» ist eine gemeinschaftliche Kulturförderung ohne Eintrittshürden. Sie ermöglicht ein klares, persönliches Bekenntnis zur Kultur. Jede Person – unabhängig von Herkunft, Geschlecht, Status oder Höhe des Vermögens – kann freiwillig 1% ihres persönlichen Erbes für die Kultur stiften. Diese einzigartige Form baut auf das Partizipationsprinzip und auf den Gedanken des Generationenvertrags.»

Alle Vergabefeiern finden in festlichem Rahmen statt – hier am 6. Mai 2017

Inzwischen wurden Fördergrundsätze und Fördergefässe definiert, d.h. die Kategorien, nach denen förderungswürdige Künstler oder Gruppen ausgesucht werden, und, wie von Beginn an vorgesehen, in den letzten zwei Jahren Förderbeiträge gesprochen.

Seniorweb konnte dazu mit Esther Widmer, der Geschäftsführerin der Stiftung sprechen.

Vor ungefähr vier Jahren gegründet – wo steht die Stiftung heute?

Sie befindet sich in der Etablierungsphase. Es geht immer noch darum, die Projekte anzuschieben, die Förderungsaktivitäten aufzubauen. Bisher wurden Erbversprechen in der Höhe von einer halben Million Franken abgegeben – auch als Vorlass. 340’000 CHF Förderbeiträge konnten schon verteilt werden.

Was hat der Stiftung in den letzten Jahren am meisten Mut gemacht?

Unser Engagement wird offensichtlich wahrgenommen und geschätzt. Ausser den genannten Beiträgen aus Erbversprechen haben schon zwanzig Kantone Beiträge geleistet.

Wir selbst, aber auch viele Beobachter ausserhalb der Stiftung sind überrascht, welch positives Echo die Gründung dieser Stiftung gefunden hat. Allerdings ist es ein weiter Weg von der Idee bis zu der Verpflichtung, ein Erbversprechen schriftlich und verbindlich festzuhalten. Vielen steht die Angst vor Bürokratie im Weg. Dazu bedeutet es auch, sich mit seinem eigenen Nachlass zu beschäftigen, sich konkret mit der Endlichkeit des eigenen Lebens auseinanderzusetzen, wovor viele zurückschrecken.

Die Performancegruppe BewegGrund aus Bern erhielt für ihr Stück: «Corpus» (2017) eine Fördervergabe aus dem Gefäss PUBLIKUM. Dieses Fördergefäss honoriert Initiativen, die hervorragende Arbeit leisten und für eine breite Teilhabe an Kultur eintreten. Foto: Sabine Burger

Wir hören auch oft: «Ich habe viel zu wenig, da würde ja für die Stiftung fast nichts übrigbleiben», ein Trugschluss in unseren Augen. Wir alle sind doch Teile eines Ganzen. Wenn viele wenig geben, entsteht daraus eine beachtliche Summe, mit der viel Kultur gefördert werden kann. Ausserdem ist jedes Erbversprechen ein Bekenntnis zur Kultur und die Möglichkeit, aktiv daran teilhaben zu können.

Wie sind Fördergrundsätze und Philosophie entstanden?

In offenen Foren gemeinsam mit den Erbversprechenden wurden grundlegende Fragen im Zusammenhang mit den Stiftungstätigkeiten verhandelt. Dabei ging es um die Förderphilosophie, den Vergabeprozess und um den Umgang mit der Gemeinschaft. – Alle Grundsätze sind übrigens auf unserer Webseite einsehbar.

Forum 7 diente der Nachreflexion und prüfte, ob die Förderbeiträge gewissenhaft und sorgfältig eingesetzt wurden. Die Erbversprechenden ermunterten die Entscheidungsträger und -trägerinnen, den Grundsätzen treu zu bleiben und auch den «Mut zum Scheitern» nicht zu scheuen. Es geht um die Verantwortung der Entscheidungsträger gegenüber den Erbversprechenden, die Förderbeiträge gewissenhaft und sorgfältig einzusetzen. Aber es handelt sich ja um Einsätze in Zukünftiges, Kultur erfindet sich ja ständig neu. Da kann niemand ständig mit erwartbaren Resultaten rechnen.

Wie kam es zur Definition der Fördergefässe?

Wie bei den Fördergrundsätzen wurden auch die Fördergefässe in den Foren konzipiert und verhandelt. Es gibt fünf Fördergefässe. Bei jeder Vergabe werden drei bis fünf Gefässe bedient bzw. berücksichtigt.

Ein wichtiges Ereignis ist das Fest, das wir zu jeder Verleihung der Förderpreise veranstalten. Es prägt das Bild von der Stiftung eindrucksvoll und stärkt den Zusammenhalt. Wir freuen uns, eine grosse Zahl von Mitdenkenden unter den Erbversprechenden zu sehen. Partizipation wird bei uns hoch gehalten.

Die Theatercompagnie ‹Old Masters› aus Genf erhielt 2018 nach Losentscheid die Vergabe aus dem Fördergefäss RAUM UND ZEIT. Dieses Fördergefäss basiert auf dem Gedanken, einer Theater-, Tanz-, Performance- oder Musikgruppe Raum und Zeit für eine Re-Création zu ermöglichen.

Ein Drittel der Fördergelder wurde bisher in die Romandie vergeben. Die französische und die italienische Schweiz in unsere Tätigkeit einzubinden, ist uns ein grosses Anliegen. Dabei ist es gar nicht einfach, Vertreter aus der Romandie oder aus dem Tessin zur aktiven Teilnahme zu bewegen. Das braucht viel Überzeugungsarbeit.

Womit beschäftigen Sie sich in nächster Zeit?

Aktuell sind wir daran, für die Organisation der Stiftung eine tragfähige Struktur in einem angemessenen Rahmen zu entwickeln. Der Betrieb benötigt mehr Ressourcen, in gesundem Mass selbstverständlich. Momentan ist für die Führung der Geschäftsstelle nur eine Teilzeitstelle eingesetzt.

Ausserdem beabsichtigen wir, ein Sounding Board aufzubauen. Es geht uns ganz wesentlich darum, Menschen, die sich in den Fachgebieten Fundraising, Vermögensmanagement und Kommunikation auskennen und  «Erbprozent Kultur» für eine zukunftstaugliche Idee halten, einzubinden und so die Geschäftsstelle zu unterstützen. Die Ergebnisse werden an den Foren wieder in der Gemeinschaft verhandelt und weiterbearbeitet.

Erbversprechende und  zugewandte Interessierte sind also zugleich notwendige Unterstützer und Förderer, aber auch Teilnehmende und Publikum für die Kulturschaffenden.  – Das kann doch für alle ein Gewinn sein.

Alle genauen Informationen über «Erbprozent Kultur» sind auf der Webseitenachzulesen.

Teaserbild:  Rainer Sturm  / pixelio.de
alle andere Fotos: 
© Erbprozent Kultur

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