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Kunst und Wirklichkeit

Die Schweizer Künstlerin Miriam Cahn setzt sich im Kunstmuseum Bern kompromisslos mit den gesellschaftlichen Strömungen der Gegenwart auseinander.

«Es ist, wie es ist» kommentiert Kathleen Bühler die kühnen, offenen Darstellungen von Genitalien, «die Künstlerin hat keinesfalls irgendwelche symbolische Verfremdungen vornehmen wollen». – Miriam Cahn hat die Bilder ausgewählt und zusammen mit der Kuratorin Kathleen Bühler die Ausstellung gestaltet.

Zeitgeschichtliche Strömungen und Entwicklungen gestalten

Miriam Cahn, geb. 1949 und aufgewachsen in Basel, ist durch das Erfahren von und Teilnehmen an Ausprägungen der gesellschaftlichen Wirklichkeit Künstlerin geworden. Mit allen darstellenden Mitteln, vom Pinsel über Fotografie, Skulptur, Video und weiteren Installationen, setzt sie sich vor allem mit den Ereignissen auseinander, welche die Welt und die Gesellschaft bedrohen. Eines ihrer aktuellen Themas hat mit der Geringschätzung und Gewaltanwendung gegenüber Frauen zu tun. Ein weiteres ist geprägt durch die dumpf und unterdrückt dahinschleichende Angst vor zukünftigen Entwicklungen, deren Ausmass und Bedeutung manche nur ahnen und andere höchst widersprüchlich beurteilen. Und wenn es auch «ist, wie es ist», vermögen die gezeigten Werke dem Schauenden dennoch Assoziationen zu wecken, die eine symbolische oder allegorische Bedeutung enthalten können.

Miriam Cahn: Portrait. © Courtesy the artist

Mit grossem Respekt für die Tiefe der durch Formen und Farben sichtbar werdenden Gedankengänge der Künstlerin betrachtet man die Bilder. Noch und noch berührt der Schock, den die Motive selbst und deren Ausgestaltung auslösen. Das ist besonders im Abschnitt der Ausstellung der Fall, welcher der Schau von Männern auf die Frau und der damit evozierten tatsächlichen oder nur vorgestellten Gewalt eine Gegenkraft schafft, die vorerst in realistischen, dann aber auch in vielseitig verwandelten Variationen komponiert auftritt. Das Leidvolle dieser Bilder zeigt sich in den grossen Augen, den hellen Farben und den verwischten Gesichtern und teilweise auch Körperteilen. Tarnung des Leidens, Offenbarung der Gegenkraft – eine beeindruckende künstlerische Konzeption!

Miriam Cahn: rufen, 26.01.2017, 2017. Pastell auf Papier, 57 x 83 cm. Fotograf: Stefan Jeske, © Miriam Cahn, Courtesy the artist &  MeyerRiegger, Berlin/Karlsruh

 

Miriam Cahn: lachen, 27.03.2003+12.11.+03.12.2017, 2017. Öl, Kreide und Pastell auf Holz, 48 x 24 cm. Fotograf: Stefan Jeske. © Miriam Cahn, Courtesy the artist & Meyer Riegger, Berlin/Karlsruhe.

Miriam Cahn: Ohne Titel, 18.04.2017, 2017 Aquarell auf Papier, 27,5 x 25,5 cm Fotograf: Stefan Jeske, © Miriam Cahn. Private Collection

Zeugnisse einer stark ausgeprägten Künstlerpersönlichkeit

Miriam Cahns Werke sind vielseitig. Die hellfarbigen Bilder kontrastieren mit den wandhohen Architekturzeichnungen, Grau in Schwarz, Kriegsschiffe, Maschinen, Geräte… Oder der Saal mit den wiederum hellfarbigen Atompilzen, auch eine Konfrontation mit zeitgeschichtlichen Themen und Ängsten. Daneben finden Skizzenbücher, lustvoll gestaltete pornografische Skizzen und Notizen im Zusammenhang mit den bearbeiteten Themen ihren Platz.

Vielleicht ist es eine Selbsttäuschung – doch wenn man weiss, dass Miriam Cahn zusammen mit Kathleen Bühler die Hängung der Bilder vorgenommen hat, ist der Gedanke nicht abwegig: Der Wechsel der Formate, der Platz der kleineren Formate neben den sehr grossen und mittleren an der Wand vermittelt den Eindruck, dass der «Weg des Auges» bewusst geleitet wird und zu zusätzlichen Schau-Erfahrungen und damit Interpretationsmöglichkeiten führen kann. Ganz stark ist das an der Wand mit den Atompilz-Bildern der Fall. Die Grenzlinie zwischen dem «Unten» und dem «Oben» mit den verschiedenen Explosionswolken-Formen weist über alle einzelnen Werke hin einen eleganten Schwung auf. Der damit geschaffene Kontrast zwischen Eleganz und Schreck kann unter Umständen stark das Sehen, Interpretieren und Erleben beeinflussen.

Die Ausstellung, die nachher in München und dann in Warschau gezeigt wird, bietet eine einmalige und vielseitig anregende Gelegenheit, sich über Kunst als Auseinandersetzung mit der Wirklichkeit und über eine Künstlerpersönlichkeit Gedanken zu machen, die wie nicht manche realistisch im Leben und gegenüber dessen Anfechtungen steht, und dennoch mit grosser Brillanz und Gedankentiefe ein in manchen Aspekten einmaliges Gesamtkunstwerk schafft.

Miriam Cahn: Ohne Titel, 14.12.2017, 2017. Aquarell auf Papier, 34 x 44 cm- Fotograf: Stefan Jeske. © Miriam Cahn. Courtesy the artist & Meyer Riegger, Berlin/Karlsruhe

Offen bis am 16.06.2019

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