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Montreux Jazz kompakt

Das Landesmuseum blickt zurück auf 50 Jahre Montreux Jazz und erinnert an dessen Urheber Claude Nobs

Das Festival Montreux Jazz geht weiter. Nummer 52 wird vom 29. Juni bis 14. Juli 2018 dauern. Zugleich kann es im Landesmuseum besichtigt werden, auch mit dem Gehör. Denn zu einer Ausstellung über ein Musikfestival gehören selbstverständlich auch Tondokumente und Videos aus den Konzerthallen des Tourismusorts am Genfersee. Wäre Claude Nobs (1936-2013) nach seiner Kochlehre nicht Buchhalter beim Tourismusbüro in Montreux geworden, wäre es wohl nie zum Montreux Jazz Festival gekommen. Damals, in den 60er Jahren, organisierte er gemeinsam mit ebenso jazzbegeisterten Freunden ab und zu ein Konzert, unter anderem holte er als erster die Rolling Stones in die Schweiz. Davor war der Dichter und Schmetterlingsforscher Vladimir Nabokov das Aussergewöhnliche im ruhigen Kurort für ältere Damen und Herren. Er lebte zuückgezogen im Montreux Palace Hotel. Im Casino konnte schweizerisch bescheiden gespielt werden und seit 1961 gab es das Festival der Fernsehunterhaltung La Rose d‘Or.

Miles Davis beim ersten Konzertauftritt am Montreux Jazzfestival 1973. © Schweizerisches Nationalmuseum/ASL 

Zur Goldenen Rose erfand Nobs die passenden Begleitveranstaltungen am Abend: 1967 fand das erste Montreux Jazz Festival statt mit einem Budget von 5000 Franken. Aber schon damals gewann der Gewinnende grosse Namen, Charles Lloyd, Jack DeJohnette, oder Stars der Zukunft wie Keith Jarrett. Zum Glück für die Nachwelt war Nobs von Anfang an ein leidenschaftlicher Sammler mit System: Seit Beginn beauftragte er Künstler, darunter auch Tinguely oder Max Bill, das Festivalplakat zu gestalten, und zeichnete alle Konzerte auf, ein Riesenkapital für die globale Vermarktung und ein entscheidender Meilenstein auf dem Weg in den Olymp der Musikproduzenten: Das Archiv ist nun Weltdokumentenerbe der Unesco. Weder an sich noch an seiner Mission zweifelte Nobs je. So tat er sich zur rechten Zeit mit dem amerikanischen Musiker und Produzenten Quincy Jones zusammen, in dessen Kartei nebst Jazz- auch Popstars wie Prince figurierten. Und weil es Claude Nobs gelang, den Musikern und Stars Montreux samt seinem privaten Chalet am Berg als Sehnsuchtsort für entspannende und zugleich anregende Stunden mit anderen Musikern und Fans einzuprägen, blieb es selten bei einem einzigen Auftritt.

David Bowie mit Miles› Trompete vor der Vitrine mit den Modelleisenbahnen in Claude Nobs Chalet 1995 © Claude Nobs Archives

Neben den Jazzlegenden und den Blues- oder Rockbands für Auftritte, sammelte der umtriebige Claude noch manch anderes: Er besass Kollektionen von Modelleisenbahnen, exzentrischen Brillen, Schuhen und Hüten, oder Mundharmonikas, mit denen er als leidenschaftlicher und freundlich applaudierter Amateur bei einem Konzertact mitmachte. Das Landesmuseum zeigt seinen riesigen Schreibtisch mit imposanter, wenn auch historischer Telefonanlage mit offenen Schubladen, in denen die kleinen Dinge lagern , etwa die Briefmarken und Schraubendrehersets für Elektronikbastler, dazu Vitrinen mit den grösseren Artefakten. Nicht alltäglich seine Sammlung von Devotionalien, die ihm einige Weltstars überliessen, darunter ein japanischer Kimono von Freddie Mercury oder ein ziemlich schräges Selbstporträt, gepinselt von David Bowie, eine Gitarre von B.B. King oder die rotmetallene Trompete von Miles Davis, welche an prominenter Stelle die Montreux-Jazz-Szenerie im Landesmuseum eröffnet.

Quincy Jones mit Claude Nobs beim Genfer Autosalon um 1991 © Philippe Dutoit

Letztlich ging es Claude Nobs in erster Linie um die Musik. Er wollte seine Lieblingsbands an den Genfersee bringen und den Musikern ein möglichst idealer und grosszügiger Gastgeber sein. Das Finanzielle war ihm kaum ein Problem, als Buchhalter mit Charme fand er Mittel und Wege, anderen, beispielsweise der Gemeinde Montreux, die Defizite zu überlassen.

Wegen einer kleinen Erstaugustrakete mit riesiger Wirkung wurde Claude Nobs als Funky Claude eine Legende zu Lebzeiten: Deep Purple hatten ihn in ihrem Montreux-Hit Smoke on the Water so bezeichnet. Es war die Reaktion der Band, die zu Aufnahmen am Genfersee weilte und den Vollbrand des Casinos miterlebte – wie ich übrigens auch. Während des Konzerts von Frank Zappa und seinen Mothers of Invention am 4. Dezember 1971 hatte ein Junge im vollbepackten Saal den Feuerwerkskörper gegen die Decke geschossen: Ganz langsam begann es ein paar Meter neben mir am Plafonds mit nicht eben brandsicherem Dekorationsmaterial – war es bunt gefärbter Schilf? – zu brennen, Wellen aus Flammen griffen immer weiter um sich, während das Konzert weiterging, bis Zappa selbst von der reichlich entfernten Bühne mehrfach Fire! rief. Gehört wohl zu dem Stück, dachten fast alle, nur beim Brandherd wurde es unruhig. Dann ging es zügig: Evakuation von Saal und Haus, Vollbrand zunächst des Annex‘, dann des ganzen Gebäudes, keine Chance, etwas zu retten, auch das Equipement der Mothers fiel den Flammen zum Opfer.

Nun ist das Pop-, Rock-, Jazz- und Blues-Festival mit dem Jazz im Namen kompakt, bunt und laut im Landesmuseum zu Gast. Auf einem Screen laufen Videos ab, darunter ein Stück aus dem bewegenden Solokonzert von Nina Simone (1976) oder ein Auftritt von Santana (2011), oder das erwähnte Smoke on the Water der Deep Purple. Wer zuschauen will, darf sich ganz zuhause fühlen: am Boden liegen die Perserteppiche aus dem Chalet, sitzen darf man auf den ausrangierten Flugzeugsesseln, die wie alles andere nach der Ausstellung wieder ins Chalet zurückgehen, wo heute die Claude-Nobs-Stiftung ihren Sitz hat.

Teaserbild: Pedrito Martinez Group in Montreux cc-creative commons
bis 21. Mai
Informationen zur Ausstellung Montreux.Jazz seit 1967 im Landesmuseum Zürich finden Sie hier.

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