StartseiteMagazinKulturPsychogramm einer Kaufmannsfamilie

Psychogramm einer Kaufmannsfamilie

Ein stimmiger, packender Hingucker: Bastian Kraft inszeniert am Schauspielhaus Zürich Thomas Manns Jahrhundertroman «Buddenbrooks»

Kaum jemand hat den gesellschaftlichen Niedergang einer Bürgerfamilie so treffend beschrieben wie der Literaturnobelpreisträger Thomas Mann in seinem ersten, im Jahr 1901 erschienen Roman «Buddenbrooks – Verfall einer Familie». Hierin kämpft die traditionsreiche Lübecker Kaufmannsfamilie Buddenbrook in einer Welt des Umbruchs um den Erhalt ihres Weltbildes, in dem familiäre Herkunft, Ehrgeiz, Fleiss und Disziplin als Garanten eines gehobenen Lebensstandards gelten. Den Geschwistern Thomas, Antonie und Christian gelingt es nicht, die von der Elterngeneration in sie gesetzten Erwartungen zu erfüllen.

Thomas, der designierte Inhaber des Unternehmens, fühlt sich innerlich leer. Antonie investiert die väterliche Mitgift in eine standesgemässe Hochzeit, die sich jedoch als falsche Entscheidung erweist. Christian möchte ein freies Leben ausserhalb der familiären Verpflichtungen führen, doch seine Gesundheit lässt zu wünschen übrig und seine Wurzeln ziehen ihn immer wieder zurück. Hanno, der 14jährige Sohn von Thomas, ist ein hilfloser und zielloser Träumer, der sich voll und ganz der Musik verschrieben hat. Zwei Jahre nach dem Tod des Vaters erlöst der Tod auch ihn. Damit endet der Roman.

Getreuliches Abbild des Romans

Das Psychogramm dieser Familie ist hochaktuell: Lähmung, Angst, Überforderung, Druck. Das sind die Symptome unserer heutigen Gesellschaft. Regisseur Bastian Kraft hat den Roman in einer eigenen Fassung auf die Pfauenbühne gebracht. Gezeigt wird ein getreuliches Abbild der notgedrungen gehörig verkürzten Romanhandlung, das vornehmlich auf intensives Realismusspiel des Ensembles setzt. Hanno figuriert als Erzähler, der einfühlsam in die ausgewählten Kapitel einführt und das realistische Charakterspiel als stummer Zeuge begleitet.

VorneSimon Benedikt als Jüngling Hanno, Lena Schwarz als Mutter Gerda, Claudius Körber als Erzähler Hanno; hinten: Edmund Telgenkämper als Thomas und Henrike Johanna Jörissen als Antonie.

Gespielt wird auf einer Bühne mit grossem Esstisch und grosser Leinwand mit gelungenen Videoeinspielungen in einem sonst leeren Raum (Bühnenbild: Peter Baur). Der Totentanz der Familiendynastie wird mit viel Motorenlärm zelebriert. Stück für Stück wird der lange Tisch – Sinnbild für den Familienzusammenhalt – von den Protagonisten mit Stich- und Handkreisssäge zerlegt, bis dieser völlig auseinanderbricht und damit den endgültigen Zerfall der Grossfamilie mit seiner bürgerlichen Manierlichkeit markiert. Ansonsten wird ein in konservativer Strenge gehaltenes Kammerspiel entlang einiger Zentralkomponenten aus dem Leben der grossbürgerlichen Kaufmannsfamilie Buddenbrook zelebriert, beginnend bei der Familienchronik und beim Werdegang von Thomas, dem Nachkommen des Konsuls Johann „Jean“ Buddenbrook, und endend bei Hannos Tod.

Mit Komik und Ironie gegen bürgerliche Strenge

An geeigneten Stellen fehlt es nicht an Ironie und Komik, um damit das Korsett der bürgerlichen Strenge aufzulockern. Das gilt vorab für Daniel Strässer in der Rolle des Christian, der mit seinen Verrenkungen und seinem beschwörenden Daherreden eine äusserst komische Performance eines labilen Versagers abliefert. Auch Matthias Neukirch in seiner Mehrfachrolle als Grünlich, Permaneder und Dr. Brecht sorgt mit drollig-verführerischen Auftritten immer wieder für Heiterkeit.

Daniel Strässer als Christian, Edmund Telgenkämper als Thomas (auf Videoprojektion) und Claudius Körber als Erzähler Hanno. (Fotos: Toni Suter / T+T Fotografie)

Edmund Telgenkämper als Thomas erweist sich als grosser Gewinn für die gesamte Inszenierung. Er zeigt eine überzeugende Darstellung des grossbürgerlichen Emporkömmlings, der anfänglich mit übertriebenem Ehrgeiz und Pflichtbewusstsein den Weisungen seines Vaters folgt und den nüchternen Geschäftsmann spielt, dann aber facettenreich das Scheitern seiner Anstrengungen erkennt und resigniert und erschöpft den Verfall und Untergang seiner Familie in Kauf nimmt. Henrike Johanna Jörissen gibt eine ambivalente Antonie, die in naiver Treue mit der Familie verbunden ist und gleichzeitig mit kindlichem Trotz dem Familienregime zu entfliehen versucht, scheiternde Ehen mit Grünlich und Permaneder eingeht und reumütig die grossbürgerlichen Prinzipien der Familie verteidigt.

Lobenswert sind auch die Auftritte der übrigen Figuren (Jean-Pierre Cornu als Konsul Johann Buddenbrook, Claudius Körber als schweigsamer Erzähler Hanno, Lena Schwarz als Thomas Ehefrau Gerda und Susanne-Marie Wrage als Konsulin Buddenbrook), die wesentlichen Anteil an der dramatischen Wirkung der Familiensaga haben. Insgesamt wird eine starke, überzeugende Inszenierung präsentiert, die Aktualität dieses tragischen Familienschicksals stimmig und eindringlich nacherzählt. Das Premierenpublikum war begeistert und belohnte die dreistündige Aufführung mit langanhaltendem Applaus und Bravorufen.

Weitere Spieldaten: 6., 9., 11., 17., 26., Oktober; 5., 7., 17., 23., 27. November

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