StartseiteMagazinKulturSteife Madonnen und pralle Weibsbilder

Steife Madonnen und pralle Weibsbilder

Das Aargauer Kunsthaus zeigt zwei Werkgruppen des Malers Hans Schärer – die Madonnen und die erotischen Aquarelle

Unnahbar, bisweilen furchterregend sind die Figuren, welche der Luzerner Künstler Hans Schärer (1927 – 1997) Madonnen nannte. Sie tragen Augenmasken, zeigen zwei Reihen unregelmässiger Zähne, haben oft das dritte Auge auf der Stirn, ein Schmuckstück, ein Mal – oder ist es eine Körperöffnung? – auf der Brust.

madonnen im raumEin Konzept und unzählige Ausformungen – das sind die Madonnen von Hans Schärer

In Aarau sind sie aufgereiht eine neben der anderen an den Wänden des grossen Saals. Man kann sie mit einem Blick erfassen, man kann an ihnen vorbeiwandern, da und dort stehen bleiben und eine einzelne Madonna genauer anschauen, sich mit ihr auseinandersetzen.

Madonna mit Muscheln, 1974. G. Haldemann Schärer; © Erben Hans Schärer / ProLitteris

Was zu erfahren ist: Madonnen bestehen aus verschiedenen Materialien, es ist angereicherte Malerei. Schärer hat Fundstücke verarbeitet, dick aufgetragen, als Zähne jeweils helle Kiesel eingesetzt. So werden viele Gemälde zu plastischen Reliefs.

Was aber bleibt, sind Fragen, vor allem nach dem Warum. Bekannt ist, dass Schärer von der Madonna in der Apsis der Kirche von Torcello inspiriert war. Seinen Madonnen fehlt das Kind, sie tragen meist einen Schleier, sie bleiben geheimnisvoll. Es ist ein fast unendlich variiertes Bildkonzept, das Schärer jahrelang immer neu ausführte.

Der Frühling, 1971. Privatbesitz, Zürich © Erben Hans Schärer / ProLitteris

In denselben Jahrzehnten entstand parallel zu den Madonnen die zweite Serie, welche das Aargauer Kunsthaus präsentiert, die erotischen Aquarelle. Eine überbordende Phantasie sexueller Lust schlägt sich in den eher kleinformatigen Bildern mit bizarren Szenen nieder. Am Auffälligsten: die üppigen Frauen sind fast ohne Ausnahme fröhlich bei ihrem Tun, die meist winzigen Männer scheinen irgendwie lüstern leiden zu müssen. Hans Schärer ein Feminist? Es ist die sexuelle Befreiung der Siebziger Jahre dargstellt mit Freude, Lust und viel Humor.

Wunderbare Wand im Aargauer Kunsthaus

Der Saal mit den dicht gehängten Aquarellen an allen Wänden birgt viel Stoff zum Lachen, die fröhlichen Gesichter der Frauen, deren Zahnreihen wiederum die Madonnen spiegeln, sind schlicht ansteckend. Schärer brachte seine Idee jeweils als Umriss mit Tusche aufs Papier und kolorierte danach mit Aquarellfarbe oder Gouache – also die Technik des Comic Strips. So erzählt Schärer in den Szenen Geschichten, mitunter gesellschaftskritische und politische wie beispielsweise die mit den Schwimmerinnen unterm Hakenkreuz, oder die Cartoons mit lüsternen Pfaffen. Witzig auch, wenn die deftigen Szenen in der Zirkusmanege aus den Rängen drum herum von lauter lachenden Frauengesichtern begleitet werden. Das ist alles andere als schlüpfrige Erotik für den Rauchsalon, aber deftig ist es allemal.

Nur lachende Zuschauerinnen im Zirkus. Ohne Titel 1971. Galerie Anton Meier, Genève © Erben Hans Schärer / ProLitteris

Die meisten der Aquarelle sind wie viele der Madonnen zum ersten Mal öffentlich zu sehen. Schärer war anerkannt, die meisten seiner Arbeiten konnte er verkaufen. Zwei Jahre recherchierte das Museum tatkräftig unterstützt von der Familie des Künstlers nach den meist privaten Standorten, oft brauchte es viel Überzeugungskraft, bis sich die Besitzer von ihrer Madonna oder ihrer kleinen Erotikphantasie trennen mochten für die Zeit der Ausstellung. Eine kompakte Version der Schau wird noch in diesem Jahr im Swiss Institute in New York gezeigt, damit wird Schärer erstmals einem internationalen Publikum präsentiert. Ein Werkverzeichnis ist in Arbeit.

Es wäre nicht das Aargauer Kunsthaus, wären Madonnen und Aphroditen nicht auch von jüngeren Künstlerinnen und Künstler reflektiert und umgesetzt: Inhabitations – Phantasmen des Körpers in der Gegenwartskunst ist der Generalnenner der Positionen, welche zum Teil an Ort und Stelle entstanden sind. Der Körper trägt die Existenz, in der Kunst kann er Projektionsfläche für kreatives Nachdenken sein.

 

Ein Raum voll Reflexion über Körper und Haus, installiert von Augustin Rebetez

In Melodie Moussets Arbeit Impulsive Control von 2012 wird der Körper der Künstlerin Medium zwischen dem Ich und der Welt: Am Boden des Raums rotiert ihr Körper im Schneidersitz auf einer Töpferscheibe, während die Hände eines Töpfers auf ihrem Kopf – sichtbar als Lehmklotz – Gefässe formt. Die Resultate dieser Performance als dreifachem Video, die Tontöpfe, stehen auf einem Regal. Mit seiner bekannten Gliederpuppe produzierte Ives Netzhammer das Video Vororte des Körpers (2012/2015), projiziert in einem aus schwarzen Umrissen skizzierten Kirchenraum, oder die Nutzung eines ganzen Raums vom Boden bis zur Decke von Augustin Rebetez, der mit allen denkbaren Medien eine ganze Welt vorführt.

Maske 2014. © Nathalie Bissig

Während bei Mousset schmerzliche Gefühle einstellen, darf man bei Rebetez› Arbeit schaudern und zugleich lachen, und mit Nathalie Bissigs Kopfmasken schliesst sich der Kreis zu den Madonnen. Mit den Inhabitations zeigt das Kunsthaus aktuelle Arbeiten, wobei der Fördergedanke zentral sei, betont Kunsthaus-Direktorin Madeleine Schuppli.

Zur Ausstellung Madonnen und erotische Aquarelle ist ein Katalog erschienen.

In dem reichhaltigen Begleitprogramm ist unter anderem der Rundgang mit Peter Thali, Freund des Künstlers, Max Wechsler, Autor und Madeleine Schuppli am 27. Mai zu empfehlen.

bis 2. August 2015

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