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Tochter zweier Mütter

Im Spielfilm «Figlia mia» schildert Laura Bispuri das Aufwachsen der 10-jährigen Vittoria zwischen einer leiblichen und einer sozialen Mutter: eindrückliches Mutterschafts-Gleichnis.

Vittoria, 10 Jahre alt, lebt mit ihrer Mutter Tina auf Sardinien. Die beiden verbindet eine fürsorgliche, anteilnehmende Beziehung, doch dann begegnet das Mädchen Angelica, einer unangepassten, orientierungslosen jungen Frau. Vittoria fühlt sich von Angelica, die ihr äusserlich gleicht, und ihrer eigenwilligen Persönlichkeit angezogen. Ohne das Wissen der Mutter Tina verbringt sie immer mehr Zeit mit ihr, bis sie schliesslich die Wahrheit über sie und sich erfährt. In diesem Sommer des Umbruchs ordnet die Lebensentscheidung, die zehn Jahre zuvor getroffen wurde, das Beziehungsgefüge von Vittoria, Tina und Angelica neu.

Vittoria in der Obhut von Tina

Aus einem Kommentar der Regisseurin

«»Figlia mia» ist eine Reise, auf der sich drei weibliche Figuren anziehen und abstossen, lieben und verabscheuen, letztendlich aber über die Makel der anderen hinwegsehen und als Individuen wachsen. Es ist eine Geschichte, die allen Figuren gehört, also wollte ich sie aus drei Perspektiven erzählen. Vittoria, Angelica und Tina sind drei Protagonistinnen, deren Herzen auf der Suche nach sich selber brechen. Sie teilen eine tiefe und starke Bindung zueinander, entstanden durch eine geheime Abmachung bei Vittorias Geburt. Ich entschied mich dazu, diese Geschichte aus drei Sichtwinkeln zu schreiben, da es in meinen Augen die beste Möglichkeit ist, diese Beziehung, diese Bindung wahrhaftig zu beschreiben.

Vittoria ist auf der Suche nach ihren Wurzeln und ihrer leiblichen Mutter. Stück für Stück entdeckt sie die einzelnen Teile des Puzzles und entscheidet sich, immer tiefer in ihre Nachforschungen einzudringen, um auf den wahren Ursprung ihrer Existenz zu stossen.

Tina dachte, sie sei die perfekte Mutter mit der perfekten Tochter. Ihre Liebe ist echt, getragen von täglicher Anstrengung, Gewohnheiten, Wachstum, Schweiss und Zärtlichkeit. Am Anfang hält sie es nicht für möglich, dass ihre tiefe Beziehung zu Vittoria ernsthaft bedroht sein könnte. Dennoch hofft sie, dass Angelica endlich verschwinden wird. Doch auf einmal ist das Gleichgewicht ernsthaft bedroht. Aus Angst, ihre Tochter zu verlieren, versucht Tina die Wahrheit über Vittorias Geburt zu verdrängen. Aber die Situation holt Tina ein. Sie muss lernen, ihre Dämonen zu bekämpfen und zu akzeptieren, dass nichts perfekt ist und die Persönlichkeit Vittorias komplexer ist, als sie dachte.

Angelica ist eine Frau, die niemals gedacht hätte, dass sie Mutter wird. In dem Moment, als sie alles zu verlieren droht, denkt sie zum ersten Mal in ihrem Leben an ihre Tochter, die nur drei Kilometer von ihr entfernt aufwächst. Angelica möchte Vittoria das echte Leben zeigen und bringt sie dazu, sich ihren Ängsten zu stellen und zu lernen, sie abzulegen. Auch wenn sie es für unmöglich gehalten hätte, merkt Angelica, dass sie ihre Tochter liebt, und diese Liebe auch erwidert wird. Endlich erlebt sie wahrhaftige Liebe, nach der sie schon ihr ganzes Leben sucht.

Vittoria, angezogen und herausgefordert von Angelica

Was ist eine Mutter?

Mit diesem Film wollte ich aktuelle Fragen zum Thema Mutterschaft aufwerfen. Ich fragte mich: Ist es möglich, mit mehr als einer Mutterfigur aufzuwachsen? Ist die physische Bindung an die Person, die dich in ihrem Bauch getragen, dich zur Welt gebracht hat und aussieht wie du, wichtiger als die kulturelle Bindung zu der Person, die dich aufzog? Ich wollte ein wichtiges Problem unserer Zeit behandeln: das klassische Elternbild. Jahrhunderte lang wurden Frauen nach idealistischer Auffassung als die perfekten Mütter dargestellt. Ich denke, dass es Zeit ist, dieses Konzept zu hinterfragen und der Unvollkommenheit einen Wert beizumessen. «Figlia mia» startet mit einem archaischen und alteingesessenen Gefühl der Mutterschaft und versucht dann, die Diskussion unter moderneren Gesichtspunkten und Visionen weiterzuführen. Ich habe versucht, eine Balance zwischen den beiden Frauen zu finden, die das einzig richtige Ende ermöglicht: Beide Figuren sind die Mutter des Mädchens, auf verschiedene Weise, aber trotzdem ebenbürtig.»

Was ist ein Vater? Was sind Eltern?

Ähnlich, auf die Vater-Rolle bezogen, sind zwei Filme des japanischen Filmemachers Hirokazu Kore-eda: «Our Little Sister» oder «Like Father Like Son». Und vergleichbar ist, auf die Eltern-Rolle bezogen, der Film «Summer 1993» der spanischen Regisseurin Carla Simón. Mit diesen vergleichbaren Filmen und mit dem nachfolgenden literarischen Bezug geht es um die fundamentalen Bilder, die die Gesellschaft von Müttern, Vätern und Eltern hat. Weltweit bekannt ist der Text «Eure Kinder» aus dem Buch «Der Prophet» des berühmten persischen Schriftstellers Khalil Gibran, der eine Dimension der Beziehung zu den Kindern in den Fokus nimmt:

«Eure Kinder sind nicht eure Kinder.
Sie sind die Söhne und die Töchter der Sehnsucht
des Lebens nach sich selber.
Sie kommen durch euch, aber nicht von euch,
und obwohl sie mit euch sind, gehören sie euch doch nicht.
Ihr dürft ihnen eure Liebe geben,
aber nicht eure Gedanken,
denn sie haben ihre eigenen Gedanken.
Ihr dürft ihren Körpern ein Haus geben,
aber nicht ihren Seelen,
denn ihre Seelen wohnen im Haus von morgen,
das ihr nicht besuchen könnt,
nicht einmal in euren Träumen.
Ihr dürft euch bemühen, wie sie zu sein,
aber versucht nicht, sie euch ähnlich zu machen.
Denn das Leben läuft nicht rückwärts
noch verweilt es im Gestern.»

Tina und Angelika, mit Gespräch über ihre Rollen

Die Regisseurin Laura Bispuri

Nachdem Laura Bispuri ein Filmstudium an der La Sapienza-Universität in Rom abgeschlossen hatte, gewann sie 2010 mit dem Kurzfilm «Passing Time» die David di Donatello Auszeichnung für den besten Kurzfilm; er wurde von Frankreichs Académie des César als einer der besten internationalen Kurzfilme ausgewählt. Ihr nächster Kurzfilm «Biondina» wurde mit Italiens Nastro d’Argento Auszeichnung für die vielversprechendste Regie gekürt. Ihr erster Spielfilm «Vergine giurata» wurde auf der Berlinale 2015 im Wettbewerb uraufgeführt, weltweit auf mehr als 80 Festivals gezeigt und hat zahlreiche Auszeichnungen bekommen, darunter den angesehenen Nora Ephron Preis beim Tribeca Film Festival, den Golden Gate New Directors Preis in San Francisco, den Fipresci-Preis in Krakau und einen Globo d’Oro der Italien Foreign Press Association.

Titelbild: Vittoria mit Angelica und Tina (v. l.)

Regie: Laura Bispuri, Produktion: 2018, Länge: 100 min, Verleih: Xenixfilm

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