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Von der Magie des Schreibens

Chinesische Schriftzeichen sind eine Welt-Schrift-Sprache, denn fast ein Fünftel der Menschheit kann sie lesen

Das Museum Rietberg ermöglicht mit der Ausstellung «Magie der Zeichen – 3000 Jahre chinesische Schriftkunst» einen umfassenden Blick in die chinesische Kultur. Die Kalligraphie war schon in den Anfängen die vornehmste aller Künste und ist es bis heute geblieben. Im Schriftdokument zeigt sich das Können des Schreibers, sein Prestige, aber auch ein Stück seiner Seele. Mit der Schriftkunst wurde auch der Machtanspruch des Herrschers oder religiöse Symbolik ausgedrückt, bis heute ist sie mehr als das Niederschreiben von Bedeutungsinhalten mit dem Ziel der Kommunikation.

Qi Baishi (1864–1957) Werkzeuge eines Künstlers. Datiert 1947, Hängerolle. © bpk/The Metropolitan Museum of Art

Die Ausstellung erlaubt eine Annäherung an die Magie der Zeichen und ihre umfassende Bedeutung für die chinesische Politik, Gesellschaft, Religion und Kultur. Kim Karlsson, freischaffende Kuratorin, und Alexandra von Przychowski vom Museum spannen einen Bogen von Knochen oder Bronzegefässen für das rituelle Feuerorakel vor 3000 Jahren über Zaubersprüche und religiöse Schriften des Buddhismus und Daoismus bis zu den Kalligraphien berühmter Dichter und Gelehrter, welche direkt zum heutigen Schriftzeichengebrauch führen. Papier, Pinsel, Tusche und Reibestein braucht es zum Schreiben wie zum Malen, beides erfolgt mit vordefinierten Strichen und Formen. Kalligraphie,Malerei und Dichtung gehören eng zusammen. Die wertvollen alten Schriftrollen oder auch Malereien sind in der Schau vereint mit Arbeiten zeitgenössischer chinesischer Künstler präsentiert, die sich der Schreibkunst widmen – auf sehr unterschiedliche und bisweilen unterhaltsame Art. Min Qiji (tätig 1580–1661) Cui Yingying beim Kalligrafieren. Ming-Dynastie, datiert 1640. Museum für Ostasiatische Kunst, Köln. © Foto: Sabrina Walz

Da ist beispielsweise Song Dong (*1966) mit der Fotoserie über eine Performance von 1996 im Lhasa Fluss in Tibet mit dem Titel Printing on Water: Eine Stunde lang sitzt Song Dong im Lotussitz im Fluss und druckt mit immer gleicher, rhythmischer Bewegung ein grosses Holzsiegel auf die fliessende Oberfläche; auf dem Siegel steht das Zeichen für Wasser. Scheinbar zwecklos, diese Aktion, jedoch ein Dreizeiler von Song Dong von 2009 bringt Licht ins Dunkel: „Das Leben ist ephemer, die Welt ist ephemer, der Planet ist ephemer.“

Zhang Huan (geb. 1965) Family Tree, 9teilige Fotoserie. © beim Künstler

Das Schreiben auf einer Grossprojektion über einer Tür zeigt, wie der Pinsel geführt wird, wie viel oder auch wenig Tusche auf den Schreibgrund gesetzt wird, wie am Ende ein vollendetes Schrift-Bild entsteht. Es seien acht grundlegende Striche, insgesamt gebe es über dreissig, um ein Zeichen darzustellen, die Reihenfolge beim Schreiben sei festgelegt. Das erfährt man auf der Website oder im Katalog. Heute müssen Grundschulkinder in sechs Jahren 3000 Zeichen lernen; mit rund 4500 ist man gebildet, Computerprogramme enthalten 6500 Zeichen. Ein Südchinese oder einer aus dem Norden können sich sprechend kaum verständigen, noch unmöglicher wird es für andere Ethnien im grossen Reich. Aber alle können dieselbe Zeitung lesen, sich auch Briefe oder Mails schreiben.

Inmitten der Schriften, welche wir als Bilder betrachten, stehen Chinesinnen ratlos vor einem Riesenexponat und können offensichtlich nicht entziffern, was es heisst (bis ihr Museumsführer weiterhilft). Uns dagegen gelingt es nach kurzer Konsultation des Saaltexts: Der Kulturvermittler und Konzeptkünstler Xu Bing (*1955), dessen Schreib-Karriere als Rotgardist während der Kulturrevolution begann, hat mit Square Word Calligraphy ein Schriftsystem basierend auf unserem Alphabet erfunden: Was im ersten Moment wie chinesische Schriftzeichen aussieht, sind die Buchstaben eines ganzen Worts, hier dargestellt ist das Gedicht Das Wort von Friedrich Nietzsche.

Kaiser Lizong (1205–1264): Gedicht für die Ehrwürdige Konkubine. Fächerblatt.
Südliche Song-Dynastie, Mitte 13. Jh.© bpk/The Metropolitan Museum of Art

Während die im Zeitalter der Globalisierung entstandenen aktuellen Kunstwerke auch einem flüchtigen Betrachter schnell etwas bedeuten, ist es ungleich schwieriger, die alten Dokumente zu schätzen oder einzuordnen. Der Aufbau der Ausstellung hilft weiter, führt uns zum „Heiligen der chinesischen Schriftkunst“ Wang Xizhi (307–365), dessen kleinste Notizen oder gar Kopien davon bis heute verehrt und mitunter sehr teuer gehandelt werden. Und über tausend Jahre später pinselte der Meister Zhu Yunming (1460–1526) seine dynamische Konzeptschrift, deren abstrakte Schönheit fasziniert.

«Schriftkunst ist wie der Genuss von gutem Wein, sie kann alle Sorgen vertreiben» meinte der Gelehrtenkünstler und hochrangige Politiker Su Shi im 11. Jahrhundert. Alle Exponate illustrieren die vielen verschiedenen Funktionen der Schriftzeichen in Chinas Kultur: „Sie sind nicht nur Ausdruck ästhetischer Perfektionierung, intellektueller Brillanz, religiöser Sehnsucht oder meditativer Versenkung,“ schreiben die Kuratorinnen, „sondern erzählen auch packende und unerwartete Geschichten von treuen Staatsdienern und aufmüpfigen Kunstrebellen, von moralischer Kultivierung und politischer Propaganda oder von weinseligen Dichtertreffen und mystischen Naturerlebnissen.“

Erstmals wird das Thema der chinesischen Schriftkunst damit in umfassender Weise beleuchtet, von ihren Anfängen bis in unsere heutige Zeit. Wer die Ausstellung im Museum Rietberg verpasst, kann sie vom 23. April an im Museum für Ostasiatische Kunst in Köln, einem der wichtigsten Leihgeber, sehen. Der Katalog ist eine umfassende Untersuchung zur Materie, aber auch eine faszinierende Einführung in die Welt der chinesischen Schriftzeichen, ausserdem gibt es Führungen und Veranstaltungen.

Bis 20. März 

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