StartseiteMagazinKulturWenn Geschichte fesselt und fasziniert

Wenn Geschichte fesselt und fasziniert

Philipp Bloms „Der taumelnde Kontinent – Europa 1900-1914“ und „Die zerrissenen Jahre – 1918-1938“ öffnen spannende Horizonte – weit über das Sachbuch hinaus.

Letztes Jahr war „1913 – der Sommer des Jahrhunderts“ des Kunsthistorikers und Journalisten Florian Illies in aller Munde. Nicht weniger vielversprechend sind die beiden zitierten Bücher des in Wien lebenden Historikers Philipp Blom. Weit über die politischen Zusammenhänge hinaus weckt er im Leser Interesse für alle Facetten eines im Umbruch stehenden Kontinents. Dem Niedergang des dekadenten Adels stehen tiefgreifende gesellschaftliche und technologische Veränderungen und radikale kulturelle Provokationen entgegen, denen man in dieser Bandbreite und Lesefreundlichkeit mit wachsender Neugier folgt.

Der taumelnde Kontinent – Europa 1900-1914

In beiden Sachbüchern wählt der Autor für jedes Jahr einen Schwerpunkt. Die Pariser Weltausstellung anno 1900 dient ihm dazu, die Gegensätze und Brüche einer zutiefst verunsicherten Generation zwischen Nostalgie und Fortschrittsglaube deutlich werden zu lassen. Die Dreyfuss-Affäre dient ihm dabei als Nagelprobe. Und der Seufzer des Avantgarde-Dichters Apollinaire „Zuletzt bist du müde dieser veralteten Welt“ zeugt von zunehmender Ratlosigkeit. Die Psychoanalyse Sigmund Freuds, das Aufbegehren der Frauen, ihr erstrittenes Selbstbewusstsein und die künstlerischen Antworten in Malerei, Literatur und Musik werden genau so thematisiert wie „Der Kult der Maschine“ und der erste internationale Eugenik-Kongress 1912, wo „die genetische Verbesserung der menschlichen Rasse“ unheilvolle Schatten vorauswirft: „Die Eugeniker erwachten in einer entzauberten Welt und nahmen den Menschen das letzte aller Rechte: das Recht zu leben.“

Die zerrissenen Jahre – 1918-1938

Das Trauma nach dem Ersten Weltkrieg leitet Philipp Blom mit einem Zitat von Hugo Ball ein: „Ein Zeit bricht zusammen. Eine tausendjährige Kultur bricht zusammen. Es gibt keine Pfeiler und Stützen, keine Fundamente mehr, die nicht zersprengt worden wären…“ Sein Folgebuch ist eine wahre Fundgrube, ein Anekdoten- und Zitatenschatz, der auch die gesellschaftlichen Verhältnisse in den USA vielseitig reflektiert. Der Vorwurf, der Autor bewege sich in der europäischen Geschichte wenig trittsicher, mag für den rein politisch verankerten Leser vielleicht zutreffen, für die anvisierte Gesamtschau einer kulturell interessierten Leserschaft sind Bloms Erkenntnisse ein grosser Gewinn. Statt staubtrockenes Sezieren also eine umfassende Gewissenserforschung, die mit der Hoffnung endet, „dass die Generationen unserer Kinder und Enkelkinder Grund dazu haben werden, uns positiver zu beurteilen, als wir das im Hinblick auf unsere Grosseltern tun, von denen viele ihr Leben, ihre Hoffnungen und ihre Fähigkeiten in mörderischen Illusionen investierten.“

 Philipp Blom: Der taumelnde Kontinent, Verlag DTV (Taschenbuch) ISBN 978-3-423-34678-8; Die zerrissenen Jahre, Verlag Hanser, ISBN 978-3-446-24617-1

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