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Wie die Stille klingt

Eine ungewöhnliche Ausstellung, in der es nichts zu sehen gibt: «Sounds of Silence» führt uns in Klangräume und macht uns Geräusche aller Art bewusst – sehr hörenswert.

Das Museum für Kommunikation in Bern macht in seiner Sonderausstellung Geräusche und Klänge erfahrbar. Das wichtigste Objekt, das jede Besucherin in Empfang nimmt, ist ein raffinierter Kopfhörer mit einem Sensor obendrauf, der in der Mitte des Kopfes bleiben sollte, damit die Sensoren im Ausstellungsraum richtig erfassen, wo sich der Besucher gerade befindet. Dementsprechend kriegt man etwas zu hören.

Ein bemerkenswerter Ansatz. Zu oft verbinden wir den in unserer Zeit unerlässlichen Begriff der Kommunikation mit visuellen Konzepten, gerade auch in einem Museum. Hören – Zuhören – ist jedoch ebenso wichtig, damit sich Menschen untereinander verstehen. Hinzu kommt noch ein wichtiger Unterschied zwischen dem Sehsinn und dem Gehör: Wir können die Augen schliessen, nicht aber unsere Ohren. Es gelingt nur unvollkommen, uns von unangenehmen oder störenden Geräuschen abzuschirmen, trotz aller Lärmschutzmassnahmen und trotz Lärm absorbierender Ohrenschützer.

In «Sounds of Silence» geht es nicht um den Kampf gegen störenden Strassen- oder Fluglärm, auch nicht darum, dass Lärm, von unseren Freizeitvergnügen in der Natur verursacht, für Wildtiere schädliche Folgen hat. Es geht um die Geräusche und Klänge, die uns im Alltag begegnen, die uns vertraut sind, die wir mögen oder auch nicht. Dafür wurde – erstmals in der Schweiz – neueste Technik eingesetzt, der Rundgang ist ein dreidimensionales Hörerlebnis, dabei ist man frei, Halt zu machen oder zum nächsten Punkt weiterzugehen.

Es beginnt mit der ersten Nische und einem Videobild: Winter wie im Bilderbuch, Schnee fällt lautlos. Nur hinter uns hören wir es ganz leise rascheln – ein Tier? Dann noch Schritte, die durch den Schnee stapfen. Das Sinnbild des Friedens, der Ruhe und Unberührtheit: Stille herrscht nur, solange sich nichts und niemand bewegt. Später finden wir eine Nische mit den feinen Geräuschen des Waldes, auch hier gibt es ein Bild mit kleinen Waldbewohnern.

Im Hauptraum treffen wir auf Geräusche aller Art, wohlgemerkt, nur im Kopfhörer. Von der Decke hängen ein paar verschieden grosse Kugeln herab, jede für ein unterschiedliches Geräusch, von der Disko bis zum Summen eines Insektes, jeweils mit Angabe der Dezibelzahl. Übrigens können wir die Lautstärke selbst regeln, niemand ist gezwungen, mehr an Lärm zu ertragen, als ihm lieb ist.

Wir können auch auf runden Haltepunkten Platz nehmen und uns etwas erzählen lassen, was mit Geräuschen zu tun hat: Aus der Odyssee hören wir den Abschnitt, als Odysseus sich nicht nur die Ohren verstopft, sondern sich auch noch am Schiff festbinden lässt, damit er dem Gesang der Sirenen nicht verfällt. In einem fiktiven Gespräch wird Cicero, der römische Philosoph und Politiker, befragt, warum er ausgerechnet über den römischen Bädern lebe, wo es damals so laut war wie heute in sommerlichen Freibädern. Cicero erklärt, dass er, wenn er in Gedanken sei, davon nichts höre, im übrigen aber bald umziehen werde.

Ein paar Schritte weiter erzählt uns eine Frauenstimme, wie es sich auf einer einsamen Insel lebt, inmitten der stets wiederkehrenden Geräusche des Meeres, des Windes, der Vögel, des Blökens der Schafe. Alles wirkt beruhigend, ja befreiend, sobald sie sich daran gewöhnt hatte. – Und doch kam unvermittelt ein Moment der Panik, als plötzlich totale Stille herrschte, «die Stille glotzte», hören wir.

Wer sich dessen noch nicht bewusst war, merkt es hier: Die totale Stille, ohne Geräusche, ist schwer auszuhalten. Das sind wir nicht gewohnt. Immer erwarten wir, irgendetwas zu hören. Sogar im wieder in Mode gekommenen Isolationstank, der vor dreissig Jahren Samadhi-Tank hiess, hören die gestressten Manager, die sich zur Erholung ins warme Salzwasser legen, Geräusche, nämlich diejenigen ihres eigenen Körpers.

Auf dem Weg durch die Geräusche kommen wir auch in das sogenannt ruhige Hotelzimmer mit Blick auf die New Yorker Skyline. Dort herrscht selbstverständlich nicht die versprochene Ruhe, denn der Verkehr und die häufigen Notfallsirenen dringen störend durch die Fenster.

Aus Amerika kommt auch ein experimentelles Stück Stille: Vor einem grossen Foto eines Konzertsaales hören wir das Stück4′ 33» von John Cage, das ist nämlich Stille von genau dieser Zeitspanne.

«Stille wird immer kostbarer», erklärt Kurator Kurt Stadelmann, aber Stille wirke im ersten Moment ungewöhnlich und irritierend auf uns. «Dabei ruht in ihr eine enorme Energie, aus der wir Kraft, Erkenntnisse und Kreativität schöpfen können.» Das lässt sich an der letzten Station erfahren, einem runden Raum, abgegrenzt mit dunklen Vorhängen und mit einigen Hockern ausgestattet. Hier spricht der Jesuit und Zen-Meister Niklaus Brantschen, Gründer des Lassalle-Hauses, über die Stille der Meditation. In ruhigen einfachen Sätzen erklärt er, dass Stille heilend wirke und Verbundenheit herstelle, wenn man sich darauf einlasse. Er sagt aber auch, dass es Mut brauche, Stille auszuhalten. Und Geduld, sollten wir hinzufügen, denn solange wir innerlich immer noch mit uns selbst schwatzen, erfahren wir die Kraft der Stille nicht.

Ein sehr empfehlenswerter Spaziergang zum Hinhören. – Bei meinem Rundgang ging mir ständig ein Lied durch den Kopf: das berühmte Sound of Silence von Simon&Garfunkel, aber in dieser Ausstellung nicht zu hören.

Das Museum für Kommunikation Bern zeigt «Sounds of Silence» bis 7. Juli 2019.

Alle Bilder:  © Museum für Kommunikation / digitalemassarbeit

Nachtrag: Museum für Kommunikation gewinnt europäischen Museumspreis 2019
Der Kulturausschuss der Parlamentarischen Versammlung des Europarates (PACE) hat am 7. Dezember 2018 dem Museum für Kommunikation in Bern den renommierten Museumspreis 2019 zugesprochen. Die Jury hebt unter anderem das gelungene Konzept der Kommunikatoren hervor sowie die dynamischen Ausstellungsinhalte. Seit seinem Bestehen 1977 wurde dieser Preis damit zum dritten Mal an ein Schweizer Museum vergeben.

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