StartseiteMagazinKulturZum Beispiel Fussball

Zum Beispiel Fussball

«Der rote Löwe» ist ein unbedeutender Provinz-Fussballverein. Auf der Bühne des Effingertheaters in Bern dient er als nicht unbedeutendes Schulbeispiel.

Von FIFA bis Drittliga – wohl auch unter begeistert fiebernden Fussball-Fans sind angesichts der Wechselwirkung zwischen Fussball und Geschäft Skeptiker zu finden. Man mag es bedauern oder achselzuckend hinnehmen: Sport ist ein Geschäft, und bei den ganz Grossen geht es auch um ganz grosses Geld.

Bei den Kleineren, wie diesem Club «Der rote Löwe» geht es ja allerdings noch um kleines Geld. Es geht jedoch auch um die beinahe unbemerkbaren Anfänge der Geschäftstüchtigkeit. Das Nachwuchstalent Dragan (Fabian Guggisberg) will unbedingt spielen. Doch er will auch sauber und sportlich bleiben und nicht käuflich werden. So nimmt das Spiel im übertragenen Sinne denn seinen Lauf vom «Sicher nicht!» bis zum «Zuletzt halt doch». In diesem Sinne ist Fussball – und damit auch dieses Bühnenstück um Fussball – nur ein Beispiel für das intrigante und teils oder ganz korrupte Verfahren in manchen Bereichen der Wirtschaft, wovon man ja auch immer wieder lesen und hören kann.

Spieler (Fabian Guggisberg), Trainer (Frank Hangen) und Materialwart (Gilles Tschudi)

Patrick Marber, der eine ausgesprochen starke Hand für Dramas besitzt, ist 1964 in Oxford geboren. «The Red Lion» wurde 2015 in London uraufgeführt, und Marber wusste, wovon er schrieb, hat er doch selbst während seiner zehnjährigen Schaffenskrise einen Fussballklub besessen.

Dass dieses Fussball-Stück mit drei Männern auskommt, ist nicht das einzige Verblüffende daran. Der an sich absehbare Verlust der Unschuld des Spielers wird in hohem Masse bestimmt und getrieben vom trickreichen, intriganten und betrügerischen Verhalten des Trainers Matto (Frank Hangen), dessen Gerissenheit und Fantasie nur ein Ziel kennt: Gross herauskommen! Karriere machen! Und viel Geld verdienen.

Wäre da nicht sein Gegenspieler Ben (Gilles Tschudi), der ehemalige Profi und Star. Von der Erfolgsleiter gestürzt, persönlich und als Fussballer erst am Boden zerstört, hat er sich langsam erholt und arbeitet jetzt immerhin als Materialwart des Vereins. Sein Ziel wäre es, das junge Spieltalent zu fördern, Dragan vor den Fallen der Korruption zu bewahren – doch Geld und Intrige sind gegen ihn, Lüge und falsches Spiel zerstören die Absicht des guten Willens.

Stefan Meiers Inszenierung der aktuellen Schweizer Erstaufführung (nach der deutschen Erstaufführung 2017 in Nürnberg) zeigt beinahe eine Art Allegorie, die man auf die Wirkung von Geld und Geist reduzieren könnte. Dem Regisseur gelingt es zusammen mit seinem Ensemble, die an sich nicht lupenreine Geschichte nicht einfach vollends zu verteufeln. Es ist, wie es ist, erfährt man, und die an der unschönen Geschichte beteiligten drei Personen werden nicht verurteilt und im moralistischen Inferno versenkt, sondern sie bewahren ihre positive Einstellung irgendwie; sie scheinen zu akzeptieren, was sie sich selber eingebrockt haben.

Der Spielraum von Peter Aeschbacher zeigt einen Garderoberaum, wie man ihn sich vorstellt, mit Schränken und Bänken, in etwas düsterem Grün gehalten. Sowohl die charakteristisch auf die Personen zugeschnittenen Kostüme von Sybille Welti als auch der übliche Garderobebetrieb mit Umziehen, Massieren und weiteren Aktivitäten schaffen eine anregende Spannung zwischen Realismus einerseits und psychologischen Dispositionen und Vorgängen in den drei Personen andererseits. Wortlose Elemente – Mimik, Gestik und Bewegungen der drei starken Darsteller – ergänzen und verstärken die Wirkung von Stück und Inszenierung. Die Botschaft erhält damit eine geschlossene Form, die das Anliegen zwar unmissverständlich, doch so formuliert, dass das allgemein Gemeinte wie das speziell dem Fussball Zugeordnete die Begeisterung des eingefleischten Fussballfans nicht wirklich beeinträchtigen kann. Und das ist gut so, in dieser Periode zwischen YB-Meisterfeier und Weltmeisterschaft!

Bilder: Severin Nowacki. Aufführungen bis 29. Juni 2018.

Informationen: DAS THEATER an der Effingerstrasse

Spenden

Wenn Ihnen dieser Artikel gefallen hat, Sie zum Denken angeregt, gar herausgefordert hat, sind wir um Ihre Unterstützung sehr dankbar. Unsere Mitarbeiter:innen sind alle ehrenamtlich tätig.
Mit Ihrem Beitrag ermöglichen Sie uns, die Website laufend zu optimieren, Sie auf dem neusten Stand zu halten. Seniorweb dankt Ihnen herzlich.
Sie können per Twint mit einer CH-Handynummer oder per Banküberweisung im In- und Ausland spenden: IBAN CH15 0483 5099 1604 4100 0

Beliebte Artikel

Mitgliedschaften für Leser:innen

  • 20% Ermässigung auf Kurse im Lernzentrum und Online-Kurse
  • Zugang zu Projekten über unsere Partner
  • Massgeschneiderte Partnerangebote
  • Buchung von Ferien im Baudenkmal, Rabatt von CHF 50 .-

Kommentieren Sie den Artikel

Bitte geben Sie Ihren Kommentar ein!
Bitte geben Sie hier Ihren Namen ein